Kleben ja – aber gewusst wie

Ein Trend kämpft gegen Vorbehalte

Kleben könnte die Fügetechnik der Zukunft sein, ersetzt aber bisher keinesfalls die klassischen Verfahren wie Schweißen oder Schrauben. Im Metallbau führt die Technologie noch ein Nischendasein, obwohl sie unschlagbare Vorteile hat. Ein Treppen- und ein Fassadenbauunternehmen berichten über ihre Erfahrungen, der Klebstoffspezialist 3M erläutert die Einsatzbereiche verschiedener Klebstoffe. Feststeht: Prozess­sicherheit wird der Metallbauer nur mit Fachwissen gewährleisten können.

Einzig das Schrauben, Nieten und Kleben eignen sich laut Bruno Götzinger zum Verbinden aller denkbaren Materialkombinationen. Dies stellte der Experte von   Magna Steyr Engineering auf dem 12. Kooperationsforum „Kleben im Automobilbau“ von Bayern Innovativ fest. Kleben punktet nicht nur mit Kostenvorteilen, sondern kann zusätzliche Funktionen in die Fügezone integrieren, wie zum Beispiel Abdichten, Schalldämmung und Korrosionsschutz.

Klebetechnik mit Zukunftspotenzial. Im Gegensatz zur Automobilindustrie führen Klebeverfahren im klassischen Metallbau noch ein Nischendasein. „Die Gründe sehen wir darin“, sagt Stephan Stickling vom Bundesverband Metall, „dass Kleben eine sehr hohe Prozesssicherheit erfordert und Verbundwerkstoffe im Metallbau noch wenig verbreitet sind.“ Im klassischen Metallhandwerk dominieren die bewährten Verfahren Schweißen und Schrauben und werden in Nischenbereichen durch Nieten, Löten, Klemmen, Falzen, Clinchen und Kleben ergänzt. Der Metallbauer verfügt hier über lange Erfahrungen. Das Schweißen hat er über viele Jahre gelernt und Spezialausbildungen absolviert. „Beim Kleben ist das genauso notwendig. Kleberart, Temperaturen, Feuchtigkeit, Oberflächenvorbereitung, Anordnung der Klebeflächen – all das muss man für eine sichere Klebeverbindung beherrschen“, so Stickling, „ansonsten birgt das Kleben große Risiken“. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Vielleicht sind ja auch unsere Baumarkterfahrungen mit einem Alleskleber schuld, die wir alle schon gemacht haben: Nichts hält ewig. Die Klebstelle am zerbrochenen Kinderspielzeug bricht gleich wieder, und der Selbstklebehaken im Bad fällt beim Aufhängen des Handtuches wieder ab. „Es gibt keinen Alleskleber, mit dem man alles kleben kann. Der kann alles, aber eigentlich nichts richtig“, sagt Julius Weirauch vom Multi-Technologieunternehmen 3M. Der Senior Specialist für Klebstoffe berät Metallbauer bei der Anwendung von Klebstoffen.
Er rät, sich Fachwissen zum Kleben anzueignen und verweist auf die Weiterbildungen an der 3M-Akademie, die es u.a. auch zum Kleben von Metallen und zum Umgang mit Klebstoffen gibt. Qualifizierte Ausbildungen  gibt es auch am Fraunhofer IFAM in Bremen oder beim Technologie Zentrum Kleben in Übach-Palenberg. Weiterbildung ist dabei eine Daueraufgabe, das Tempo technologischer Entwicklungen steigt weiter. Beim Schweißen ist das nicht anders. Das Wissen um Materialeigenschaften und ihr Verhalten während des Fügens ist ganz entscheidend. Stephan Stickling hebt hervor: „Man muss zum Beispiel wissen, dass sich die Schweißnaht von zwei sachgemäß verschweißten Stahlträgern wie ein durchgängiger Werkstoff verhält. Dagegen haben verschweißte Aluminiumprofile an der Nahtstelle oft eine Festigkeitsabminderung.“ 

