Factoring

Künftig jederzeit liquide

Jedes Unternehmen ist irgendwann einmal mit verlängerten Zahlungszielen seiner Kunden oder gar mit dem Ausfall von Zahlungen konfrontiert. Zahlungsmoral hat vor allem etwas mit Moral zu tun, die in der Baubranche in den letzten Jahren auf einen Tiefpunkt gesunken ist. Abschläge und Einbehalte sind an der Tagesordnung und machen den Betrieben zu schaffen. Begleicht ein Kunde seine Rechnung nicht, benötigt ein Unternehmen ein effizient organisiertes Mahnwesen und Forderungsmanagement. Schließlich geht es darum, dass die eigene Liquidität trotz möglicher Ausfälle immer gewährleistet bleibt. Fingerspitzengefühl ist gefordert, wenn klare Fristen gesetzt werden müssen und bestimmte Formulierungen in den Mahnschreiben notwendig sind. Hat ein Unternehmen die Möglichkeiten seines eigenen Forderungsmanagements ausgeschöpft, wird oft eine externe Unterstützung in Anspruch genommen, wie zum Beispiel Factoring, Rechtsanwalt, Inkassounternehmen oder Versicherung. Hier sollte im Vorfeld die Frage beantwortet werden: Überwiegt der Nutzen der Maßnahme die Kosten, die daraus entstehen?

Die „Guten“ ins Töpfchen

Factoring geht weit über das allgemeine Forderungsmanagement hinaus und verbessert auf unkomplizierte Weise die Liquidität eines Unternehmens. Neben dem Liquiditätszufluss ist auch die hundertprozentige Absicherung gegen den Zahlungsausfall des Kunden inkludiert. „Factoring ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Finanzierungsinstrument geworden, besonders in der mittelständischen Unternehmensfinanzierung“, sagt Rechtsanwalt Dr. Alexander M. Moseschus, Geschäftsführer des Deutschen Factoring-Verbandes. Der Verband erläutert auf seiner Homepage Begriffe, Chancen und Grenzen des Factoring und liefert im Downloadbereich unter „Wer factort was?“ eine Übersicht wichtiger Factoring-Unternehmen und ihrer Betätigungsfelder.

Obwohl der Markt groß ist, halten sich die meisten Anbieter in einigen Bereichen auffallend zurück. Die Internetseite des Factoring-Verbandes bringt es auf den Punkt: „Factoring unterscheidet sich … substanziell vom Inkassogeschäft: Factoring kauft ‚nur‘ die guten Forderungen an, Inkasso kümmert sich um die faulen Debitoren.“ An anderer Stelle findet sich die Antwort: „Nur gesunde Unternehmen mit werthaltigen Forderungen, guter Bonität und sicherer Ertragskraft eignen sich für eine langfristig ausgerichtete Factoring-Beziehung. Factoring hat sich zu einem Qualitätsmerkmal auf Kundenseite gewandelt; Kunden,  die Factoring nutzen können, stellen dies zunehmend auch selbstbewusst heraus.“

Beispiele mit Onlinerechner prüfen

Warum diese Selektion aus Sicht der Factoring-Unternehmen sinnvoll ist, erläutert Hauke Kahlcke, Vorstand der Aktivbank: „Factoring funktioniert komplett anders als die klassischen Bankprodukte einer kurzfristigen Kreditlinie oder eines langfristigen Darlehens. Beim Factoring erhält der Kunde binnen 24 Stunden den Forderungsbetrag der – an den Factor abgetretenen – Rechnungen auf sein Konto, abzüglich bestimmter Gebühren. Aber weil keine Bank ein unnötiges Risiko eingeht, werden die Bonitäten nach allen Seiten hin gründlich geprüft, und bei Problemen wird schnell reagiert.“

