Alternative Finanzierung

Schnelles Geld aus dem Netz

Um Betriebsmittel vorzufinanzieren oder Produktionen zu erweitern, benötigen Maschinenbauer oft schnelles Kapital. Dem entgegen stehen Banken mit schleppenden Kreditvergaben und wenig Service. Alternativen gibt es im Internet: Auf dem Vormarsch sind Online-Kreditmarktplätze, über die Unternehmer unbürokratisch und auf kurzen Wegen Geld von privaten Investoren leihen können.

Der klassische Zahlungsverkehr wird heute nahezu überall elektronisch erledigt. Rechnungen, Löhne und Gehälter bezahlen Unternehmer online. Doch wenn es um Finanzierungen und deren Anbahnung geht, gibt es für viele Mittelständler neben der Hausbank kaum Alternativen. Nicht so für Hans Rußwurm, Geschäftsführer von Rußwurm Ventilatoren in Meitingen-Ostendorf..

Sein Betrieb mit 30 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von gut drei Millionen Euro entwickelt und produziert Hochleistungsventilatoren für Industriebetriebe. Anfang des Jahres benötigte der Unternehmer 80.000 Euro: „Die Finanzierung war notwendig, um einen bereits bestehenden Großauftrag vorzufinanzieren und zeitnah durchführen zu können“, erklärt der Inhaber. Mit seiner Kredit-Anfrage wendet sich Rußwurm an den Online-Finanzdienstleister Kapilendo. Nach einem Telefonat reicht der Geschäftsführer alle notwendigen Unterlagen ein – und hat bereits wenige Tage später die Zusage, dass sein Projekt aufgenommen wird.

Der online-Finanzdienstleister

Kapilendo funktioniert wie ein Kreditmarktplatz und präsentiert online zahlreichen Privatanlegern Projekte, die zur Finanzierung stehen − inklusive relevanter Angaben für mögliche Geldgeber wie Anlagebetrag, Zinssatz, Laufzeit und Rating. Anschließend rattert die Marketingmaschine. Über gesponserte Posts in sozialen Medien sehen das Projekt viele mögliche Geldgeber. Damit sind auch Angaben, über die sonst Stillschweigen vereinbart ist, prominent platziert und für jedermann lesbar. Auch Umsatz und Betriebsergebnis des Geldsuchers.
Bankgeschäfte so öffentlich zu machen, ist für viele Mittelständler gewöhnungsbedürftig. Für Rußwurm war diese Offenheit kein Thema. Nachdem sein Gesuch online war, kamen die 80.000 Euro innerhalb von 50 Sekunden über 132 Anleger zusammen. Tilgung und Zins begleicht der Unternehmer nun in konstanten, vierteljährlichen Raten.

Digitale Kredite machen Schule

Dass immer mehr Unternehmer ähnliche Wege gehen, zeigen die Zahlen der Schwarmfinanzierer: Die Gründer des Portals Funding Circle haben seit März 2014 weltweit rund fünf Milliarden Euro von mehr als 70.000 Anlegern an etwa 40.000 Unternehmen in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten vermittelt. Bei Kapilendo kommen die Kunden größtenteils aus dem deutschen Mittelstand. Seit Sommer 2015 wurden über das Portal bereits 120 Projekte finanziert, dafür fast 33 Millionen Euro von unterschiedlichen Anlegern, der sogenannten Crowd, eingesammelt (Stand 20.08.2018).