Kleber für den Metallbau. Fürs Kleben gibt es spezielle Werkstoffe, wie Weirauch betont. „Im Metallbau werden drei Klebstofftypen verwendet: Acrylat-, Epoxydharz- und Polyurethan-Klebstoffe.“ Was wofür geeignet ist, hängt von den zu fügenden Werkstoffen ab. Acrylatklebstoffe sind robust. Sie haften auch auf leicht öligen Oberflächen und eignen sich daher gut für den Metallbauer. Mit ca. 20 MPa erzielen sie eine gute Festigkeit. Die gängigen Kleber heißen DP 810, DP 8405 und DP 8805. Epoxydharzklebstoffe werden vor allem im Stahlbau eingesetzt. Sie bieten höchste Festigkeiten um die 30 bis 40 MPa. Allerdings sind sie sehr anspruchsvoll an die Oberflächenvorbereitung: 100 %ige Fett- und Staubfreiheit sind Voraussetzung. Probleme bereiten immer wieder Rost bzw. Oxidschichten an der Metalloberfläche. Epoxydharze haften meist sehr gut am Rost, nur haftet der Rost nicht gut an den Oberflächen der Fügeteile. Stahlteile müssen also komplett entrostet und am besten blankgeschliffen werden. Bei Aluminium verhält sich das anders. Der Rost ist hier eine Oxidschicht, die fest mit dem Werkstoff verbunden ist. Aluminium kann man sehr gut mit Epoxydharz-Klebstoffen verkleben. Der populäre Klebstoff von 3M heißt DP 490. Auch Acrylatklebstoffe sind geeignet, haben aber, wie erwähnt, geringere Festigkeiten. Für Messing sind wiederum Epoxydharz-Klebstoffe geeignet, da Kupferwerkstoffe in Verbindung mit Acrylatklebstoffen Kupferacrylate bilden, die nicht lange halten. Die Oberflächen muß man wie bei Stahl blank schleifen. Polyurethan-Klebstoffe sind UV-beständig und verkleben auch lackierte Metalloberflächen miteinander. Aus optischen Gründen werden sie in der Glasklar-Version bevorzugt.

Klebebänder für den Metallbau. Viele Einsatzmöglichkeiten gibt es auch für Klebebänder. So genannte VHB-Klebebänder (Verbindung hoher Belastbarkeit) erreichen große Oberflächenfestigkeiten und eignen sich beispielsweise für den Fassaden- und Treppenbau. „Wir haben Erfahrungswerte“, sagt Weirauch, „dass solche Hochleistungsklebebänder länger als 30 Jahre in klimatisch anspruchsvollen Umgebungen sehr gut halten. Zum Beispiel an Fassaden in Singapur, wo es besonders feucht und warm ist.“ Hans-Peter Scheffner, Vertriebsleiter des Fassadenbauers Roschmann Konstruktionen aus Stahl und Glas, berichtet von anderen Erfahrungen: Die Fassade an sich wird bei Roschmann eher selten geklebt, wie Scheffner berichtet. „Wir bewegen uns in einem qualitativ hochkarätigen Segment bzw. in einem Segment mit konstruktiven und geometrischen Sonderlösungen, da ist schnell und billig nicht zielführend.“ Er beschreibt, dass das Prozedere der Bauabnahme für eine Fassade in Deutschland besonders aufwändig ist, aber auch viel Gutes hat. „In Deutschland besteht ein sehr hoher Anspruch an die Ausführungsqualität. Das macht sich dann bei der Zuverlässigkeit und Sicherheit einer Fassade positiv bemerkbar.“ Allerdings sind eben die bauaufsichtlichen Zulassungen mit einigem Aufwand verbunden, denn die Ideen der Architekten müssen hinsichtlich Ausführbarkeit und technologischer Umsetzung mit Statikern, Gutachtern und Bauaufsichtsbehörden abgestimmt werden. Auch aufwändige Prüfungen und Versuche gehören bei Sonderfassaden manchmal dazu. Für das Unternehmen bedeutet es, dass die Produktionsprozesse einer Fassade von immer neuen Verfahrensanweisungen begleitet werden müssen, die die hausinterne Qualitätssicherung definiert und kontrolliert. Das Kleben von Glas in die Profile übernehmen speziell dafür ausgebildete Fachkräfte. Das Unternehmen braucht dazu eine Zulassung als Klebebetrieb und darf nur Werksverklebungen machen. „Wir verarbeiten viele Sonderartikel, selten ist eine Scheibe wie die andere. Außerdem verbauen wir allein aus statischen Gründen sehr viel Stahl. Leichtbau- und Verbundwerkstoffe kommen oftmals aus Festigkeitsgründen oder aus Kostengründen speziell in der Baubranche nicht in Frage. Und darum können wir bewährte Verbindungstechniken oftmals nicht einfach durch Kleben ablösen.“ Bei Standardprozessen wie in der Automobilindustrie, wo tausendmal ein und derselbe Arbeitsgang verrichtet wird, ist das möglich, auch weil der Zulassungsaufwand und der damit verbundene Test- und Prüfaufwand einer solchen Klebeverbindung dann in einem Verhältnis steht.

