Die vernetzte Werkstatt

Digitale Transformation im Metallbau

Die Digitalisierung ist eines der großen Themen der Wirtschaft. Auch im Metallbau sehen sich kleine und mittelständische Betriebe vor tiefgreifenden Veränderungen. Manche fühlen sich überfordert. Andere packen es einfach an. Ein Stimmungsbild.

Zehn Jahre sei es etwa her, erinnert sich Felix Huth. Da stand er in der Fertigung eines Kollegen und schaute sich ein digitales Stabbearbeitungszentrum an. Damals war das noch Zukunftsmusik. Die Maschine konnte zwar schon Daten einlesen und voll automatisiert arbeiten, für uns waren die Abläufe aber noch zu arbeitsintensiv. „Auf jedes Werkstück kamen anderthalb Stunden programmieren“, sagt Huth im Scherz. Als geschäftsführender Gesellschafter packt er bei Huth Metallbau in Bremerhaven die Digitalisierung selbst an. Hat längst ein digitales Bearbeitungszentrum. Denn mittlerweile ist die Maschine in allen Schritten der Prozesskette in einen digitalen Arbeitsablauf eingebunden, der schon beim Angebot an den Kunden beginnt.

Einer der digitalen Schrittmacher in der Branche ist Schüco. „Wir sind Systemanbieter“, sagt Firmensprecherin Ulrike Krüger und meint damit: Der Bielefelder Konzern versteht sich längst nicht mehr nur als Hersteller von Profilen, Fenstern oder Maschinen. Schüco hat Anfang des Jahres eine große Digitaloffensive verkündet. Ziel ist, die gesamte Wertschöpfungskette digital zu optimieren. Schüco entwickelt und verkauft eigene Computerprogramme zum Planen, Kalkulieren und Produzieren, berät und begleitet Handwerker beim Umsatteln aufs Digitale und gönnt sich darüber hinaus mit seinem Digital Lab eine eigene Entwicklungsabteilung, die die Technik von morgen erfinden soll.

Support vom Systempartner

Während andere erst jetzt auf den Digitalisierungszug aufspringen, ist das Thema bei Schüco bereits mehrere Jahrzehnte alt. Die Schüco Digital GmbH hat ihre Wurzeln im Jahr 1972. Bereits 1978 begann Schüco, digitale Infrastruktur nicht mehr nur zu verkaufen, sondern auch zu vermieten. Das Prinzip, dass man eine Software nicht besitzen muss, um sie zu nutzen, macht heute unter dem Begriff „Software as a Service“ (Saas) Schule. Schüco geht damit jetzt ins 40. Jahr.

Die Digital-Einheit bei den Bielefeldern ist heute ebenfalls ein mittelständisches Unternehmen. Etwa 110 Mitarbeiter erlösen einen Umsatz von 13,5 Millionen Euro. Sie bringen die Standard-Software auf den neuesten Stand, betreuen Firmenkunden bei der Implementierung digitaler Lösungen und versuchen nebenbei noch, die Zukunft neu zu erfinden. Und ihr immer einen Schritt voraus zu sein.

„Schüco hat früh erkannt, dass die Digitalisierung ein wichtiges Mittel der Verkaufsförderung ist“, erinnert sich Schücos Digital-Geschäftsführer Christian Glatte. Er hat die Entwicklung seit langer Zeit mit begleitet und geprägt, ist seit 28 Jahren im Konzern und war dort immer am Puls des Digitalen.

„Wir sind die ersten Schritte des Weges gemeinsam mit Schüco gegangen“, erinnert sich Unternehmer Felix Huth. In der Produktion hat sich bislang am meisten getan. Statt wie früher den Bearbeiter bei jedem Schritt mit einer Konstruktionszeichnung oder einem Plan zu beschäftigen, kommen die Daten heute aus der vernetzten Maschine. Wird die Station gewechselt, werden Informationen über Barcodes eingelesen. Das spart Zeit.

Weg von Insellösungen

Doch in anderen Bereichen sei man noch nicht so weit, räumt Huth ein. „Meine Vision ist, dass wir in spätestens fünf Jahren eine zentrale Datenbank haben, aus der alle Informationen kommen.“ Noch laufen in der firmeneigenen Computerwelt mehrere Insellösungen: Eigene Software-Programme für Warenwirtschaft, Kundenpflege, Lohnbuchhaltung oder Zeiterfassung. Jede Software ist spezialisiert und die Programme sprechen noch nicht miteinander. Das führt dazu, dass Daten immer wieder neu eingegeben werden müssen. „Wenn bei uns ein neuer Mitarbeiter anfängt, müssen wir erst mal 20 digitale Formulare ausfüllen“, so Huth. Davon will er weg.

