Rosen gegen Rollenklischees

Girls’ und Boys’ Day bei Hahner Stahlbau

Neugierig blicken sich fünf Mädchen und ein Junge in der Produktionshalle der Firma Hahner Stahlbau um. Auf dem Werkstisch liegen die Utensilien für die Metallrosen, die sie bei Girls’und Boys’ Day bauen können. Anfangs sind sie noch etwas zögerlich im Umgang mit Kugelhammer, Schraubstock und Meißel. Doch es dauert nicht lange, dann wird fleißig gehämmert, gebogen und geformt. Die sechs Schüler haben sich gezielt für technische Berufe beim Girls‘ und Boys‘ Day entschieden und sich den Termin beim Stahlbauunternehmen ausgesucht. Seit mehreren Jahren bietet die Bundesregierung Jugendlichen diesen Berufsorientierungstag, bei dem Mädchen die Möglichkeit haben, in typischen Männerberufen zu „schnuppern“. Schüler ab der 5. Klasse können sich über eine zentrale Plattform, auf der die beteiligten Firmen aufgelistet sind, anmelden.

Girls’ und Boys’ Day lohnt

Bernhard Hahner, geschäftsführender Gesellschafter von Stahlbau Hahner, ist seit fünf Jahren mit dabei und sieht diesen Schnuppertag als große Chance, um die Rollenklischees zu durchbrechen und mehr Frauen für technische Berufe zu gewinnen. „Diesmal war auch wieder ein Mädchen dabei, das ich sofort in Ausbildung nehmen würde“, sagt er und fügt hinzu, „ich habe direkt gemerkt, wie beim Arbeiten an der Metallrose der Funke übergesprungen ist.“
Auch wenn das hessische Stahlbauunternehmen noch keine großen Nachwuchssorgen hat, investiert Hahner in diesen Schnuppertag Zeit und Geld: „Wir planen die Veranstaltung sehr sorgfältig, stellen Personal bereit. Ich nehme mir Zeit, die Jugendlichen zu begrüßen und durch unseren Betrieb zu führen. Das ist mir wichtig, denn so lerne ich die Schülerinnen und Schüler, die sich für unser Unternehmen interessieren, zumindest ein bisschen kennen.“ Großen Wert legt der Firmenchef darauf, dass die Jugendlichen selbst etwas gestalten und sich zugleich mit dem Werkteil identifizieren können. „Im vergangenen Jahr haben sie Wetterfahnen gebaut, die wir selbst entworfen haben. Die Schülerinnen und Schüler konnten bei dem Biegeteil nicht nur Schweißen, sondern die Fahne auch mit ihrem Namen versehen, das bringt Wertigkeit und persönliche Identifikation. Damit schaffen wir Emotionen, die Jugendlichen erinnern sich gern an den Tag“, so Hahner.

Vielseitiger Metallbauer

Nach seinem Studium gründete der Maschinenbauingenieur 1989 in der Traktorgarage seines Vaters die Firma. Bereits 1992 baute er ein neues Firmengebäude im hessischen Petersberg, Ortsteil Böckels. Mittlerweile beschäftigt das mehrfach preisgekrönte Unternehmen mit mehreren Niederlassungen insgesamt rund 130 Mitarbeiter, davon 68 am Stammsitz in Böckels. Das Portfolio umfasst unter anderem Stahlhochbau, Hallen- und Industriebau. Einen Namen machte sich Hahner zudem mit Kunstobjekten sowie mit Freiformteilen. „Wir realisieren die Projekte, die sich sonst niemand zutraut“, betont der 51-Jährige. Dazu gehört z.B. auch die neue Stahlkuppel für das denkmalgeschützte Elefantenhaus im Münchner Tierpark Hellabrunn. Die Konstruktion besteht aus 2.500 unterschiedlichen Einzelteilen mit einem ­Gesamtgewicht von 60 Tonnen.
Diese Vielseitigkeit des Unternehmens spricht sich natürlich auch bei den Lehrstellensuchenden herum. Allein im Stammwerk absolvieren von insgesamt 16 Azubis sechs ihre Ausbildung zum Metallbauer. Dazu gehört auch der 20-jährige Mario Bellinger. Zwei Stunden leitete er die Jugendlichen während des Schnuppertages beim Bau der Metallrose an. „Das war für mich als Azubi was ganz Neues, dass ich jemandem etwas beibringen kann. Es hat Spaß gemacht, die waren so richtig bei der Sache. Da kamen tolle Ergebnisse heraus“, schwärmt er. „Das kommt bei den Jungen und Mädchen viel besser an, wirkt einfach authentischer, wenn sie mit Azubis reden und arbeiten können, als wenn nur ich mich vorne hinstelle und etwas erzähle“, ist Bernhard Hahner überzeugt. Neben Bellinger waren beim Schnuppertag auch Azubi Turan Gaval (23), der im dritten Lehrjahr zum Technischen Systemplaner ist, sowie der Jahrespraktikant Marius Mathes (17) mit im Betreuungsteam. Anhand von 3D-Übungen führten sie die Jugendlichen in die Grundlagen des Technischen Zeichnens ein. „Die waren echt wissbegierig“, bestätigt Gaval.

Technikaffine Frauen willkommen

Eine gute Ausbildung besitzt für Hahner einen großen Stellenwert. „Bis jetzt haben wir noch genug Bewerbungen. Doch die Luft wird dünner“, berichtet der 51-Jährige und setzt nun verstärkt auf das weibliche Geschlecht. „Bei unserer neuen Produktionshalle haben wir bereits entsprechende Sanitäranlagen für Männer und Frauen gebaut. Denn wir müssen diesen Teufelskreis endlich durchbrechen. Mädchen eignen sich hervorragend für technische Berufe. Sie haben zwar meist etwas weniger Vorwissen als die gleichaltrigen Jungs. Aber im Gegensatz zu diesen hören sie sehr gut zu und sind mit sehr viel Engagement bei der Arbeit“, erzählt der Geschäftsführer.
Nach dem Motto „Fordern und Fördern“ engagiert sich das Stahlbauunternehmen auch bei TOPAS (Top-Ausbildungsbetriebe der Region). Dabei handelt es sich um eine freiwillige Arbeitsgemeinschaft der Kreishandwerkerschaft Fulda. „Damit bieten wir unseren Azubis einen echten Mehrwert“, ist Hahner überzeugt. Quer durch alle Branchen organisieren die beteiligten Betriebe für ihre Azubis Aktionen. „Mal machen wir eine Kanufahrt, mal ein Fahrsicherheitstraining. Zuletzt war es ein Benimmkurs, bei dem gemeinsam gekocht und anschließend nach Knigge gespeist wurde. Und das quer durch alle Branchen, egal ob Metallbauer, Lackierer, Dachdecker oder Friseurin“, so Hahner.
Um gute Azubis zu gewinnen, setzt der Obermeister der Metall-Innung Fulda-Hünfeld auf ein gutes Netzwerk sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Zugleich ist er viel unterwegs in punkto Nachwuchsgewinnung. Hahner ist nicht nur auf den Trendmessen in der Region präsent, sondern geht sogar in die Schulen, um qualifizierte Azubis für sein Unternehmen zu werben. Selbstverständlich freut es ihn, wenn sich, wie dieses Jahr, gleich sechs Jugendliche für seinen Betrieb interessieren. Und er kann sich durchaus vorstellen, dass er im nächsten Jahr beim Girls‘ und Boys‘ Day wieder Rosen sprechen lässt, um Interesse am Metallbau und an Stahlbau Hahner zu wecken.

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