Das Ende der Fax-Ära

Einkaufsprozesse digital managen

Digitale und automatisierte Einkaufsprozesse sind für Handwerksunternehmen interessant – wenn gleich noch mancher kleinerer Betrieb skeptisch ist.

Silvia Fischer mag es noch altmodisch. „Wir schicken pro Woche vielleicht 200 Bestellungen raus“, sagt die Einkäuferin von Rudolstädter Systembau. „Davon 180 per Fax.“ Wenn es um Schrauben und Muttern geht, dann greift auch bei dem Metallbauunternehmen aus Thüringen ein automatisiertes System. Doch wenn die passenden Profile, Bleche oder Rohre für den nächsten Auftrag geordert werden müssen, dann generiert Fischer aus dem eigenen Warenwirtschaftssystem eine Bestellung und schickt diese via Fax. Da sei sie sich sicher, dass sie auch am anderen Ende ankommt. E-Mails würden dann doch manchmal im Nirvana landen.

Softwareschmiede Höffl aus Mannheim

Vor allem kleinere Handwerksunternehmen tun sich mit dem Einsatz von Automatisierungs-Lösungen zur Bestellabwicklung offenbar schwer. Die Softwareschmiede Höffl in Mannheim hat selbst Wurzeln im Metallhandwerk. Heute entwickelt die Firma Programme, speziell fürs Handwerk. „Viele unserer Kunden arbeiten immer mit den gleichen Lieferanten zusammen, was ja auch Sinn macht“, erklärt Volker Weitzel, Marketing- und Vertriebsleiter. Da würde sich eine Digitalisierung förmlich anbieten. Kontakte zu Herstellern und Händlern oder häufig gebrauchte Artikel können in den Stammdaten angelegt werden.

Alexander Koller hat das gemacht. Der Metallbauer aus dem bayerischen Neubrunn setzt die Höffl-Software Qomet bereits seit 2002 ein. Als es dann die Möglichkeit eines digitalen Bestellmanagements gab, rüstete er auf. Große Online-Shops, etwa vom Schraubenhersteller Würth, sind per Schnittstelle in das System eingebunden. Das Faxgerät ist bei Koller reif für die Mottenkiste. „Ich schicke im Jahr vielleicht noch drei Faxe raus“, sagt er. Über die Software erstellt er Zeichnungen, kalkuliert Angebote und löst Bestellungen aus. Die Händler bekommen dann ein vom Programm generiertes PDF-Dokument per E-Mail. Verbindlich. Ist die Bestellung eingegangen, wird alles im System dokumentiert und dient so dem Qualitätsmanagement. „Das ist schon gut gemacht“, lobt Koller. Doch viel einfacher oder gar schneller werde es dadurch nicht unbedingt. „Früher hab ich angerufen und dem Händler gesagt, was ich brauche. Heute suche ich es mir selbst aus. Dadurch sinkt die Fehlerquote.“ Die Bestellung wird ja direkt mit Daten aus der Konstruktionszeichnung gefüttert.

Metatec aus Wickede

Die Firma Metatec aus Wickede hat vor ein paar Jahren den großen Wurf gewagt. Das Unternehmen hatte sich nach Jahren des Wachstums entschieden, die übliche Betriebssoftware durch eine speziellere Lösung zu ersetzen. Basierend auf der Kundenanfrage ermittelt ein Mitarbeiter eine Materialliste für den Auftrag. Dieser Bedarf wird dann mit dem Bestand in der Datenbank abgeglichen. Das System erkennt, ob Materialien fehlen. Sollten diese nicht im Artikelstamm angelegt sein, kann man parallel Anfragen an mehrere Lieferanten schicken. Auch die Bestellungen können dann automatisch ausgelöst werden. Die Artikel werden mit Barcodes versehen, damit man ihnen den Zeitaufwand für das Projekt zuweisen kann. Auch folgende Arbeitsschritte werden über das System abgewickelt: Wenn ein Bauteil außer Haus weiter bearbeitet wird – etwa zum Verzinken − kann die Software eine Bestellung für die Fremdbearbeitung verschicken, inklusive eines festen Termins.

