Novoferm Door in Wykroty

„Wir sind bereit für die EN 16034“

Von Deutschland aus in Polen einen Betrieb aufzubauen – diese Idee hatten seit der Wende viele. Novoferm Door in Wykroty ist dafür ein Beispiel. Eines, das erfolgreich realisiert wurde. Das Tochterunternehmen der deutschen Novoferm Gruppe fertigt seit 2008 Brandschutz-Rohrrahmentüren. Die Produktion in Deutschland wurde eingestellt.

Wykroty ist zwar ein kleines Dorf mit nur 500 Einwohnern, verfügt aber mit rund 100 Hektar über eine der größten Sonderwirtschaftszonen, die Mitte der 1990er-Jahre in Polen eingerichtet wurden. Deutschland ist nur 20 Kilometer entfernt, nach Breslau sind es 120 Kilometer, zur Autobahnauffahrt A4 nur knappe fünf Kilometer. „Die Infrastruktur, die seit der Wende in dieser Region entstand, macht das früher etwas verschlafene Nest zu einem interessanten Wirtschaftsstandort“, konstatiert Managing Director Sebastian Mruk, der das Werk seit fünf Jahren leitet.

Inzwischen haben sich in Nowogrodziec-Wykroty Global Player aus ganz Europa angesiedelt. Den Firmierungen der Betriebe sieht man nicht auf den ersten Blick an, dass deutsches oder französisches Kapital in ihnen steckt. BDN Sp. z.o.o. Sp.K. ist beispielsweise eine Druckerei, die mit Investitionen der Bauer Verlagsgruppe aufgebaut wurde.

Derzeit gilt Polen in Mittelosteuropa als das größte Zielland deutscher Auslandsinvestitionen. Das meldet die hiesige Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung (Trade & Invest). Dazu tragen Subventionen, Steuererlasse und Sonderwirtschaftszonen bei. Auch wenn diese Unterstützungsmaßnahmen künftig rückläufig sein werden, aktuell können Investoren noch über die Hälfte der Investitionskosten wieder zurückerhalten, wie es in einem Bericht von Trade & Invest aus dem Jahre 2014 heißt.

Neben den Fördermaßnahmen, die vor allem die EU anbietet, hat auch der regionale Arbeitsmarkt Vorteile. „Für diesen Standort sprechen der hohe Ausbildungsstand und die große Motivation der Mitarbeiter, die Kostenstruktur und die verkehrslogistisch gute Lage. Das Lohngefüge ist günstiger als in Deutschland, jedoch sind auch die Lebenshaltungskosten viel geringer“, informiert Mruk. Die Löhne für Fachkräfte sind ca. zwei Drittel niedriger als in Deutschland, Urlaub gibt es zwischen 20 und 26 Tage. Führungskräfte, die mehrsprachig im internationalen Management tätig sind, haben teils Gehälter auf deutschem Niveau.

„Die niedrigeren Personalkosten mögen attraktiv klingen, erfolgsentscheidend aber ist eine ergebnisorientierte Organisation und eine moderne Mitarbeiterführung mit individuellen Lenkungsinstrumenten. Der Wettbewerb um qualifizierte Facharbeiter ist hier gleichermaßen hoch wie in Deutschland“, weiß Jörn Lohmann, bei Novoferm Produktmanager für Rohrrahmentüren. So entscheidet die Personalführung nicht selten darüber, ob der Aufbau eines Unternehmens im Ausland gelingt.

Personalmanagement

Novoferm Door beschäftigt 68 Mitarbeiter, 55 davon sind in der Produktion tätig. Die Belegschaft ist jung. Auf unter 35 Jahre schätzt Lohmann das Durchschnittsalter. „Etwa zur Hälfte sind die Mitarbeiter in der Fertigung als Fachkräfte ausgebildet.“ Eine Tradition für das Metallhandwerk gibt es in der Region aber nicht. Doch Mruk schaut auf die Vorteile seiner Situation: „Meine Mitarbeiter sind offen für Neues. Das ist der Pluspunkt, wenn ein Gewerk nicht in einer Tradition verwurzelt ist.“ Die Kooperation mit deutschen Kollegen findet er klasse: „Ein regelmäßiger Austausch mit den deutschen Kollegen, bereichert durch unterschiedliche Kulturen, fördert sehr gute Lösungsansätze − zum Besten für unsere Produkte und zum Vorteil für unsere Kunden.“