Das soll sich ändern, sagt auch Schüco-Manager Glatte. In der digitalen Welt seien schon viele Firmen angekommen. Doch so richtig vernetzt seien die wenigsten. Schüco bietet zwar seit mehreren Jahren auch mobile Versionen seiner Softwares an. Stößt der Metallbauer auf der Baustelle auf Gegebenheiten, die gegen seine Kalkulationen laufen, so kann er mit den mobilen Lösungen vor Ort die Daten ändern und sofort das Angebot anpassen. „Es entsteht ein größerer Nutzen für die Kunden, wenn Programme gut vernetztes Arbeiten unterstützen“, sagt Glatte. Dies sei aber noch eine neue Herausforderung für viele Unternehmen. Doch klar ist auch: Wenn man einen Datensatz nur einmal eingeben muss statt 20-mal, dann hat man 19 Fehlerquellen eliminiert. Von der Zeitersparnis mal ganz abgesehen.

Kalkulieren auf der Baustelle

„Früher hatten wir auf der Baustelle einen dicken Packen Unterlagen dabei, und doch fehlte immer etwas“, erinnert sich Adam Kroczek von MDL Metallbau in Wadersloh-Liesborn. „Jetzt zeigen wir den Kunden alles auf dem iPad und können direkt Alternativen durchgehen, zum Beispiel für Griffe. Für das Aufmaß hängen wir einfach ein Foto an die entsprechende Position.“

Alle Experten sagen: Wichtig sei immer, dass man die Mitarbeiter mitnimmt. Digitale Strukturen müssen behutsam eingeführt werden. Skeptische Stimmen sollte man durch Leistung für sich gewinnen. „Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten“, erinnert sich Felix Huth. In der Fertigung war das von essenzieller Wichtigkeit. Denn die neue Maschine hat einen sechsstelligen Betrag gekostet. Dann muss sie auch bespielt werden. „Wir haben es vorher mit allen betreffenden Leuten aus der Fertigung durchgesprochen“, so Huth. Nun kommt die Verwaltung dran. Denn auch hier gibt es Mitarbeiter aus allen Altersklassen. Wobei Huth feststellt, dass es nicht unbedingt immer die Jüngeren sind, die sich für Neues zuerst öffnen. Das kann auch anders sein.

Digitalisierung im meisterteam

„Digitalisierung ist ein wenig wie der Begriff Nachhaltigkeit“, sagt Thomas Schley. Er ist Geschäftsführer des Handwerker-Netzwerks meisterteam aus Hamburg. Das Netzwerk vereint mehr als 300 Handwerker aller Gewerke unter einem Dach. Wie bei der Nachhaltigkeit sei auch bei der Digitalisierung vielen gar nicht bewusst, was sich hinter diesem abstrakten Begriff verberge – und wie man damit anfängt. „Es ist sehr komplex“, sagt Schley. Beim meisterteam gibt es darum jetzt eine eigene Arbeitsgruppe, in der sich Mitglieder zu dem Thema austauschen können. Doch auch in den einzelnen Fachgruppen – auch für den Metallbau gibt es eine – steht das Thema ganz oben auf der Agenda.

Gestiegene Erwartungen

Mit der Zeit haben sich die Ansprüche der Kunden gewandelt. Früher waren die Kunden mit einer funktionalen Insellösung zufrieden. Heute müssen die Programme nicht nur gut funktionieren, sie müssen auch viel können, leicht bedienbar sein und gut aussehen. Interface-Design war für die Software-Entwickler der 1980er-Jahre kein Thema. Der Kunde von heute ist von seinem Smartphone eine intuitive Bedienung bei verlässlich guter Qualität und hoher Geschwindigkeit gewohnt. „Es muss unser Anspruch sein, dies auch bei einer komplexen Software wie SchüCal zu liefern“, sagt Christian Glatte von Schüco Digital.

Ein Sperren der Branche gegen den Trend will Glatte aber nicht feststellen. „Ich habe die Anwender schon immer als sehr aufgeschlossen und am Fortschritt interessiert erlebt“, sagt er. Computerkenntnisse gehören heute zur Allgemeinbildung. „Vor einiger Zeit mussten wir unsere Schulungen noch damit beginnen, dass wir den Leuten erklärt haben, wie eine Maus funktioniert“, erinnert Glatte sich schmunzelnd.

So wenig digitale Bildung ist heute die krasse Ausnahme. Gleichwohl hat der Zentralverband des Deutschen Handwerks in einer Umfrage ermittelt, dass viele seiner Mitglieder das Thema auf die lange Bank schieben. Oftmals, weil im eigenen Haus die Kompetenzen fehlen. Mit einer breit angelegten Kampagne will der Verband gegensteuern. „Handwerksbetriebe, die konsequent digitale Technologien einsetzen, gewinnen Zeit für ihre eigentlichen Aufgabe: das Handwerk“, sagt Bernhard Rohleder vom Digitalverband Bitkom, der den ZDH bei der Umfrage unterstützt hat.