Kahlcke rechnet vor, dass Factoring ein sehr attraktives Instrument für Unternehmen ist: Bei einem angenommenen Rechnungsbetrag von 1.200 Euro sind die üblichen Zahlungsmodalitäten 30 Tage netto Kasse oder abzüglich zwei bis drei Prozent Skonto zahlbar nach 10 Tagen. Beim Factoring betragen die Gebühren in der Regel weniger als zwei Prozent, und das Unternehmen bekommt sein Geld innerhalb eines Tages garantiert von der Bank auf ein Konto. „Wenn man das im Kontext miteinander vergleicht, dann ist man meist günstiger als bisher, kann mit dem Geld sofort planen und arbeiten, und es ist sogar gegen Ausfall abgesichert“, sagt Kahlcke. Die meisten Unternehmen denken, Factoring ist sehr teuer. Seine Bank hat sich deshalb entschlossen, die Preise für Factoring transparent und nachvollziehbar darzustellen. Auf der Homepage der Aktivbank (www.aktivbank-factoring.de) kann man mithilfe eines Onlinerechners ausprobieren, welche Optionen welche Kostenwirkungen haben. Das geht ohne Registrierung. „Da kann der Kunde schon mal im ersten Schritt entscheiden, ob es für ihn zu teuer ist oder nicht“, erläutert Kahlcke. Ein Beispiel: Wer bei 1,5 Mio. Euro Umsatz zwei Prozent Skonto einräumt, gibt seinen Kunden 30.000 Euro zurück. Das Factoring für dieses Volumen kostet bei der Aktivbank etwa 23.000 Euro.

Factoring-Unternehmen zielstrebiger

Hauke Kahlcke versteht diejenigen, die angesichts der vielen unterschiedlichen Banken und Anbieter den Überblick verlieren und sich fragen: Wer liefert was? Es gibt in Deutschland allein 1.100 Volks- oder Raiffeisenbanken und 500 Sparkassen, dazu unzählige andere Geldinstitute. Die meisten haben in der Regel mit ganz anderen Bankprodukten als mit Factoring zu tun, sagt Kahlcke. Daher sind Spezialisten gefragt, die sich mit nichts anderem befassen. Zum Beispiel die Aktivbank, die VR Leasing Gruppe, die TEBA Kreditbank oder Eurofactor. Eine gute Übersicht über weitere Factoring-Anbieter findet man beim erwähnten Deutschen Factoring-Verband, bei den örtlichen IHK oder HWK oder im Internet. „Gerade die Kammern leisten hier gute Arbeit und haben spezielle Berater, auch für knifflige Sachen“, berichtet Thomas Triltsch, Geschäftsführer der Kegler Präzision, aus eigener Erfahrung. Triltsch nimmt seit fünf Jahren Factoring in Anspruch und ist von der transparenten 1:1-Finanzierungsform überzeugt. „Für unsere geleistete Arbeit erhalten wir sofort Geld und nicht erst, wenn der Kunde das will.“ Er schätzt Factoring als hausbankunabhängige Finanzierungsform, die die Liquidität der Firma sichert. Und das, ohne neue Sicherheiten hinterlegen zu müssen. Probleme mit seinen Kunden gab es wegen Factoring nie, obwohl er anfangs durchaus Vorbehalte hatte. „Die Kunden müssen wissen, dass wir Factoring betreiben und sogar ihr schriftliches Einverständnis geben. Denn das Geld fordert ja bei Zahlungsverzögerungen der Factor ein und nicht die Firma Kegler. Und ein Factoring-Unternehmen geht da meist sehr zielstrebig vor“, betont er. Um im Ernstfall bestehende gute Kundenbeziehungen nicht unnötig zu strapazieren, hat Triltsch mit dem Factor, der VR Leasing Gruppe, einen Kompromiss ausgehandelt. In der ersten Mahnstufe tritt das Unternehmen Kegler Präzision selbst an den Kunden heran, und erst ab der zweiten Mahnstufe übernimmt der Factor.

Welches Factoring-Produkt eignet sich wofür?

