Ein Azubi in Norwegen

Fabian Schmidt über sein Praktikum

Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. Diese Erfahrung machte auch Fabian Schmidt. Der 18-Jährige war für drei Wochen in einem Metallbaubetrieb in Norwegen und kam begeistert wieder zurück. Auch sein Ausbildungsbetrieb profitiert vom Auslandspraktikum.

Als Fabian Schmidt von dem Programm „Berufsbildung ohne Grenzen“ der Handwerkskammer Cottbus erfuhr, war für ihn klar, dass er diese Chance nutzen wollte. Er meldete sich für ein dreiwöchiges Praktikum in Norwegen an. Sein Betrieb unterstützte ihn finanziell und stellte ihn für die Zeit frei. Zusammen mit weiteren sieben Azubis aus unterschiedlichen Branchen brach er Anfang Mai in das Land der Trolle auf.

Einblick in ein anderes Schulsystem

Als Background brachte Fabian Schmidt den klassischen Hauptschulabschluss mit. Mittlerweile ist er im zweiten Ausbildungsjahr bei der Firma MAB Metall- und Anlagenbau im brandenburgischen Krausnick-Groß Wasserburg. Auf dem Weg zum Metallbauer, Fachrichtung Konstruktionstechnik, hat er im Betrieb bereits einige Stationen durchlaufen und in folgenden Arbeitsbereichen Erfahrungen gesammelt: Bei Schlosserarbeiten und Konstruktionen, Zuschnitt, Herstellung und Montage von Bauteilen sowie von Fenstern, Türen und Zargen.

Ziel der Reise war das norwegische Steinkjer mit gut 20.000 Einwohnern, circa 80 Kilometer von Oslo entfernt. Am Anfang des Aufenthalts stand ein Crash-Kurs in Norwegisch. „Da haben wir ein paar Grundlagen gelernt, z. B. wie man sich vorstellt, nach dem Weg fragt, und so weiter“, erzählt der 18-Jährige. Doch bevor es in den Partnerbetrieb ging, stand erst einmal wieder Schule auf dem Programm. In der ersten Woche besuchten sie eine Art Berufsschule. Denn die Handwerksausbildung in Norwegen entspricht nicht dem dualen System in Deutschland. Künftige norwegische Gesellen besuchen zuerst für zwei Jahre die Schule mit Präsenzpflicht von 8 bis 15 Uhr. Darauf folgen zwei Jahre Ausbildung in einem Betrieb.

Während der zweijährigen Berufsschule steht die Praxis gegenüber der Theorie deutlich im Vordergrund. Die Schüler können sich im ersten Jahr in den unterschiedlichen Gewerken versuchen und Praktika in verschiedenen Betrieben absolvieren. Erst im zweiten Jahr spezialisieren sie sich. „Das ist komplett anders organisiert als bei uns“, schildert Schmidt: „Auf einer Art Campus befinden sich verschiedene Ausbildungseinrichtungen, von der Grund- über die Berufsschule bis zur Hochschule mit den unterschiedlichsten Zweigen. Neben dem Metallbereich werden auch Kunsthandwerk, Design, Informatik und Elektronik angeboten.“ Was den 18-Jährigen besonders begeisterte, waren die Werkstätten und der Weg zum Ziel: „Die Werkstätten sind supermodern. Am besten fand ich, dass die Jugendlichen dort so viel Zeit bekommen, wie sie wollen, um den Umgang mit den Maschinen zu lernen. Die können so richtig experimentieren. Das ist wirklich individuelles „learning by doing“, z. B. an der Fräs- oder Schweißmaschine. Die Azubis bestimmen selbst, wann sie die Prüfung ablegen, also, wann sie sich sicher fühlen, den Stoff oder die Maschine zu beherrschen. Da existiert kein solcher Wettbewerb und Druck wie bei uns, wo alles normiert ist.“ Wobei auch dort gilt, wer sich nicht anstrengt, wird nicht mehr von den Lehrern gefördert. Schmidt ist von dieser Art des Lernens überzeugt: „Wenn man genügend Zeit hat, ausprobieren kann, erkennt man auch viel besser seine Stärken und kann seine Schwächen eher ausbügeln.“ Ebenfalls positiv überrascht zeigte sich Schmidt, dass im Schnitt zehn Schüler auf einen Lehrer kommen und diese eher kooperativ und beratend sind statt autoritär. „Die Lehrer haben immer für die Azubis Zeit und so sind diese wirklich motiviert. Auch ich wurde voll in den Ausbildungsablauf integriert, durfte sofort an den modernen Maschinen arbeiten. Und selbst wenn mal etwas kaputt ging, schimpften die Lehrer nicht mit ihren Schülern, sondern halfen ihnen. Ich habe das Gefühl, da ist viel mehr Geld für die schulische Ausbildung da, als bei uns.“

