„Vieles geht jetzt einfacher“

Im Gespräch mit Oskar Anders und Helmut Hilzinger

Trotz voller Auftragsbücher und Renommee ist Anders Metallbau 2014 in eine finanzielle Schieflage geraten. Im Oktober musste der Betrieb aufgrund von Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzverfahren eröffnen. Grund: Zwei Auftraggeber hatten Rechnungen nicht bezahlt. Im Januar 2015 hat die Hilzinger Gruppe, die 1.120 Mitarbeiter beschäftigt, den Betrieb übernommen: Oskar Anders ist heute angestellter Geschäftsführer — alle 120 Arbeitsplätze blieben erhalten. Der Asset Deal wurde in zwei Monaten abgeschlossen. Stefanie Manger traf Helmut Hilzinger und Oskar Anders zum Interview in Fritzlar.



metallbau: Herr Anders, zwei Auftraggeber zahlen nicht, kann Ihnen so etwas nochmal passieren?

Oskar Anders: Auftraggeber werden im Vorfeld qualitativ bewertet und vor Vertragsabschluss hinsichtlich ihrer Zahlungsfähigkeit geprüft. Darüber hinaus ist ein funktionierendes Forderungsmanagement nötig. Wir müssen darauf achten, dass unsere Akonto-Rechnungen dem Baufortschritt entsprechen.

metallbau: Und das alles ist vor der Insolvenz nicht gelaufen?

Anders: Doch natürlich, wir sind ja nicht wegen Insolvenz von Auftraggebern in Schwierigkeiten geraten.

metallbau: Weshalb wurden Sie zahlungsunfähig?

Anders: Uns hat als kleiner Mittelständler schlichtweg das finanzielle Rückgrat gefehlt. Diese Schwäche konnten Bauherren bei bauseitigen Verzögerungen ausnutzen. Es handelte sich hierbei um Verzögerungen von jeweils über einem Jahr. Aber im Detail lassen sich solche komplexen, dynamischen Abläufe zwischen Bauherrn und Auftragnehmer in einem Interview nicht ausführen.

metallbau: Welchen Ausweg hätte es für die Malaise gegeben?

Anders: Allein die Finanzstärke – durch die Übernahme haben wir diese jetzt. Künftig agieren wir mit idealen Voraussetzungen für das Objektgeschäft.

metallbau: Herr Anders, könnte die Zahlungsmoral Ihrer Ansicht nach durch novellierte Gesetze verbessert werden?

Anders: Meines Erachtens reichen die Mittel, die uns der Gesetzgeber an die Hand gibt, aus – beispielsweise § 648a BGB. Das primäre Problem besteht in der Umsetzung der Forderungen. Entscheidend ist, bei der Vergabe auf klare Liefer- und Zahlungsbedingungen zu achten, die beide Seiten einhalten müssen.

metallbau: Herr Hilzinger, weshalb ging die Übernahme so schnell über die Bühne?

Helmut Hilzinger: Der Asset Deal wurde tatsächlich schnell abgewickelt, aber das war auch für den Betrieb wichtig. Denn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens konnten keine Aufträge akquiriert werden. Schnelligkeit war Schadensbegrenzung. Mitarbeiter und Kunden müssen wissen, wie es weitergeht. Alle Beteiligten brauchen möglichst bald Planungssicherheit. Je mehr Zeit notwendig ist, um die Übernahme abzuwickeln, desto größer wird die Auftragslücke, die hinterher ja wieder geschlossen werden muss.

metallbau: Wie konnten Sie beide so schnell Vertrauen fassen?

Hilzinger: Herr Anders und ich kennen uns seit vielen Jahren aus der Verbandsarbeit, wir wissen, was wir voneinander zu halten haben. Zudem ist Anders Metallbau kein Unbekannter in der Branche. Wir haben von Anfang an über die wichtigsten Probleme offen gesprochen, auch die Erwartungen auf Seiten der Hilzinger Gruppe wurden offen formuliert. Bei Hilzinger gab es zu früherer Zeit bereits ernsthafte Überlegungen, einen leistungsfähigen Metallbauer in die Gruppe zu integrieren. Mit Anders können wir nun Aluminiumobjekte abwickeln – in Deutschland gibt es keine Größenordnung, die wir nicht leisten könnten. Wir sind nun im Aluminiumbau genauso gut aufgestellt wie im Segment Kunststoff — und darin sind wir Marktführer.

metallbau: Herr Anders, wie oft haben Sie sich bis zum Vertragsabschluss getroffen?

Anders: Wir kennen uns schon mehr als 15 Jahre, der Kontakt wurde nicht vom Verwalter des Insolvenzverfahrens hergestellt, sondern wir kamen über den Verband der Fenster- und Fassadenhersteller zusammen, für den wir beide seit vielen Jahren engagiert sind. Bereits beim zweiten Gespräch war man sich über die Zahlen einig. Beim dritten Termin wurde der Kaufvertrag unterschrieben.

metallbau: Herr Hilzinger, was waren die betrieblichen Voraussetzungen, mit denen Anders Sie als Investor überzeugen konnte?

Hilzinger: Eine qualifizierte und motivierte Mannschaft, die hinter dem Unternehmen steht. Die hohe Marktdurchdringung der Marke Anders Metallbau und der gute Ruf. Ein schlüssiges Gesamtkonzept, welches mittelfristig wieder ausreichende Deckungsbeiträge erwarten lässt. Sowohl auf Seiten Anders als auch auf unserer Seite hat die Führungsebene eine Zusage gegeben, die Übernahme und Weiterentwicklung des Unternehmens Anders zu unterstützen. Anders und Metallbau passen sehr gut zu uns.

metallbau: Ist Hilzinger auf Einkaufstour?