Factoring unterscheidet verschiedene Formen. Zwei Varianten, das Full Service Factoring und das Inhouse Factoring, werden am häufigsten wahrgenommen. „Die Richtschnur liegt bei etwa 6 Mio. Euro Jahresumsatz“, sagt Olaf Dierksmeier, Leiter Vertrieb bei der VR Leasing Gruppe. „Wer darunter liegt, nimmt meist Full Service Factoring in Anspruch.“

Full Service Factoring bietet Finanzierung, Forderungsausfallschutz und Forderungsmanagement aus einer Hand. Es wird vorwiegend in offener Form angeboten, d.h. die Kunden des betreffenden Unternehmens werden über die Zusammenarbeit mit einem Factor informiert. Beim Inhouse Factoring verbleibt das Forderungsmanagement beim Unternehmen, auch die Rechnungen werden wie gewohnt selbst gestellt. Inhouse Factoring kann „offen“ oder „still“ gestaltet werden.

„Full Service Factoring ist für kleinere mittelständische Unternehmen gut geeignet, die ihr Debitorenmanagement an einen professionellen Anbieter outsourcen möchten“, erläutert Jens Hoter, Geschäftsführer von Eurofactor. „Für größere mittelständische Metallbauunternehmen empfiehlt sich neben dem Full Service Factoring alternativ das Inhouse Factoring.“ Stilles Factoring ist gerade für klassische Handwerksunternehmen eine Möglichkeit. „Weil mit diesem Produkt bei den betroffenen Kunden keine Verunsicherung entsteht, wenn sie mit dem Thema nicht vertraut sind. Denn die Forderungsabtretung an den Factor wird gegenüber dem Abnehmer nicht offen gelegt“, begründet Christina Fleischmann, Geschäftsführerin der TEBA Kreditbank.

Nicht jede Branche ist für Factoring geeignet. „Das liegt vor allem daran“, sagt Hoter, „dass die vom Factor angekauften Forderungen werthaltig bzw. einredefrei sein müssen, da sie sonst der Factor gegenüber dem Abnehmer des Metallbauunternehmens nicht vollständig geltend machen kann.“ Factoring wird allerdings eher selten im Einzelfall betrieben. Es ist nur als revolvierendes Verfahren, also mit fortlaufend abgetretenen Forderungen an den Factor, sinnvoll. Und nur dann bleibt auch der Liquiditätseffekt erhalten. „Wenn das Dach bereits brennt, kann man nicht ein Akquisegespräch mit der Brandversicherung vereinbaren“, zieht Dierksmeier den Vergleich. Er empfiehlt, immer zunächst mit der Hausbank ins Gespräch zu kommen und dort die ersten Überlegungen zu besprechen. „Weil Factoring auch Einfluss auf eine bestehende Kontokorrentlinie hat, und viele Dinge von vornherein zu beachten sind.“

VOB ist ein Dorn im Auge

Für die Baubranche besteht nahezu kein Factoring-Angebot. „Es gibt immer wieder Factoring-Dienstleister, die darüber nachdenken, wie wir VOB-Factoring anbieten, doch zogen sie sich bisher meist recht schnell aus dem Bereich zurück“, berichtet Fleischmann. Auf die Frage nach der Brgründung antwortet sie: „Auch bei uns sind die Bereiche Bauhauptgewerbe, Generalunternehmer des Baugewerbes, der Tiefbau und der Straßenbau ausgenommen, meist schon aus der Beschränkung des Jahresumsatzes von bis zu 6 Mio. Euro, mit dem wir Factoring-Partner anbinden.“ Als Grund gibt sie an, dass in den genannten Gebieten vor allem auch mit Subunternehmern gearbeitet wird. Generell besteht für den Factor bei VOB ein besonderes Risiko der Mängelbehaftung, denn die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass ein Auftraggeber Mängel und entsprechende Einbehalte geltend macht.