Schmidt lobt das Betriebsklima

In der zweiten Woche stand dann die Arbeit im Betrieb „Mekaniske“ an. Die norwegische Firma mit ihren 18 Mitarbeitern hat die Schwerpunkte Mechanik, Landmaschinenschlosserei sowie Metallbau. Auch diese Zeit empfand der 18-Jährige als sehr befruchtend: „Man traut hier den Azubis viel mehr zu. Selbst ich wurde voll in den Produktionsprozess mit eingebunden, durfte an der Hydraulikpresse arbeiten und vieles mehr. Ich fand es toll, dass ich keine sinnlosen Arbeiten machen musste, sondern wirklich integriert wurde. Auch die Verständigung hat wunderbar auf Englisch geklappt.“

Egal ob Schule oder Unternehmen, immer habe ein sehr entspanntes Klima ohne Druck geherrscht, so Schmidt. Er führt dies auf zwei Punkte zurück: Erstens sei es sicherlich von Vorteil, dass der Staat viel mehr Geld in die Schule und Ausbildung investiere. Und zweitens trage der hohe Mindestlohn von umgerechnet 22 bis 25 Euro brutto dazu bei. „Der wird in fast allen Branchen, so auch in der Bau- und Metallindustrie, bezahlt. Die haben dort keine so existenziellen Nöte wie bei uns. Das schlägt sich positiv auf das Betriebsklima nieder. Alle im Betrieb waren wirklich motiviert und engagiert.“ Einen Wermutstropfen fand er dann allerdings doch, was die Ausbildung in Norwegen betrifft: „Dass man die ersten zwei Jahre während der Berufsausbildung in der Schule kein Geld verdient. Da ist man dann doch noch sehr abhängig von den Eltern.“ Fabian Schmidt ist froh, dass er diesen Schritt nach Norwegen gewagt hat, zumal die Menschen dort sehr aufgeschlossen ihm gegenüber gewesen seien und ebenfalls viel von ihm wissen wollten. Auch die Ausflüge, die auf dem Programm standen, so z. B. die Besichtigung einer norwegischen Papierfabrik, die u.a. für die Axel Springer SE produziert, oder ein Angelausflug und erst recht die Feier am norwegischen Nationalfeiertag seien toll gewesen. „Man erfährt so viel Neues, lernt andere Denkweisen kennen, wie man an Aufgaben herangehen kann. Ich weiß jetzt auch, dass ich auf eigenen Füßen stehen kann. Das stärkt natürlich auch das Selbstbewusstsein“, resümiert der Auszubildende. Er vergisst auch nicht zu betonen, dass nicht jeder deutsche Betrieb so ohne Weiteres seine Mitarbeiter für solch ein Praktikum freistellt: „Es war wirklich toll, dass mich mein Ausbildungsbetrieb hierbei so unterstützte. Sie gaben mir bezahlten Urlaub und haben sich auch noch an den Reisekosten beteiligt.“

Nach dem Ausland fit für die Montage

Mandy und Axel Markwitz von der MAB Metall- und Anlagenbau Krausnick sehen klar Vorteile in ihrem Engagement. Schmidt ist nicht der erste Azubi, dem sie einen Auslandsaufenthalt ermöglichten. Axel Markwitz, der seit 2013 nur noch als Gesellschafter aktiv ist, hat das Unternehmen 1992 zusammen mit seinem Geschäftspartner Manfred Lehmann von der Treuhand gekauft. Seine Tochter Mandy agiert als Geschäftsführerin. Sie betont, dass die Ausbildung schon immer für die Firma wichtig war: „Wir bilden den Nachwuchs für unseren Betrieb aus. Wir bieten unseren Azubis sogar Wohnungen auf dem Betriebsgelände, um ihnen lange Anfahrtswege unter der Woche zu ersparen.“

Da die Montage einen gewichtigen Teil ausmache, sei es sinnvoll, dass die Azubis mal über ihren Tellerrand hinausblickten. „Erstens stärkt diese Maßnahme das Selbstbewusstsein der Jugendlichen enorm. Zweitens werden sie selbstständiger. Das ist gerade im Hinblick auf die Montagetätigkeit wichtig, denn auch da müssen sie sich manchmal durchbeißen“, erläutert die MAB-Geschäftsführerin. „Die Azubis sind in der Regel doch noch sehr jung, hängen in dem Alter immer noch sehr an ihrer Familie, wollen nicht weg vom Freundeskreis. So ein Auslandsaufenthalt zeigt ihnen, dass sie auch auf eigenen Füßen stehen können.“ Und drittens profitiere auch der Betrieb von den Erfahrungen, welche die Azubis in anderen Unternehmen gemacht haben. Markwitz betont: „Meistens sind sie nach ihrer Rückkehr teamfähiger, bringen sich mehr ein und haben ein ganz anderes Standing. Es ist wirklich toll zu sehen, welch einen Entwicklungssprung Fabian gemacht hat, wie er nun an Aufgaben herangeht. Das freut mich für uns und für ihn.“

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