„Wir bleiben beim Fax“

Ein anderer Unternehmer – er will namentlich nicht genannt werden – schiebt die Anschaffung einer Bestellsoftware noch auf. „Klar, auf dem herkömmlichen Weg ist die Fehlerquelle viel zu hoch“, sagt er. Doch bislang habe ihn noch keine Lösung überzeugt. Also wird weiter telefoniert und gefaxt, vielleicht mal eine Mail verschickt. Und das in einem Unternehmen mit rund 80 Mitarbeitern und rund 100 Bestellungen pro Woche. Sucht er ein neues Produkt, nutzt er auch mal Google oder die Plattform „Wer liefert was?“.

Hans-Jürgen Lühmann aus Stade ist Inhaber eines Metallbauunternehmens mit zwölf Mitarbeitern. Auch er bevorzugt den klassischen Weg – schickt Faxe und telefoniert. Auch weil ihm die Zeit fehlt, sich in eine EDV-Lösung einzuarbeiten. Und auch Arndt Neff von Keppler Metallbau aus Bretten sagt: „Zu 80 Prozent nutze ich Fax und E-Mail. Hier und da mal ein Einkaufsportal, doch im Wesentlichen läuft es bei uns klassisch.“ Die 1980 gegründete Firma hat aktuell zwölf Mitarbeiter.

Kostenersparnis durch digitale Prozesse erwiesen

Dass digitale Prozesse richtig Zeit und Geld sparen, hat der Leipziger Forscher Holger Müller ermittelt. Eine wesentliche Erkenntnis seiner Studie: Die Beschaffung von indirektem Bedarf kann in einem Unternehmen zu einem erheblichen Kostenfaktor werden, wenn diese Einkaufsprozesse nur unzureichend professionalisiert und vor allem nicht digitalisiert sind. Konkret heißt dies, dass ein durchschnittlicher Mittelständler mit rund 7.100 Bestellungen pro Jahr mit Hilfe von digitalisierten Prozessen seine Bestellkosten von knapp 820.000 Euro um vierzig Prozent auf 480.000 Euro reduzieren kann. Ein zwar einheitlicher, jedoch weiterhin manueller Prozess führt zu keinen Einsparungen. Das, so Müller, gehe nur mit der Digitalisierung.

Müller sieht die Studie als wichtige Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen in der Entwicklung ihres Digitalisierungsgrades: „In Großunternehmen ist die digitale Unterstützung des Beschaffungsprozesses weitgehend etabliert. Aber in kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) werden viele Bestellprozesse nach wie vor von Hand ausgeführt.“

Großhändler in der Baubranche künftig überflüsssig

Willi Muschinski ist Dozent für Beschaffungsmanagement an der Hochschule Niederrhein. Der Akademiker ist trotz anhaltender Skepsis davon überzeugt, dass der technologische Wandel kommen wird. „Der mehrstufige Handel wird in naher Zukunft immer mehr an Bedeutung verlieren“, sagt er. Vor allem in der Baubranche sind dreistufige Vertriebsmodelle gang und gäbe – sprich: die Baustoffindustrie verkauft ihre Materialien über Baustoff-Fachhändler an die Bauunternehmen. Hersteller würden künftig den Vertrieb über die eigene Website organisieren. Großhändler werden überflüssig. Die Automatisierung von Beschaffungsprozessen sowie die durchgängige Vernetzung von Einkäufern und Lieferanten können wettbewerbsentscheidend sein. Dass das Realität ist, zeigt eine Umfrage der Unternehmensberatung Bauinfo Consult unter 1.000 Bauunternehmen in Europa. Zwei Drittel von ihnen kaufen bereits heute zumindest einen Teil der Produkte direkt beim Hersteller ein. Oft über automatisierte Prozesse, bei denen Komponenten punktgenau in die Fertigung oder auf die Baustelle geliefert werden. Ein Drittel der Einkäufe würde schon heute ohne einen Zwischenhändler stattfinden.