Die Freiberger Metallwarenfabrik, ein mittelständisches Unternehmen, das auf die Feuerverzinkung von Metallbauteilen spezialisiert ist, konnte etwa mithilfe einer Crowdfinanzierung für 50.000 Euro eine größere Charge Zink auf dem Rohstoffmarkt kaufen. Ein prominentes Beispiel ist der Bundesligist Herta BSC: Der Fußballverein setzte bereits zweimal auf die digitale Finanzierung und investierte mit dem Geld von Fans und Anlegern unter anderem in den Bau eines medizinischen Zentrums.
Kapilendo-Gründer Christopher Grätz will mit seinem Angebot die Hausbank nicht ablösen: „Wir sehen unsere Dienstleistung eher als ein komplementäres Produkt, mit dem ein Unternehmen zusätzlich Öffentlichkeit bekommt.“ Er könne sich auch vorstellen, dass Mittelständler einen Teil einer geplanten Investition über einen Bankkredit und einen Teil über alternative Finanzdienstleister finanzieren. „Für die ersten zehn Finanzierungen benötigten wir im Schnitt noch eineinhalb Monate. Heute gibt es immer mehr Projekte, die innerhalb von Minuten oder gar Sekunden finanziert sind“, freut sich Grätz über die Entwicklung. Ein Grund dafür sei, dass immer mehr Anleger angesichts niedriger Zinsen nach alternativen Anlageformen zum Termingeldkonto suchen.

Die Voraussetzungen

Neu gegründete Unternehmen schließt der ehemalige KPMG-Berater allerdings von einer Finanzierung aus. Das Risiko für Investoren sei zu hoch, wenn junge Firmen noch kein etabliertes Geschäftsmodell vorweisen können. Anbieter wie Lendico oder Funding Circle sehen das ähnlich: Mittelständler müssen Mindestumsätze nachweisen und seit mindestens zwei Jahren am Markt bestehen. Bei Companisto dagegen können sich auch Startups für eine Finanzierung bewerben.

Wird das Ausfallrisiko als zu hoch bewertet, lehnen die Geldbeschaffer aus dem Internet Kreditanfragen ab. Dauert jedoch der Prüfungsprozess bei klassischen Banken im Schnitt vier bis sechs Monate, geben die Online-Finanzdienstleister an, Anfragen innerhalb weniger Tage zu bearbeiten. Die Vorteile der Plattformen liegen darin, dass sie Prozesse digitalisieren, dadurch Kosten sparen und günstigere Konditionen anbieten können als viele traditionelle Bankfilialen. Doch statt um ihre Marktanteile zu fürchten, setzen immer mehr etablierte Banken auf Kooperationen mit Unternehmen, die Finanztechnologie – kurz Fintech – anbieten. So ist die Commerzbank etwa an der Kreditplattform iwoca beteiligt. Mit dem Online-Kreditmarktplatz Funding Circle kooperiert die Sparda-Bank. Von der Zusammenarbeit profitieren beide Seiten: Banken liefern Bekanntheit und Sicherheit, Fintech-Anbieter Innovationskraft und Schnelligkeit.

Dass Online-Finanzierung kein Geheimtipp mehr ist, belegt eine Studie, die der Finanzdienstleister Creditshelf bereits 2016 in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Darmstadt veröffentlicht hat: Zwei Drittel der 100 befragten Finanzentscheider aus mittelständischen Unternehmen gaben damals schon an, von Online-Betriebsmittelkrediten gelesen oder gehört zu haben. Das Interessante an den digitalen Plattformen ist nach Einschätzung der Befragten vor allem die schnellere Kreditentscheidung (60 Prozent), die Verbreiterung der Finanzierungsbasis (47 Prozent) sowie Zugang zu unbesicherten Krediten (45 Prozent). „Die ganz überwiegende Mehrzahl der Unternehmenskredite wird nach wie vor über die Hausbanken aufgenommen“, betont Dirk Schiereck, der an der TU Darmstadt über Unternehmensfinanzierung forscht. Doch die digitale Kreditfinanzierung über elektronische Plattformen sei längst kein Nischenphänomen mehr, sondern eine schnell wachsende Alternative. „Die Bindung zu traditionellen Banken nimmt ab. Immer mehr Mittelständler sind heutzutage bereit, alternative Kreditmöglichkeiten zu nutzen“, beobachtet auch Creditshelf-Geschäftsführer Dr. Daniel Bartsch. Der Zugang zu unbesicherten Krediten vergrößere den finanziellen Spielraum, da diese, im Vergleich zu Banken, keine Sicherheiten verlangen.

