Brückenbau in Madrid

Die Pasarela del Arganzuela

Perfekter Halt unter allen Bedingungen – was in einem verbreiteten Werbespot der 1980er-Jahre ein Haarspray an Frisuren zu leisten behauptete, ist Ingenieuren und Metallbauern bei einem Brückenbauwerk in Madrid definitiv gelungen:       Ein Bericht über die Pasarela del Arganzuela.

Neben seiner eigentlichen Funktion, die beiden Ufer des Rio Manzanares miteinander zu verbinden, schützt der spektakulär entworfene Brückenbau Fußgänger und Radfahrer vor Wind und Sonne. Darüber hinaus sorgt das gewählte Material, rostfreier Lean-Duplex-Edelstahl, dafür, dass die Brücke selbst nicht frühzeitig verfällt – man nennt es Nachhaltigkeit. Was wie ein textiles Band oder wie eine schimmernde Helix aussieht, verlangte allen am Bau Beteiligten viel Engagement ab: Dem französischen Architekten Dominique Perrault in der Formensprache, den Ingenieuren in der Herausforderung, die Idee im Detail tragbar zu machen, und den Metallbauern von Finsa Architectura und GKD in der Notwendigkeit, die Bauteile kostengünstig und schnell zu fertigen und zu montieren. Besonders Letztgenannte hatten hohen Zeitdruck zur Fertigstellung, weil der Einweihungstermin mit Bürgermeister und anderen Honoratioren höchste Priorität genoss. Die Folge waren 24-Stunden-Schichten in der Fertigstellungsphase.

Die Hülle

Die äußere Hülle der Brücke aus Edelstahlgewebe umschlingt den gesamten 250 Meter langen Weg spiralförmig und erinnert an eine überdimensionierte Luftschlange im Rasen des Manzanares-Parks. Gemäß der für ihn typischen Strategie der Verfremdung macht Perrault den Steg als tradierte Form unsichtbar. Anstelle eines kompakten Baukörpers entwarf er eine zweiteilige selbsttragende Stahlkonstruktion, die zu ihren äußeren Enden hin konisch zuläuft. An ihrer höchsten Stelle in der Mitte beträgt der Brückendurchmesser zwölf Meter, an den beiden spitzen Enden nur noch fünf. Seitliche Stützen unterstreichen den Eindruck einer schwebenden Verbindung zwischen den Ufern. Die beiden spiralförmig ummantelten Brückenteile – 150 und 128 Meter lang – ragen weit in den Park hinein und enden jeweils auf einer Plattform. Sie ist der eigentliche Zugang zum Park und damit Zeichen des innerstädtischen Zusammenwachsens. Die Helix interpretiert der Architekt als Zeichen für Leben, Stabilität und Wachstum. Neben der optisch nahtlosen Gestaltung der dreidimensionalen Bandform legte Perrault größten Wert auf präzise definierte Licht- und Luftdurchlässigkeiten der Spiralmembran. Das Metallgewebe ist daher halbtransparent und trägt sowohl zur natürlichen Belichtung als auch zur Belüftung bei. Der Stahl und dessen Inszenierung ist Zeitzeuge des 21. Jahrhunderts. Der hölzerne Bohlenboden des Wegs übernimmt den natürlichen Charakter. Die spiralförmige Wicklung ist so ausgelegt, dass sich jeweils eine offene und eine mit Edelstahlgewebe umschlungene Seite gegenüberstehen. Das erlaubt den Passanten jederzeit den Ausblick auf die umgebende Natur und verhindert zugleich, dass Windböen die Brücke unpassierbar machen.