Die Händler spüren diesen Druck, bestätigt Steffen Auer. Er ist Inhaber und Geschäftsführer des Großhändlers Schwarzwald-Eisen aus Lahr und beschäftigt rund 250 Mitarbeiter. „Das Fax haben wir ausgemerzt, bei uns läuft alles per E-Mail“, sagt er. Eine eigene App sei in Vorbereitung, aber aufwändig. „Die muss unglaublich intelligent sein.“ Im Stahlhandel ändern sich die Preise täglich. Zudem gibt es eigene Listen, die sich nach den Liefermengen des Kunden richten. Man habe aber verstanden, dass die Zukunft hier auf dem digitalen Markt liege.

Mobile Einkaufs-App

Thyssen Krupp hat gerade eine mobile App auf den Markt gebracht, mit der Kunden einkaufen können. Vom Handy aus und ohne Zwischenhändler. Die Funktionsweise ist einfach: Man scannt im Lager den QR-Code der Ware, wenn diese zur Neige geht. Dann muss man im Prinzip nur noch die Menge auswählen und hat mit wenigen Klicks nachbestellt.

In der Industrie ist das Thema längst angekommen. „Im Handwerk ist der Grat der Automatisierung von Beschaffungen noch sehr gering“, sagt Heinz Bölling, Mitgründer von Spoo, einem jungen Unternehmen, das Firmen bei der digitalen Transformation begleitet. „Interessanterweise wird sich der Branchenprimus Amazon mit seinem Business-Konzept auch vermehrt um das Handwerk kümmern. Dann werden die bekannten Lieferketten für das Handwerk das Nachsehen haben, da sie in diesem Bereich noch sehr unterentwickelt sind“, so Bölling.

Infos & Kontakte

A. Koller Metallbau GbR
Ringstraße 34
97277 Neubrunn
Tel. 09307/267

www.metallbau-koller.de
Metallbau Hans-Jürgen Lühmann GmbH
Sophie-Scholl-Weg 5
21684 Stade
Tel. 04141 776386 0
Fax 04141 776386 99

www.luehmann-metallbau.de

Metatec GmbH
Westerhaar 26
58739 Wickede / Ruhr
Tel. 0 2377 785 3510
Fax 0 2377 785 3515

www.metatec-gmbh.de

Rudolstädter Systembau GmbH
Oststraße 40
07407 Rudolstadt
Tel. 03672 454 0
Fax 03672 454 222

www.rsb-rudolstadt.de

Softwareschmiede Höffl GmbH
Saarburger Ring 17
68229 Mannheim
Tel. 0621 48293 10
Fax 0621 48293 99

www.qomet.de

Spoo Group GmbH
Heinrich-Hertz-Straße 2
79211 Denzlingen
Tel. 07666 9133360

www.spoo-group.com

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 2-3/2020

Softwareschmiede Höffl

Lieferantenwebshop

Immer mehr Anbieter wie Würth oder Hilti verwalten ihren Artikelstamm in einem Webshop. Mit dieser Erweiterung des Bestellwesens kann der komplette Bestellvorgang digital abgewickelt werden. Alle...

mehr
Ausgabe 09/2015

Programme Marke Eigenbau

Software für Vaters Metallbaubetrieb

Alice Höffl, eins von drei Kindern des Metallbauunternehmers Ferdinand Höffl, wurde von ihrem Vater beauftragt, eine Software für die Auftragsabwicklung zu programmieren. Die beiden anderen führen...

mehr
Ausgabe 12/2011 Branche und Technik im Aufwind

Metallsoftware 2011

Wer sich über die neuen Trends der branchenorientierten Softwarehersteller informieren will braucht nur eine Adresse: die Metallsoftwaremesse des nordrhein-westfälischen Metallhandwerks in...

mehr
Ausgabe 02/2019

Start-up Laserhub

Beschaffungsmanagement für Metallbauer

Bis Metallbauer und Blechbearbeiter telefonisch oder via E-Mail eine Bestellung definiert haben, ist nicht selten eine aufwendige Abstimmung nötig, wie Adrian Raidt weiß. Der Gründer der...

mehr
Ausgabe 03/2010 BVM unterstützt Kampagne

„Handwerk ist Wirtschaftsmacht von nebenan“

Während die Unternehmen und die Arbeitswelt im Handwerk längst im 21. Jahrhundert angekommen sind, ist das Bild vom Handwerk noch viel zu oft aus dem letzten Jahrhundert geprägt. Dies gilt gerade...

mehr