Tagung an Hochschule München

Konstruktiver Glasbau

Planer, Bau- und Prüfingenieure, ausführende Metall- und Fassadenbauer, Mitarbeiter vom DIBt und einige wenige Architekten: Jedes Jahr neu erweist sich die Münchner Tagung „Glas im konstruktiven Ingenieurbau“ als Stelldichein vieler am Bau Beteiligten, die einen Ruf haben oder daran arbeiten. Das Konfliktpotenzial in der Zuhörerschaft scheint doch so hoch, dass keine Teilnehmerlisten ausliegen. Ein Beschluss der Veranstalter: die Hochschule München (HM) mit dem Verein der Freunde des Stahlbaus an der HM e.V.


„Die Interessenslagen unserer Zuhörer sind teils so konträr, dass wir keine Teilnehmerlisten mehr auslegen“, hieß es seitens der Veranstalter. Und während  der Pausengespräche ist auch herauszuhören, wie es einem nützt, wenn die Kooperationspartner „goodwill“ zeigen. Beispielsweise wenn es um Zustimmungen im Einzelfall geht, für die einige Versuche mit Kostenaufwand ausgeführt werden müssen, oder eben nicht. Nämlich dann, wenn der Prüfingenieur willig ist, Akten zu wälzen und nach vergleichbaren Versuchen in der Vergangenheit zu recherchieren. Gut, wenn man zu denen gehört, für die ein bisschen länger und ein bisschen tiefer in den Akten gegraben wird. Netzwerkpflege ist gewiss ein Stichwort, warum diese Veranstaltung schon seit Jahren den Zuspruch der Branche hat und die Anmeldungen nach der Stabsübergabe von Prof. Dr.-Ing. Ömer Bucak an Prof. Dr.-Ing. Christian Schuler stabil blieb. Dieses Jahr waren es ca. 240 Teilnehmer, die Anfang März den Weg zur Hochschule München fanden. Zum Auftakt referierte Dipl.-Ing. Monika Herr vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt). Sie erläuterte Grundsätzliches zur Bauproduktenverordnung, beispielsweise unter welchen Ausnahmebedingungen ETAs im Rahmen der BauPVO beim DIBt beantragt und erteilt werden können. Insbesondere ging sie dabei auf Beispiele aus dem konstruktiven Glasbau ein.

Immer wieder Nickel-Sulfid-Einschlüsse
Praktische Tipps hielt Prof. Dr. Kainz bereit: Anhand zahlreicher Gerichtsurteile leitete er Schlussfolgerungen zur Risikoübernahme bei Glasbrüchen ab. Klar bei dieser Fragestellung ist:
Während der Baudurchführung, d.h. im Erfüllungsstadium vor der Abnahme, trägt der Unternehmer das Risiko eines Glasbruches. Er schuldet eine mangelfreie Glasfassade. Dazu gehören unzerbrochene Fenster. Bricht eines beim Einbau oder vor der Abnahme, muss er dieses auf seine Kosten ersetzen.
Nach Ablauf der Gewährleistungsfrist von in der Regel fünf Jahres nach der Abnahme trägt das Risiko des Glasbruches der Auftraggeber. Der Auftragnehmer muss nicht mehr für ein gesprungenes Glas einstehen. Zerbricht jemand schuldhaft ein Glas (z.B. durch Fußball oder Fahrlässigkeit), hat er stets das Fenster zu ersetzen, gleich ob vor oder nach der Abnahme oder während der Gewährleistungsfrist.
Ob ein während der Gewährleistungsfrist spontan brechendes Einscheibensicherheitsglas (ESG) einen gesetzlichen Mangel darstellt, erläuterte Kainz anhand eines Urteils des LG Düsseldorf vom 06.08.2009. Es ging um eine Fassade, die mit vorgespannten ESG-H-Glasplatten verkleidet wurde und bei der sechs Scheiben geborsten waren. Bei zwei der geborstenen Scheiben wurden vom Sachverständigen Nickel-Sulfid-Einschlüsse festgestellt, bei einer weiteren Scheibe ging man davon aus, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Nickel-Sulfid-Einschluss die Ursache war. Nach Anhörung des Sachverständigen kam das Gericht zur Auffassung, dass die Verglasung mangelhaft ist. Der Grund: In der Leistungsbeschreibung war ein Heißlagerungstest angeordnet, der das Restrisiko für einen Spontanbruch auf einen Promillebereich reduziert hat. Demnach hat das Restrisiko für die 5.352 Quadratmeter große Fassade, die Gegenstand des Rechtsstreites war, 0,27 Nickel-Sulfid-Einschlüsse betragen. Also: Eine Fassade mit einer überdurchschnittlich hohen Bruchgefahr stellt einen Mangel dar.
Möchten sich ausführende Unternehmer den Streit darüber sparen, wer das Risiko von Glasbrüchen innerhalb der Gewährleistungszeit zu tragen hat, können dies im Vertrag zwischen AN und AG klar formulieren. Zum Beispiel: „Trotz des ausgeführten Heat-Soak-Tests besteht ein Restrisiko, dass ESG-Scheiben nach dem Einbau bersten. Dieses Risiko eines unverschuldeten Glasbruchs wird von dem AN nicht übernommen.“

Fassaden aus feuerverzinktem Stahl
Dipl.-Ing. (FH) Dietmar Hildebrandt vom Industrieverband Feuerverzinken griff in seinem Vortrag die Verarbeitung von Fassaden aus feuerverzinktem Stahl auf. Zahlreiche Objekte aus der jüngsten Zeit belegen einen Trend zu dieser Bauweise: Die Erweiterung der Fachhochschule Aalen, das Gold und Silber Forum in Schwäbisch Gmünd, der Spar Supermarkt in Graz, die Werner-von-Siemensschule in Bochum sowie die Oeconomicum Universität Düsseldorf sind nur einige Beispiele.
Hildebrandt machte darauf aufmerksam, dass in der DIN 18516-1 vom Juni 2010 der feuerverzinkte Stahl für hinterlüftete Fassaden normungstechnisch geregelt wurde. Dies umfasst die Fassadenbekleidung, die Unterkonstruktion und die Verbindungs- und Befestigungselemente. Sein Referat widmete sich den beiden Verfahrensvarianten des Feuerverzinkens: dem Stückverzinken und dem Band- oder Drahtverzinken. Während beim Stückverzinken mit einer Schichtdicke von 50 bis 300 μm gearbeitet wird, ist mit 7 bis 25 μm die Schichtdicke beim Band- oder Drahtverzinken wesentlich dünner. ⇥ma ◊

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