SchweizSpezial

Kunstschmied Roland Fornaro

„Ich lebe meine Leidenschaft!“

Roland Fornaro ist Kunstschmied, Metallgestalter, Plastiker, Lehrer und Familienmensch: Der 59-Jährige kann es mit den ganz Großen aufnehmen, versucht es aber lieber in Zukunft mit Miniaturen.

Die ganz großen schweizerischen Bildhauer wie Luginbühl, Schang Hutter, Eggenschwiler oder Tinguely faszinieren Fornaro sehr, er zählt sich selbst nicht zu ihnen. „Ich bin kein Luginbühl,“ sagt er bescheiden, „aber ich sehe durchaus künstlerische Parallelen.“ „In der zweiten Reihe, gleich dahinter sehe ich mich durchaus.“

Die Qualität seiner Arbeiten steht denen der „ganz Großen“ allerdings in nichts nach, egal, ob es sich um seine fulminanten Skulpturen im öffentlichen Raum handelt oder um ganz moderne Metallgestaltungen wie Gefäße, Tische oder Treppengeländer. Einige seiner größeren Plastiken stehen auf Friedhöfen. Das ist kein Zufall. Schon als 15-Jähriger wurde er hart mit dem Tod konfrontiert, als sein Vater starb. Und auch seine Schwester musste er bereits im Alter von 32 Jahren beerdigen. „Der Tod und die Frage, wie die Nachwelt, die Angehörigen damit umgehen, beschäftigen mich sehr.“ Aus der Auseinandersetzung mit dem Tod tankt Fornaro Energie. „Gut ist meine Arbeit dann, wenn Angehörige zu mir sagen, ‚Das hätte meinem verstorbenen Liebsten sehr gefallen!‘ Ich höre das immer wieder. Offenbar nehme ich Wünsche und Vorstellungen intuitiv wahr.“

Die Plastik „ÜBERSETZEN“

Auch eine seiner jüngsten Metallplastiken aus dem Jahr 2014 stellt die Auseinandersetzung mit dem Tod dar. Sie trägt den Namen „ÜBERSETZEN“ und zeigt bildhaft das Übersetzen vom Leben in den Tod. Sie wurde nach den Entwürfen von Roland Fornaro und unter Mitwirkung einiger Metallbauer realisiert. Darunter sein Sohn Luca. Gefertigt wurde die Plastik als freie Arbeit für eine Ausstellung mit dem Steinmetzverband in Bümpliz bei Bern. Dargestellt ist ein rostiger Bogen in Form einer acht Meter langen und vier Meter hohen Brücke. Sie führt sinnbildlich vom Anfang ans Ende, vom Leben zum Tod. In der Mitte, am höchsten Punkt, ist der Bogen unterbrochen. Er wird dort durch eine menschliche Figur zusammengehalten, die über den Bogen zu gehen scheint. Während ihr einer Fuß noch auf dem Ende der einen Hälfte steht, hat der zweite bereits die andere Seite der Brücke erreicht. Suchend streckt die Figur eine Hand aus. Fornaro beschreibt dieses Handaustrecken als „hoffend und zuversichtlich, ins Ungewisse begleitet zu werden.“

Die Brücke wurde aus 6 mm starkem, rohem Stahlblech gefertigt (Rostpatina) und aus Einzelteilen gelasert und gewalzt. Diese Arbeiten übernahm die Fritz Born AG in Langenthal. Zusammengeschweißt wurde sie dann in Fornaros Werkstatt in Eriswil. Die Figur besteht aus 15 mm eingeöltem Stahlblech und wurde bei der Waterjet AG in Aarwangen wasserstrahlgeschnitten. Geschmiedet und auf die Brücke aufgeschraubt hat sie dann Fornaro selbst in seiner Schmiede. Heute steht die Plastik „ÜBERSETZEN“ auf dem Friedhof Bümpliz in einem See, nachdem die Stadt Bern von Fornaro die Arbeit erworben hatte.

Bei der Montage war die größte Herausforderung der Transport, da sich keine Einfahrt zum Friedhofsgelände als groß genug herausstellte. So musste ein mobiler Kran mit Transportfläche gefunden werden, der auf 30 Metern die 800 Kilogramm heben konnte. Weiter musste für die Montage im See das Wasser abgelassen und später wieder geflutet werden.

Dass jemand die Skulptur während der Ausstellung gleich kaufen würde, hatte Fornaro nicht zu hoffen gewagt und so war er sehr überrascht, als bereits zu Beginn der Ausstellung zwei Vertreter der Stadt ihr Interesse äußerten: „Während der Ausstellung kamen zwei Herren auf mich zugestürmt. Sie waren so aufgeregt, dass ich erst gedacht habe, ich hätte falsch geparkt“, erinnert sich Fornaro.