Hilzinger: Nein, wir sind nicht auf Einkaufstour. Das wird uns nur nachgesagt. Glaubt man den Gerüchten, sind wir immer mit am Tisch, wenn es in der Branche um eine Übernahme geht, selbst wenn wir darüber gar nichts wissen.

metallbau: Vielleicht, weil Sie Geld dafür haben?

Hilzinger: Das hat nichts mit Geld zu tun. Wir haben deshalb Geld, weil Hilzinger einen Gesellschafter hat, der außer seinem Gehalt nie Geld aus seinem Unternehmen herausgezogen hat. Wenn die Gesellschafter jedes Jahr den Rahm abschöpfen, dann bleibt nichts mehr übrig. Ich kenne übrigens auch schwierige Zeiten, als wir von Banken sehr abhängig waren. Gott sei Dank liegt das lange zurück.

metallbau: Wie findet sich bei so einer Übernahme eigentlich ein fairer Kaufpreis?

Hilzinger: Dies ist in aller Regel immer relativ schwierig. Zunächst hat der Insolvenzverwalter seine Vorstellungen. Da gilt es, die Eckpunkte für beide Seiten auszuloten. Die Gläubigerversammlung muss ja immer den jeweiligen Verhandlungen zustimmen. Letztlich muss für beide Parteien ein fairer und gerechter Preis gefunden werden. In dem aktuellen Fall Anders mussten wir ja auch die Immobilie übernehmen, welche nicht zur Insolvenzmasse des Insolvenzverwalters gehörte. Schlussendlich mussten wir dafür sorgen, dass die Familie Anders von den hohen Bankverbindlichkeiten befreit wird.

metallbau: Herr Anders, wie haben Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter auf die Insolvenz reagiert?

Anders: Das Gericht hat uns einen äußerst fairen und willensstarken Insolvenzverwalter zugewiesen. Er konnte Kunden, Lieferanten und auch die meisten Mitarbeiter überzeugen, dass es mit Anders weitergeht. Zwei bis drei Objekte wurden uns während der Insolvenzphase gekündigt. Größte Enttäuschung war die Kündigung eines Auftrags durch eine Tochtergesellschaft des DGB. Obwohl wir lange Jahre harmonisch zusammengearbeitet hatten und es bei uns um die Erhaltung von 120 Arbeitsplätzen ging. Bis heute kann ich nicht nachvollziehen, warum uns da Umsatz und Leistung entzogen wurden und der DGB gegen seine eigene Philosophie gehandelt hat. Andererseits gab es auch Kunden, bei denen ich mit einer Kündigung des Auftrags gerechnet habe, die sich dann überraschend solidarisch verhalten haben.

metallbau: Haben Mitarbeiter aus Furcht vor Arbeitslosigkeit gekündigt?

Anders: Zunächst, alle unsere Mitarbeiter haben kein Geld verloren. Von 120 Mitarbeitern haben etwa zehn Mitarbeiter den Betrieb verlassen. Meiner Ansicht nach auch, weil die Gewerkschaften falsch beraten haben.

metallbau: Wie ist inzwischen die Auftragslage?

Anders: In den vergangenen drei Monaten wurden ca. 25 % der eingehenden Aufträge über Hilzinger vermittelt. Ich gehe davon aus, dass wir ab Juli wieder unter Volllast fahren. Spätestens ab der zweiten Jahreshälfte haben wir dann wieder stabile Flughöhe erreicht.

metallbau: Welche Synergien ergeben sich für Anders durch die Übernahme?

Anders: Vieles ist seither leichter geworden: Refinanzierungen laufen wesentlich einfacher, die Vorteile für den Einkauf, für Betriebsversicherungen und für die betriebliche Organisation sind enorm. Konditionen für Bürgschaften sind wesentlich besser, gegenüber Auftraggebern können wir selbstbewusster auftreten, müssen nicht jede Forderung erfüllen, und dann hat Hilzinger eine Vertriebsmannschaft von ca. 45 Mitarbeitern, die für Anders mitakquiriert.

metallbau: Herr Hilzinger, welche Investitionen und Maßnahmen sind für die Umsetzung weiterer Synergien nötig?

Hilzinger: Insbesondere in Einkauf und Vertrieb konnten Synergieeffekte unmittelbar genutzt werden. Die Verantwortlichen sind dabei, sich kennenzulernen und die Schnittstellen und Abläufe zu definieren. Die Verwaltung bei Anders soll dezentral bleiben. Das macht es einfacher, sich auf das operative Geschäft zu konzentrieren. Aktueller Themenschwerpunkt sind Mischobjekte – in diesem Segment möchten wir ein leistungsstarker Lieferant werden. Nennenswerte Investitionen stehen nicht an. Die Firma Anders ist personell und maschinell gut bis sehr gut ausgestattet. Auch bei den übernommenen Immobilien besteht kein Investitionsstau. Anders hat das Potenzial für einen Jahresumsatz von 20–25 Millionen Euro, kann aber genauso gut 30 Millionen Euro im Objektgeschäft umsetzen.

metallbau: Herr Anders, gibt es ein Zurück zum selbständigen Unternehmer?

Anders: Die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter von Anders Metallbau stehen zu 100 % hinter der Übernahme. Wir haben schon vor Jahren erkannt, dass wir langfristig nur bestehen können, wenn wir einen Finanzpartner oder, noch besser, einen strategischen Partner finden. Auch wenn der Weg über die Insolvenz ein tragischer ist, wurde zumindest dieses Ziel mehr als erreicht. Die Hilzinger Gruppe ist aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit und der Zugehörigkeit zu unserer Branche ein echter „Volltreffer“. Anders Metallbau hat durch die Übernahme gewonnen und ist den zunehmenden Herausforderungen sicherlich gewachsen.

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