Informationen über Kreditgeber

Wer für eine geplante Finanzierung einen Online-Dienstleister sucht, sollte sich die Webseite der Finanzdienstleister genau ansehen, um sich über Datenschutz- und Sicherheitsbestimmungen zu informieren. Seriöse Anbieter halten ihre Sicherheitsstandards auf Bankenniveau. Auch lohnt es sich – wie bei einem Kreditangebot von der Bank – Preise und Geschäftsbedingungen genau zu prüfen. Werden Finanzgeschäfte mobil über Smartphone oder Tablet abgewickelt, muss die WLAN-Verbindung gut gesichert und verschlüsselt sein. Weil Updates oft auch neu entdeckte Sicherheitslücken schließen, sollten Apps und Betriebssystem immer auf dem aktuellsten Stand sein. Ein Virenscanner ist zumindest bei einem Android-Betriebssystem Pflicht, warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.

Im Jahr 2017 wurde in Deutschland ein Kreditvolumen von 200 Millionen Euro über Online-Plattformen vergeben. Dabei sind Kreditalternativen aus dem Netz vor allem geeignet, um Betriebsmittel für Wachstum zu finanzieren oder Digitalvorhaben anzuschieben. Denn dafür verleihen Banken ungern Geld. Wenn Investitionen nicht ratiogetrieben sind, tun sich Geldhäuser schwer mit der Kreditvergabe. „Emotionen sind Banken nicht erlaubt“, verdeutlicht KPMG-Expertin Irene Pitter. Diese Denke hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten dermaßen manifestiert, dass sich gestandene Mittelständler bis heute daran klammern. Dabei sind gerade sie interessant für die Crowd. „Online-Alternativen zur Hausbank sind da, jetzt beginnt die Lernphase“, vermutet Pitter. Die Rechnung ist einfach: Wenn Firmeninhaber erkennen, dass Finanzierung nichts mehr sein muss, was hinter verschlossenen Türen geschieht, sondern über die Öffentlichkeit zur Marketingmaschine mutieren kann, werden alternative Finanzierungsmodelle gefragter sein.

Geringes Risiko für Kreditnehmer

Für Unternehmer, die auf Geld aus dem Netz hoffen, ist das Risiko gering. Projekte, die Gefahr laufen, nicht finanziert zu werden, sortieren die Finanzdienstleister im Vorfeld aus – das macht die Hausbank im Zweifel auch so. Mit der strengen Vorauswahl sichern die Anbieter ihre Reputation. Nimmt ein Crowdfinanzierer ein Projekt an, erhält der Firmeninhaber in der Regel auch die ersehnte Finanzspritze. Das Wagnis für Investoren bewerten die Online-Plattformen anhand von Risikoklassen. Ein geringerer Zins geht mit einer geringeren Ausfallgefahr einher und umgekehrt. Die Faustregel für Anleger lautet wie immer: Höheres Risiko bedeutet auch höhere Renditechancen.

Geht ein Unternehmen etwa in Insolvenz und kann seine Schulden nicht tilgen, ist im schlimmsten Fall das Geld für den Anleger weg. Garantien geben die Kreditmarktplätze keine, ein Hinweis auf das Ausfallrisiko ist gesetzlich vorgeschrieben. Verbraucherschützer betrachten Geldanlagen über Internet-Plattformen teils mit Skepsis und raten Anlegern, die Risiken und Chancen sowie insbesondere die Ausgestaltung der Verträge genau zu prüfen. Wichtig sei laut Meinung der Experten beim Thema Geldanlage: Nur anlegen, was nicht zum täglichen Bedarf notwendig ist und möglichst breit diversifizieren – etwa über unterschiedliche Anlageklassen und Branchen.

www.ruwu.de

www.kapilendo.de

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