Fertigung und Montage

Für die Arganzuela-Brücke nutzte Perrault das Spiralgewebe vom Typ Escale 7 x 1 der Metallweberei GKD – Gebr. Kufferath. Die flexible Konstruktion der Edelstahlspiralen umhüllt dreidimensionale Strukturen fließend. Für das Brückenband kamen 4.500 m² dieses Gewebetyps zum Einsatz. Die konische Form des Baukörpers und die dadurch bedingte zweidimensionale Krümmung des Gewebes stellten die Ingenieure der in Spanien produzierenden Tochter von GKD, Finsa Arquitectura, vor einige besondere Herausforderungen: Das Wie, die Zeit und das Wetter. Innerhalb von nur 24 Stunden produzierten die Metallbauer 64 dreieckige, jeweils auf die Unterkonstruktion angepasste, individuell geformte Gewebezuschnitte – 30 für die nördliche und 34 für die südliche Hälfte der Helix. Die Gewebepaneele wurden in der Werkstatt in Terrassa (Barcelona) konfektioniert und in große Container verpackt, die nach Madrid per Lkw geliefert wurden. Dazu gehörten auch die Teile, die in die Strukturen verschweißt werden mussten. Ziel war es, einen wesentlichen Teil der Arbeit nach Terrassa zu verlegen, um in Madrid entstehende Kosten zu vermeiden. In Madrid mussten alle Ankerplatten in die Brückenstruktur eingeschweißt werden, um das Gewebe passend zu montieren. Auch die Montage der fertigen Gewebepaneele erforderte aufgrund ihrer Größe und der dreieckigen Form absolute Präzisionsarbeit. Jedes Gewebedreieck wurde per Kran von oben nach unten mit exakt vorgegebenen Biegungen in vertikaler und horizontaler Richtung montiert, um die gewünschte Spannung zu erzeugen. Das klingt machbar, allerdings erschwerte ein Sturm in den Tagen der Montage die Arbeit vor Ort. Hinzu kam, dass das Gewebe direkt über dem Fluss montiert werden musste. Die Kräne benötigten also auch eine gute Standfestigkeit im Wasser, und die Monteure selbst mussten in schwindelnden Höhen auf dem Gestell sehr sicher stehen. Höhenangst oder gar Abstürze konnte sich niemand erlauben. Wegen der komplizierten Brückenform wurde die vielfach bewährte Befestigungstechnik mit Augenschrauben den konstruktiven Erfordernissen angepasst. Die Hypotenusen der ungleichschenklig geschnittenen Dreiecke wurden mit eingeschobenen Flachprofilen auf der Unterkonstruktion befestigt. Gespannt wurde das Gewebe durch Augenschrauben, die an den Schrägseiten der Dreiecke auf die sieben Millimeter starken Verbindungsstäbe der Spiralen aufgeschoben wurden.

Materialität

Nach der DIN EN 1990:2010-12 und der europäischen Anwendungsnorm Eurocode 2 gelten Brücken als „monumentale Gebäude und Ingenieurwerke“, deren zentrale Tragwerke mindestens 100 Jahre halten müssen. Gefragt sind hier Befestigungen und Bauteile aus nichtrostenden Stählen mit Qualitätssiegel und den Widerstandsklassen III, IV oder V gemäß der ABZ Z-30.3-6. Einer der wichtigsten Werkstoffe der Arganzuela-Brücke heißt „Lean-Duplex-Stahl“. Man kann ihn sich als eine Art getunten Edelstahl Rostfrei vorstellen. Korrosionsbeständigkeit und gute Ökobilanzen sind bereits in der Standardgüte 1.44004 vorhanden. Der Lean-Duplex-Stahl kann aber deutlich größere, ja nahezu doppelt so hohe Streckgrenzen für Konstruktionen mit langen Spannweiten erreichen. Gegen salz- oder schwefeldioxidhaltige Luft wie in der Millionenmetropole Madrid ist er resistent. In Madrid verbindet die 250 Meter lange Pasarela del Arganzuela die idyllischen Parkanlagen und Promenaden an den Ufern des Rio Manzanares. Diese lange Strecke erfordert viel Material. Daher achtete man auf extrem leichte Werkstoffe, weshalb die Lean-Duplex-Variante gewählt wurde. Ein weiterer entscheidender Vorteil: Das Material kann vollständig wiederverwertet werden. Dieser ökologische Aspekt macht es ebenfalls zum Zeitzeugen des 21. Jahrhunderts, in dem das immer wieder erwähnte Thema Nachhaltigkeit inzwischen zur Selbstverständlichkeit bei Neubauten geworden ist.

Am Beispiel der Pasarela del Arganzuela zeigt sich, dass die sachgerechte Materialauswahl und die fachgerechte Verarbeitung der Brückenelemente aus Edelstahl Rostfrei mit Qualitätssiegel dank der anhaltenden Robustheit gegen Witterungseinflüsse, Emissionen und Korrosion die kommunalen Budgets für Jahrzehnte entlastet.

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