Fazit

„Digitalisierung steckt mittlerweile in einem Großteil der Leistungen des Handwerks“, so ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke. Schon jedes zweite Unternehmen verarbeitet Kundendaten digital. Jedes vierte setzt etwa digitale Sensortechnik zur Wartung von Maschinen und Anlagen ein. Auch 3D-Drucker, vor allem für den Bau von Prototypen und Software-Lösungen aus der Cloud, sind laut der Umfrage auf dem Vormarsch.

Schwannecke mahnt aber auch, die kleinen Unternehmen nicht zu vergessen: Viele von ihnen haben bei der Umfrage angegeben, dass die Digitalisierung und die mit ihr einhergehende Vernetzung sie schlichtweg überfordere. Jeder vierte Unternehmer sieht die eigene Existenz gefährdet, wenn er es mit der Digitalisierung nicht hinbekommt. Dem steht allerdings gegenüber, dass von vielen Seiten Unterstützung angeboten wird, den digitalen Anschluss nicht zu verpassen.

Info & Kontakte

Huth Metallbau GmbH
Am Lunedeich 161
27572 Bremerhaven
Tel. 0471 97 22 012

www.huth-metallbau.de

Nachgefragt bei Hans-Rüdiger Munzke

„Die Digitalisierung wird das Handwerk beflügeln“

Der Innovationsmanager Hans-Rüdiger Munzke nimmt Geschäftsführer in die Pflicht – nur so würden sich diesen Chancen statt Risiken bieten. Der 63-Jährige ist seit mehr als zwei Jahrzehnten im Ideen- und Innovationsmanagement tätig. Er berät und begleitet Unternehmen bei Veränderungsprozessen wie der digitalen Transformation.

metallbau: Herr Munzke, was ist für einen Metallbauer die größte Herausforderung an der Digitalisierung?
Hans-Rüdiger Munzke:
Neben technischen und Sicherheitsaspekten ist das sicher die Mitnahme der Belegschaft. Für Technik und Sicherheit gibt es gute Lösungsanbieter. Aber wenn es darum geht, die Mitarbeiter einzubinden, bedarf es noch starker Unterstützung.

metallbau:
Durch die Verbreitung der Smartphones hat heute jeder einen Hochleistungscomputer in der Hosentasche. Macht es das leichter, die Digitalisierung schmackhaft zu machen?
Munzke
: Zum Teil. Das Smartphone ist oft schon der Wegbereiter für kleine Lösungen der digitalen Transformation. Aber ein Hauptproblem bleibt es, gut strukturierte Prozesse zu haben. Das gilt natürlich auch im Metallbau. Wenn man in die digitale Transformation einsteigt, müssen die Prozesse vorher dokumentiert und für jeden einsehbar sein.

metallbau: Das heißt, die Mitarbeiter müssen auch immer wissen, auf welcher Etappe man sich befindet?
Munzke:
Exakt.


metallbau: Gehen die Unternehmer an dieser Stelle noch zu sorglos vor?
Munzke
: Das kann man leider so sehen. Viele vergessen ihre Hausaufgaben, bevor sie dann eher halbherzig mit Teillösungen in die digitale Transformation starten.

metallbau: Manche Unternehmen sehen durch die Veränderung gar ihre Existenz gefährdet. Nachvollziehbar?
Munzke:
Wenn man nicht gut vorbereitet ist oder zu spät damit anfängt, ist das eine nachvollziehbare Sorge. Das Muster kennen wir aber auch aus der Industrie, wo es Bereiche gibt, die sich den Aufgaben der zunehmenden Digitalisierung nicht stellen. Darum ist es wichtig, auch die Chancen für neue Geschäftsmodelle oder neue Marktsegmente aufzuzeigen, etwa in Richtung Smarthome. Oder nehmen Sie das Beispiel Business Information Modeling (BIM). Wer in Zukunft nicht BIM-fähig ist, der wird auch nicht an solchen Ausschreibungen teilnehmen können.


metallbau:
Sehen Sie die digitale Transformation denn eher als Projekt, das irgendwann abgeschlossen ist, oder als neuen Teil der unternehmerischen Hausaufgaben, die man eigentlich täglich erledigen muss?
Munzke:
Ganz klar das Zweite. Die digitale Transformation ist kein Projekt, sondern eine kontinuierliche Aufgabenstellung. Sicher gibt es in einzelnen Bereichen Projekte, die dann aber nicht stehen bleiben. Es gibt laufend Veränderungen und neue Aufgaben, um die ich mich etwa mit beteiligungsorientierten Prozessoptimierungsprogrammen kümmern muss. Ich glaube aber, dass die Sorgen verschwinden werden. Die Digitalisierung wird das Handwerk beflügeln.

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