Interview

Dotzel & Kraus, Ingenieurbüro I.B.F.

„35 mm Ansichtsbreite ist eher ein Ausnahmefall“

Das Ingenieurbüro I.B.F in Schweinfurt ist 1981 aus einer Metallbaufirma hervorgegangen und seitdem auf die Planung von Fassadenkonstruktionen aus Aluminium und Stahl spezialisiert. Wir haben mit Hermann Dotzel und Harald Kraus gesprochen.

metallbau: Herr Dotzel, Herr Kraus, wie sehen Sie den Trend zur hochtransparenten Gebäudehülle?

Hermann Dotzel: Die Glasfassaden sollen immer mehr Funktionen wie Wärme-, Brand-, Schall- und Einbruchschutz übernehmen. Dies bedeutet einen erheblichen planerischen Mehraufwand. Auf den Wärmeschutz haben große Glasgeometrien wiederum einen relativ positiven Einfluss. Wenn zum Beispiel die Verglasung einen Ug-Wert von 0,9 W/m2K hat – der Wert des Rahmens ist ja deutlich schlechter, dann läge man bei großem Glasanteil mit dem Uw-Wert nicht wesentlich schlechter, also in diesem Fall bei 1,0-1,2 W/m2K.

metallbau: Welche konstruktiven Möglichkeiten gibt es, damit die Profile immer höhere Lasten tragen?

Harald Kraus: Erst einmal ist da das Material selbst. Wenn Aluminium statisch nicht mehr ausreicht, muss man auf Stahl umstellen, was die Fassade aber wieder teurer macht.  Wesentliche konstruktive Möglichkeiten liegen in der Vergrößerung der Bautiefen, in der Optimierung der Profilformen und auch in der Materialgüte selbst.

Dotzel: Die Fassade soll ja optisch leicht erscheinen, und die Profilsysteme werden in den Verbindungsmitteln etc. ständig optimiert. Wir haben beispielsweise einen Kreuzglasträger entwickelt, durch den die Glaseigenlasten direkt in die Pfosten eingeleitet werden und somit die Riegel aus den Glaseigenlasten nicht unzulässig beansprucht werden. Es handelt sich im Grunde um ein Stahlflach mit einer kreuzförmigen Grundplatte, die an die Pfosten geschraubt sind. An den Stiegen links und rechts der Platte wird dann das Glas mittelbar aufgesetzt.

metallbau: Welche Vorteile haben gelaserte Profile?

Dotzel: Gelaserte Profile haben scharfe Kanten; beim gezogenen Profil treten herstellungsbedingt größere Radien, d.h. runde Kanten auf. Scharfe Profilkanten werden nahezu immer von den Architekten wegen der Optik gefordert. Eine zusätzlich günstige Wirkung dieser geometrischen Vorgabe betrifft die Statik: Enge Kantenradien können gegenüber weiten Radien eine Verbesserung  der Tragfähigkeit von drei bis fünf Prozent ergeben.

metallbau: Welche Entwicklungen sehen Sie im Kommen?

Dotzel: Doppelschalige Fassaden, punktgehaltene Gläser und SG-Fassaden, die aber u.U. wenig robust und somit schadensanfällig sein können, sowie nach wie vor die Elementbauweise mit einem möglichst hohen Vorfertigungsgrad. Auch Photovoltaik scheint wieder Trend zu sein, mitunter, weil man es sich nicht mehr erlauben wird, die großen Fassadenflächen energetisch ungenutzt zu lassen. Des Weiteren kommen zwischenzeitlich häufiger Vakuumpaneele und Vakuumisoliergläser zum Einsatz.

metallbau: Wie löst man das Problem der Wärmebrücke?

Dotzel: Da kommt es, wie bereits oben erwähnt, auf die Glasgrößen an, auf den Rahmen und natürlich auf den Randverbund der Glasscheiben. Energetisch sehr ungünstig sind die Ganzglasecken. Es bildet sich dort Tauwasser, weil Glas mittelbar an Glas trifft; der Abstandhalter – auch bei „warm edge“ − dämmt kaum oder eben schlecht. Die Systemhäuser arbeiten natürlich ständig an Verbesserungen. Aus bauphysikalischen Gründen wären Ganzglasgecken aber wenn möglich zu vermeiden.

metallbau: Was wäre denn Ihr Wunsch?

Dotzel: Da gäbe es einige Erwartungen. Zunächst wären hier natürlich technisch weiterentwickelte Lösungen seitens der Systemhäuser. Ein weiterer Wunsch wäre zum Beispiel, dass man bei großen Glasgeometrien eher eine Profilbreite von 60 mm wählen sollte anstelle der meist gewünschten Profilansichtsbreite von 50 mm. 35 mm erscheinen in der Praxis nur in Ausnahmefällen machbar. Die Fertigungstoleranzen der Gläser sind bei 60er-Profilen deutlich einfacher aufzunehmen. Lösen sich Scheiben später aus der Konstruktion, ist das der worst case.

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