Die Plastik „Alpha Omega“

Ganz ähnlich erging es dem Kunstschmied mit seiner Plastik „Alpha Omega“ aus Stahl 37-2. Diese fertigte Fornaro zunächst nur für die Ausstellung auf dem Friedhof Bremgarten Dorf als freie Arbeit. Das war 2011. Als die Ausstellung zu Ende war, war Fornaro gerade im Begriff, seine Skulptur abzubauen, als eine Frau auf ihn zukam und ihn bat, mit dem Abbau zu warten. „Die Frau sagte zu mir, sie sei schon dabei, Sponsoren zu finden, damit die Skulptur stehen bleiben kann“, fasst Fornaro zusammen. „Und so kam es dann auch. Schon einen Monat später hatten sich genügend Sponsoren gefunden, sodass meine Skulptur noch heute dort steht.“

Die Plastik „Alpha Omega“ (Foto auf S. 3) besteht aus zwei Teilen: einer Alpha-und einer Omega-Skulptur. Das Alpha-Zeichen ist im Boden eingelassen und begehbar. Gefertigt wurde es aus zwölf Stahltafeln mit eingemeißelten Bibeltexten, die sich auf die Hoffnung beziehen wie „Geduld bringt Erfahrung, Erfahrung bringt Hoffnung“. Am Kopf des Alpha-Zeichens erhebt sich in der dritten Dimension ein drei Meter hohes und drei Meter breites Omega-Zeichen. Das „Tor zur Ewigkeit“, das jeder einmal durchschreiten muss. Die Omega-Plastik ist oben offen. Fornaro möchte damit der Hoffnung für das dahinter Liegende Raum geben.

Die Familie berät

Speziell diese beiden Plastiken verleihen dem 58-Jährigen Mut, an seine Arbeit zu glauben. Ständig kann er sich aber solche freien Arbeiten dieser Größenordnung mit 800 oder 1.000 Kilogramm Stahl nicht erlauben. Speziell dann nicht, wenn es sich um Zeitkritisches handelt. Zum Beispiel die Arbeit „TRÄGER-SCHAFT“. Einer lässt es sich auf dem Rücken der anderen gutgehen „Das verkaufe ich meistens nicht mehr. Und dann steht zu viel in meinem Garten“, scherzt Fornaro, „das würde meine Frau nicht gut finden.“ Überhaupt ist Fornaros Frau Sabina neben seinen beiden Kindern Luca und Cinzia sein wichtigster Berater – gestalterisch und finanziell. „Ich stehe immer im Dialog mit meiner Familie, wenn ich eine neue Arbeit beginne“, sagt Fornaro. „Meistens fertige ich eine Zeichnung an und dann frage ich in die Runde: Was spricht Euch an? Dabei lege ich sehr viel Wert auf die Einschätzung meiner Frau, gerade, weil sie keine Ausbildung als Gestalterin hat. Wenn sie sagt: ‚Ja. Das sehe ich! Diese Gestaltung spricht mich an!‘, dann weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin.“

Er selbst fand seinen Weg nach seiner Lehre und weiteren dreieinhalb Jahren Arbeiten im Lehrbetrieb als Kunstschmied: „Ich wollte mein Wissen erweitern und ging in die alte Hammerschmiede nach Mühlehorn am Walensee. Das liegt im Kanton Glarus. Dort lernte ich in einer 230 Jahre alten Einrichtung das Schmiedehandwerk in seiner urtümlichen Technik kennen. Das hat mich total fasziniert“, berichtet Fornaro.

Zwei Jahre später entschloss er sich, diese Handwerkskunst mit neuen Formen als selbstständiger Kunstschmied weiter auszubauen. 1983 gründete er in Oberhofen am Bodensee seine Schmiede. Da er die Räumlichkeiten nicht erwerben konnte, zog er weiter nach Weinstegen in Ursenbach im Kanton Bern. Auch hier konnte er nicht bleiben. Diesmal wegen Problemen mit seinem Vermieter. Und so baute er seine Werkstatt mit Wohnhaus in anderthalb Jahren Eigenarbeit auf und konnte 1991 sein eigenes Atelier in Eriswil – einer Gemeinde im Kanton Bern – eröffnen.