Automatisierte und handwerkliche Produktion

Novoferm hatte zwei gute Gründe, die Herstellung der Brandschutz-Rohrrahmentüren nach Polen zu verlagern: Die ehemaligen Produktionsstandorte Celle und Weißenthurm sollten in einem Werk gebündelt werden. Zudem waren im Jahr 2007 die Fördermaßnahmen für den Aufbau einer Firma in einer der polnischen Wirtschaftszonen verlockend. Lohmann sagt: „Die Aussicht auf staatliche Fördermaßnahmen und EU-Mittel − zur Investition, zur Stärkung der regionalen Entwicklung sowie zur Stimulierung des Wirtschaftswachstums in Polen − gaben den Ausschlag.“

Die Halle wurde auf einer Fläche von 4.000 Quadratmetern gebaut, für Büros stehen 400 Quadratmeter zur Verfügung. Gefertigt wird nach den deutschen Brandschutznormen, zweimal jährlich wird das Werk vom Materialprüfungsamt NRW in Dortmund überwacht. „Unsere Brandschutztüren erfüllen bereits die Anforderungen der EN 16034“, berichtet Lohmann. Die werkseigene Produktionskontrolle ist selbstverständlich: Die Dokumentation läuft parallel zur Produktion, Formulare werden an definierten Montageplätzen handschriftlich ausgefüllt.

Die beiden Fertigungslinien für Stahl und Aluminium sind parallel auf einer Länge von ca. 50 Metern errichtet. In einer Schicht werden monatlich ca. 400 Türen gefertigt. „In der Hochsaison von Juni bis Oktober wird meist in zwei Schichten gearbeitet“, berichtet Mruk. Die Kapazitäten des Werks reichen für eine Produktion von monatlich 1.000 Türen. Im vergangenen Jahr hat die Belegschaft einen Umsatz von ca. 14 Millionen Euro generiert.

Die Produktionsprozesse wurden von der ursprünglichen Fertigung in Deutschland eins zu eins kopiert und durch Modernisierung verbessert. Der Betrieb hat einige Audits durchlaufen. „Wir sind für die Arbeitssicherheit nach OHSAS 18001 zertifiziert, zudem nach ISO 9001, und mit ISO 14001 weisen wir internationale Standards für den Umweltschutz aus“, so Mruk.

Die Technik ist modern. Für die Bearbeitung von Stahl- und Aluminiumprofilen wurden drei Profilbearbeitungszentren von elumatec angeschafft. Auf zwei der PBZ kann sowohl Stahl als auch Aluminium bearbeitet werden. Eine Pulverbeschichtungsanlage ergänzt die Fertigung der Stahlrohrrahmentüren. Anfang Mai wurde die Anlage erweitert.

Mruk hebt hervor: „Vieles bearbeiten wir in handwerklicher Manier, die Rahmen aus den Stahlprofilen von Forster müssen aufwändig geschweißt werden.“ Auch die Maße für Zuschnitte und Bohrungen der Profile werden nicht über CAD in die PBZ eingespeist, sondern händisch eingegeben. „Es geht uns um ein Gleichgewicht von Automatik und Handwerk“, unterstreicht Lohmann.

Aluminium- und Stahltüren

Die Rohrrahmentüren werden zu 80 % aus Aluminium hergestellt. Dafür wird das System NovoFire eingesetzt, das mit der Übernahme von bemo Brandschutzsysteme erworben wurde. „Mit unserem eigenen System sind wir in der Lage, Sonderlösungen relativ einfach und kurzfristig herzustellen“, sagt Lohmann. Standard sind die Typen: RS, T30, T60 und T90.

Etwa 20 % der Rohrrahmentüren werden aus Stahl gefertigt: die Forster-Systeme Fuego light in der Ausführung T30 und T90, Presto RS sowie Unico steel ohne Brandschutz. Wird eine Edelstahltüre in Auftrag gegeben, liefert ebenfalls der Schweizer Systempartner die Profile.