Kleben statt Schweißen. Das Thema Zulassung spiegelt auch die neue Norm EN 1090 wider. Unternehmen, die konstruktive Bauteile herstellen, müssen ihre Herstellungsverfahren entsprechend dokumentieren. Ganz gleich, ob sie nun schweißen oder kleben. Und es besteht auch kein Unterschied, ob sie die hergestellten Konstruktionen selbst montieren oder an einen anderen Metallbau- oder Montagebetrieb weiterverkaufen. Unterschiede macht die EN 1090 generell zwischen Herstellung und Montage. Derjenige, der Bauelemente mit bauaufsichtlich zugelassenen Klebstoffen montiert, braucht diesen Prozess nicht zu dokumentieren. Denn da sind die Fügematerialien bereits geprüft. Vorteilhaft ist das für Treppenbauer wie die Firma Saage aus Nettetal. „Wir kleben gern Bauteile, die wir sonst beim Schweißen sehr aufwändig nachbearbeiten müssten. Zum Beispiel Kappen in Edelstahlhandläufe. Da sind wir mit dem Kleben zehnmal schneller“, berichtet Jörg Knops, einer der drei Geschäftsführer des Unternehmens. Die EN 1090 verlangt von ihm die Dokumentation der geschweißten Treppenkonstruktion. Die Klebestelle ist aber in diesem Fall kein konstruktives Bauteil. Klebungen werden gern zum Zusammenfügen von unterschiedlichen Materialien angewendet. Beispielsweise um Glas-Geländerfüllungen in einem Kastenprofil zu befestigen oder um Edelstahl-Schutzkanten an Wänden zu fixieren. Im Treppenbau werden die Holzstufen bei Zweiholmtreppen schon länger mit einem speziellen Klebeband aufgeklebt. „Früher wurden hierfür Laschen angeschweißt und die Stufe von unten verschraubt. Das ist aber nicht mehr Stand der Technik“, sagt Knops. Auch das bringt eine erhebliche Zeitersparnis bei der Fertigung und Montage. Klebungen haben aber seiner Ansicht nach ihre technischen Grenzen. „Man muss auf die konstruktiven Gegebenheiten genauso achten wie auf die zu fügenden Materialien“, sagt er. Bestimmte Bauteile kann man schon aus statischen Gründen nicht kleben, zum Beispiel wenn es um freitragende gebogene Treppen geht, die nur im An- und Austritt befestigt werden. „Da ist Schweißen immer noch die Hauptverbindungstechnik im Metallbau“, so Knops. Andererseits gibt es unterdessen viele Zubehörteile aus Werkstoffen, die gar nicht schweißbar sind, wie z.B. Zierkappen bzw. Edelstahlgussteile. Die werden dann in der Regel geklebt.

Grenzen und Chancen. „Wiederlösbare Verbindungen sind generell zum Kleben nicht geeignet. Und wenn es um hohe Temperaturen oberhalb von 300 Grad geht, sind Klebungen häufig überfordert“, sagt Julius Weirauch. „Das halten die chemische Verbindungen selten aus.“ Hingegen sind niedrige Temperaturen fürs Kleben unkritisch. Bis -100 °C seien problemlos machbar, so Weirauch. Klebeverbindungen punkten immer dann, wenn verschiedene Werkstoffe miteinander verbunden werden sollen, zum Beispiel Kunststoffe mit Metallen, Glas mit Kunststoffen, Glas mit Metallen usw. Viele Kleber sind außerdem hoch- und höchstelastisch. Dadurch können sie unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten von verklebten Materialien ausgleichen sowie Schwingungen und dynamische Kräfte sehr gut tolerieren. Auch für die Übertragung von Kräften sind Klebeverbindungen ideal. „Da kommt man ums Kleben eigentlich gar nicht herum“, meint Weirauch.
Schweißen hingegen belastet die Fügeteile thermisch, und an Schweißnähten kann die sonst sehr hohe Festigkeit von Stählen durch ein verändertes Kristallgitter sinken. Der Aufhärtung, Versprödung oder den hohen Eigenspannungen an den Nahtstellen kann durch geeignete Maßnahmen begegnet werden. Der Vorteil wiederum ist die Schnelligkeit: Nach dem Schweißen ist die Verbindung fest und kann belastet werden. Eine Klebeverbindung braucht wiederum Zeit zum Härten. Und wieviel das ist, darüber können Herstellerangaben und Erfahrungswerte Auskunft geben. Der Metallbauer muss wissen, dass die hundertprozentige Festigkeitsprüfung einer Schweißnaht oder Klebeverbindung nur zerstörend erfolgen kann. Dass sich auch im Bereich Schweißen einiges tut, darüber berichtet Stephan Stickling. Neu sind elektronisch gesteuerte Lichtbögen, die das Arbeiten effizienter und einfacher gestalten. Sie brennen sich sehr tief in das Material ein, sodass in vielen Fällen nun das Schweißen von einer Seite ausreichend ist. „Diese Technologie wird inzwischen preiswert angeboten und ist auch für einen kleineren Handwerksbetrieb attraktiv“, sagt Stickling.

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