Auch die in der Baubranche üblichen Teil- und Abschlagszahlungen sind für Factoring, wie es die meisten anderen Institute anbieten, ungeeignet. „Gerade wenn Planungsbüros oder Architekten beauftragt wurden, sind Kürzungen oft an der Tagesordnung, darauf haben wir bei unserem Angebot für VOB-Leistungen entsprechend reagiert“, sagt sie. „Der Ankauf von Teilrechnungen ist auch wegen der Insolvenzgefahr schwierig“, ergänzt Olaf Dierksmeier. „Eine Ratenforderung ist sofort wertlos, wenn die Bauleistung noch nicht vollständig erbracht ist. Das gilt übrigens für alle Projektgeschäfte.“

Damit hat dann auch der Metallbauer in der Baubranche ein Problem. Tröstlich ist, dass es Unterschiede gibt. Wer Fassaden, Fenster, Türen, Vordächer, Carports oder Gartenzäune herstellt und an ein Bauunternehmen, einen Montagebetrieb oder einen Bauherren liefert, kann seine Forderungen auch per Factoring problemlos stellen. Selbstverständlich nur, wenn die Leistung ordentlich erbracht wurde. „Schwierigkeiten macht im Rahmen der VOB immer die Montage bzw. eine bauseitige Leistung. Bauzulieferer hingegen sind für Factoring gut geeignet. Wir haben einen bedeutenden Anteil von Herstellern und Zulieferern aus dem Metallbereich in unserem Kundenportfolio,“ bekräftigt Jens Hoter. Christina Fleischmann ergänzt: „Selbst für kleinere Handwerksbetriebe, die oftmals nicht nach VOB arbeiten, ist Factoring durchaus eine Überlegung.“

Wann braucht der Metallbauer Factoring?

Factoring ist zu jeder Zeit einsetzbar. Sinnvoll ist es vor allem für die Erhaltung der Liquidität oder die Erschließung zusätzlicher Liquiditätsmittel in Umsatzwachstumsphasen und wenn Investitionen anstehen. Es ergänzt bestehende Kredite und Darlehen, ohne dass das Unternehmen weitere Sicherheiten nachweisen muss.

Ein weiteres Argument sind drohende Forderungsverluste. Fleischmann erklärt die Tragweite an einem Beispiel: „Wenn ein Unternehmen einen Forderungsausfall von 5.000 Euro hat, so klingt das, gemessen an einem Jahresumsatz von einer Mio. Euro, nicht unbedingt existenzgefährdend. Geht man von einer Umsatzrendite von sechs Prozent aus, so bedeutet das einen jährlichen Gewinn von 60.000 Euro. Um denselben Gewinn zu erzielen, muss der Verlust der 5.000 Euro über eine Umsatzsteigerung um 8,34 % oder 83.400 Euro erfolgen. Hier wird mehr als deutlich, welche Tragweite ein Forderungsverlust hat, denn dies sind die Mittel, die für Weiterentwicklung und Investitionen fehlen.“ Nach der Erhebung zur „Wirtschaftslage Handwerk Frühjahr 2015“ des Verbandes der Vereine Creditreform e.V. sind 84,3 % der Unternehmen aus den Handwerksbranchen von Forderungsverlusten betroffen. Bei 13,2 % macht dies mehr als ein Prozent des Umsatzes aus. Dergestalt sind auch Insolvenzen der Schuldner zu bewerten, die oft wie aus heiterem Himmel auftreten und denen allein mit kürzeren Zahlungszielen nicht beizukommen ist. Jede dritte Insolvenz in Deutschland ist übrigens eine Folgeinsolvenz.

Geschäftsführer Triltsch ergänzt mit seiner persönlichen Empfehlung: „Wenn ein Unternehmen über keine ausreichende Kapitaldecke verfügt, um Ausfälle oder konjunkturelle Schwankungen abzufangen, dann würde ich Factoring empfehlen. Allerdings muss man das rechtzeitig einleiten, weil Factoring nicht von heute auf morgen installiert ist.“ Und beachten sollte man auch die geringe Planungssicherheit, weil man nie genau weiß, welches Volumen die Firma in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten tatsächlich fakturieren wird.

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