Ein wesentlicher Unterschied bei der Verarbeitung von Aluminium- und Stahlprofilen betrifft die Beschichtung. Im Gegensatz zu den Stahlprofilen werden Aluminiumprofile bereits beschichtet angeliefert. Im Wareneingang werden sie mit einer Folie überzogen, bevor sie zugeschnitten, gebohrt und gefräst werden. Fehlerhafte Profile fallen auf und werden aussortiert.

Der Arbeitsablauf der Endmontage ist für Aluminium- und Stahltüren gleich, die zwei Fertigungslinien laufen zusammen: In die Türen werden Gummidichtungen eingezogen, der Promasilstreifen eingeklebt, der Obentürschließer aufgeschraubt und der Drücker befestigt. Die meisten Brandschutz Aluminiumtüren haben nur zwei Rollenbänder. Das kommt vielen Architekten entgegen, die möglichst wenige Bänder an der Tür sehen möchten. „Weil die Wände unserer Aluprofile 4 mm dick sind und so eine hohe Stabilität erreicht wird, können wir diesen Wunsch an die Ästhetik erfüllen“, erläutert Lohmann.  Wettbewerber, deren Aluprofile eine geringere Wandstärke haben, brauchen in der Mitte der Türe ein drittes Band. „Für die Optik ist das nicht schön, und mancher Architekt stört sich daran.“

Zugunsten von wenigen filigranen Rollenbändern kooperiert Novoferm teils mit den Herstellern, beispielsweise mit Dr. Hahn oder dem Simonswerk. Insbesondere wenn es um die Bänder für Brandschutztüren mit Übergröße und höherem Gewicht geht, ist eine Zusammenarbeit für die Konstruktion hilfreich. Bei einer automatisierten Rohrrahmentür kommt auch Novoferm nicht um ein drittes Rollband umhin. „Für automatische Drehflügeltüren ist ein drittes Band dann auch Vorschrift“, teilt Lohmann mit. Die Produktion der Türen mit Antrieb verzeichnet steten Zuwachs. „Inzwischen fertigen wir ca. 25 % als Automatiktüren“, so Mruk.

Jede Türe im Prüfstand

Die Mechatronik sowie das Typenschild mit Zulassungsjahr werden erst montiert, wenn die Türe im Prüfstand steht. Die Qualitätsprüfung der Türe und der Einbau der Elektrotechnik dauern im Schnitt 20 Minuten. Wenngleich normativ nur eine stichprobenartige Prüfung der Türen vorgegeben ist, wird jede einzeln auf alle Funktionen hin getestet und ein Prüfprotokoll erstellt. „Auf diese Weise können wir nachweisen, dass alle Funktionen im Werk in Ordnung waren“, erklärt Mruk. Gibt es Reklamationen, ist das Protokoll hilfreich. „Reklamierte Fehler, ob Transportschäden, falsche Ausführung, fehlende Bauteile, Einbaufehler oder aber auch Herstellfehler lassen sich auf diese Weise meist eindeutig aufklären.“

Ein wichtiger Punkt für funktionsfähige Türen ist der fachgerechte Einbau. Hier unterstützt Novoferm den Verarbeiter, wie die meisten anderen Hersteller auch, mit Schulungen und einer präzisen Einbauanleitung, die an jeder Brandschutztüre klebt. Lohmann hat die Erfahrung gemacht: „Die meisten Monteure haben keine Zeit, in der Verpackung nach einer Anleitung zu suchen.“ Seit das Dokument direkt an der Türe klebt, gibt es weniger Probleme. Zudem kann der Verarbeiter bei Novoferm auch eine Mustermontage erhalten, bei der eine Tür in einem realen Bauvorhaben, mit dem Monteur gemeinsam fachgerecht und nach Zulassung eingebaut wird.

Ausblick

Im polnischen Wykroty wird schon eine ganze Zeit lang nach der EN 16034 gefertigt. Ab Dezember – mit Einführung der DIN EN 16034 – ist das Standard. Aktuell werden zwar 90 % der Brandschutztüren nach Deutschland verkauft, zum Jahreswechsel steigen jedoch die Exportchancen. Der technische Vorsprung könnte sich auszahlen, meint Lohmann: „Mit Einführung der DIN EN 16034 und der europäischen Harmonisierung dieser Norm werden Handelsbarrieren abgebaut und ein europaweiter Warenfluss erleichtert.“⇥

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