Schmieden für alle

Die freien Arbeiten nehmen bei Fornaro etwa ein Drittel in Anspruch. Viel häufiger kommen direkte Aufträge ins Haus. In der Akquise ist Fornaro breit aufgestellt. Darunter ein bis zwei Ausstellungen in Deutschland und in der Schweiz, manchmal auch in Form von Gruppenausstellungen. In Eriswil kennt man den sympathischen Familienmenschen, der große Freude daran hat, sein Handwerk auch der Bevölkerung nahe zu bringen. Gelegentlich zeigte er seine Handwerkskunst auf öffentlichen Marktplätzen wie zum Beispiel am Historischen Markt Huttwil. Dort zeigt er allen Interessierten, wie das alte Schmiedehandwerk funktioniert. Zum Teil dürfen die Leute selbst Hand anlegen. Die Begeisterung von Laien, selbst mal zu schmieden, hat Fornaro zu seiner Geschäftsidee gemacht und nutzt dabei seine Fähigkeiten als Lehrer. Er unterrichtet beispielsweise seit 2009 in Teilzeit das Fach Werken und er leitet darüber hinaus seit 2010 einen Damaszenerstahl-Messerschmiedekurs mit dem Messerschmied Hansjörg Kilchenmann in Basel.

Möbel schmieden

Über diesen Kurs hat Fornaro im Jahr 2013 einen seiner Lieblingsaufträge an Land gezogen: einen Tisch aus Damaszenerstahl mit einer Nussbaumholzplatte. „Damals war ein Mann mit seinem Sohn in meinem Kurs. Beide haben für sich ein Messer geschmiedet und waren von der Arbeit mit Damaszenerstahl begeistert. Als der Kurs zu Ende ging, kam der Vater auf mich zu und fragte, ob ich denn auch Möbel fertige. Speziell suche er einen Tisch“, erinnert sich Fornaro. „Da konnte ich ihm gleich einen Entwurf zeigen, weil ich schon Jahre zuvor mal einen Entwurf für einen Tisch gezeichnet hatte und diesen einfach nur aus der Schublade ziehen musste.“ Der Kunde war sofort überzeugt und beauftragte Fornaro kurze Zeit später. Lediglich die Maße mussten nochmals angepasst werden. „So etwas passiert nur einmal in der Karriere, glaube ich“, meint der Kunstschmied.

Entstanden ist ein massiver Tisch mit mehreren Tischbeinen aus Chrom-Nickelstahl, die auf einer Stahlplatte stehen. Sie tragen eine rechteckige glatte, etwa 1,15 x 2,50 Meter große Nussbaumholzplatte. Mittig ist in diese Platte ein geätzter und tordierter Damast eingelassen, der auch von oben das Nebeneinander der beiden Materialien Stahl und Holz nochmals zeigt. Die Arbeit entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Schreinermeister Urs Werthmüller aus Burgdorf/BE. „Das war ein Glücksfall! Da hat alles funktioniert“, schwärmt Fornaro noch heute. „Leider ist er heute schon pensioniert.“

Interdisziplinäres Arbeiten

Überhaupt zeichnet die Zusammenarbeit mit Handwerkern aus fachfremden Gewerken das Werk von Fornaro aus. Angefangen hat diese Art des Arbeitens mit Möbeln. „Mich hat die Fertigung von Möbeln hauptsächlich gereizt, weil ich etwas erschaffen wollte, was ohne Schraubenzieher funktioniert“, sagt Fornaro. Seine kongenialen Partner hat er hauptsächlich über die Kunsthandwerkerverbindung gefunden, in die er 1993 eingetreten ist. Das half ihm, gute Leute zu finden. „Wenn ich fachübergreifend arbeite, muss die Qualität der anderen Gewerke mindestens so gut sein wie meine.“ Davon überzeugt sich Fornaro meist bei einem Vor-Ort-Termin in den Ateliers von Steinmetzen, Glaskünstlern und anderen.

Neues Konzept: Miniaturen

Dabei legt er seine Hoffnungen vor allem auf die kleinen Dinge. „Mit großen Objekten hat man es immer ein wenig schwerer. Deshalb verfolge ich eine neue Geschäftsidee mit Miniaturen“, sagt der Kunstschmied. Er meint damit kleine Skulpturen und Plastiken, die vor allem im Haus aufgestellt, aufgehängt oder mit Magneten befestigt werden können. Die Objekte sind dabei maximal 10 x 10 Zentimeter groß. „Das hat den Vorteil, dass der Kunde auch schon ab 300 Schweizer Franken ein tolles Kunstobjekt erwerben kann. Oder er kann fünf kleine bestellen und diese immer wieder anders zusammenstellen.“ Bei aller Bescheidenheit reizen Fornaro aber nach wie vor die großen Plastiken. Fürs nächste Jahr entwirft er gerade eine fünf Meter hohe filigrane Skulptur zum Thema Sport — nichts Zeitkritisches.

www.rfornaro.ch

Infos & Kontakte

Roland Fornaro
Birkenweg 5
CH-4952 Eriswil
Tel. +41 062 966 16 56

www.rfornaro.ch
www.events-fornaro.ch

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