Wenn der Dämmstoff dichtet

Thermische Sanierung im Sparmodus

In Zeiten niedriger Ölpreise erhielten in den 1960er- bis 1980er-Jahren viele moderne Gebäude Aluminiumfenster oder die Fassaden wurden mit Aluminiumelementen verkleidet. Damals beachtete man die hohe Wärmeleitfähigkeit des Materials wenig, die Bauelemente wurden nicht oder wenig isoliert, und entsprechend hoch waren und sind die Wärmeverluste. Die technische und energetische Sanierung von Aluminiumfenstern und -fassaden führt heutzutage oft zum Kompletttausch und ist mit Schmutz, Lärm und meist einer Beeinträchtigung der Gebäudenutzung verbunden.
Anselm Lischka nahm dies zum Anlass und suchte nach einer einfachen Lösung, die ohne Tausch der Fenster- bzw. Fassadenelemente auskommt. Sein Ziel: Bestehende Fensterelemente zu belassen, sofern sie nach wie vor fest und sicher im Gebäude verankert sind. Er entwickelte eine gedämmte Aluminium-Vorsatzschale, die auf die bestehenden Elemente aufgeschraubt und mit einem wärmeisolierenden Spezialschaum, der zugleich abdichtet, ausgefüllt wird. „Das Prinzip ist einfach, preiswert und sehr wirksam“, erklärt Anselm Lischka, Geschäftsführer der Firma Aluthermic. Dabei können die vorhandene Metallfassade bzw. die bestehenden Aluminiumfenster wahlweise von innen oder außen gedämmt werden.


Kondensatbildung bleibt nun aus
Das 2004 entwickelte System wurde unterdessen in etlichen Sanierungsprojekten erfolgreich umgesetzt, wie er sagt. Eines der ersten Projekte war ein Mehrfamilienhaus in Krefeld. 2008 wurden dort die Fenster und ein Erker saniert. „Aluthermic wählten wir vor allem aus Kostengründen“, berichtet Birgit Blix von der Hausverwaltung Matthias Schmitz in Viersen und ergänzt: „Anstatt die kompletten Fenster zu tauschen, wurden die alten Rahmenprofile thermisch gedämmt und gleichzeitig optisch aufgewertet. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden.“

In Heidelberg stand die Sanierung eines 2- bis 7-geschossigen Bürogebäudes aus dem Jahr 1972 an. Hier wurden an der Alufassade die Glasscheiben mit einem K-Wert von 1,0 W/m²K für rund 500.000 Euro ausgetauscht. „Doch danach gab es noch mehr Probleme mit Kondensatwasser auf den Aluprofilen“, berichtet Lischka. Schließlich konnte er Architekt Peter Heider überzeugen und dämmte 2011 die Aluminium-Fensterprofile nachträglich auf der Gebäudeinnenseite. Heider berichtet: „In den folgenden zwei Heizperioden stellten wir keine Kondensatbildung mehr fest. Bei einer Außentemperatur von -5 °C betrug die Oberflächentemperatur auf den Innenseiten der Profile 18,5 °C.“ Wäre die Fassade komplett erneuert worden, lägen die geschätzten Kosten bei rund 4,5 Mio. Euro. Außerdem hätten sämtliche Mieter das Gebäude temporär verlassen müssen. Die Sanierung mit Aluthermic kostete hingegen rund 350.000 Euro.
Ein weiterer Aspekt ist die Optik. Bürogebäude mit der damals nicht selten verbauten dunkelbraunen Fassade sind bei Mietern oft nicht beliebt. Die Kombination aus verbessertem Wärmeschutz sowie Wind- und Wasserdichtigkeit und zeitgemäßen Oberflächen verbessert die Vermietbarkeit. Lischka gibt einen ROI zwischen 6 und 10 Jahren an. Kürzere Amortisationszeiten von 5 bis 7 Jahren betreffen Gebäude mit Klimaanlagen, deren Energieeinsatz im Sommer u.a. von der Aufheizung der Aluprofile (> 60 °C) bestimmt wird. Die Lebensdauer des Sanierungssystems gibt Lischka mit 20 bis 30 Jahren an.

Jede Vorsatzschale wird individuell gefertigt
Die Aluthermic Vorsatzschale kann auf fast jedes bestehende Fenstersystem montiert werden, ist also herstellerunabhängig. Sie wird vor Ort ausgemessen und individuell passend hergestellt. Auch die Isolierung wird entsprechend zugeschnitten. Für die Herstellung der Aluminiumprofile konnte Lischka das Metallbauunternehmen Dipl.-Ing. Weber aus Hattersheim gewinnen. Inhaber und Geschäftsführer Manfred Götz hat jahrelang selbst größere Metallfassaden gebaut und einschlägige Erfahrungen gesammelt. Das Standardgeschäft im Fassadenbereich führt er zwar nicht mehr aus, hat sich aber u.a. als Zulieferer auf komplizierte und gebogene Fassadenteile spezialisiert. „Ich bin ein Verfechter von konstruktiven Lösungen, z.B. der Anpassung von Bauteilen an den Baukörper durch entsprechende Abkantungen, Aussteifungen oder geschweißte Konstruktionen. Von Silikon halte ich nicht viel. Das wird irgendwann unschön, porös und undicht“, sagt Götz. Und derartige Probleme hat er bei den Fassaden aus den 1970er-Jahren immer wieder beobachtet: Verputzte oder geflieste Brüstungen, Eckpfeiler und Attiken, die unterdessen Risse haben und Wasser aufsaugen, marode Silikondichtungen oder undichte und wärmetechnisch minderwertige Fenster- und Fassadenverkleidungen. Die Folge sind schwitzende Aluminiumrahmen, nasse Flecken und teilweise Schimmel im Innenbereich.
Götz fertigt für Aluthermic die Aluminiumprofile. Dazu werden in der Regel 3 mm starke Bleche auf Abkantpressen gebogen. Bis zu sechs Meter Bearbeitungslänge sind maximal möglich. Bei Bedarf werden Profile und Bleche geschweißt. Die Befestigungslöcher für die Spezialschrauben aus Edelstahl werden in einem definierten Abstand gelocht, die Senkungen senkgestanzt. So können die Senkschrauben absolut plan eingedreht werden. Ein Oberflächenveredler pulverbeschichtet oder eloxiert die Teile, auch die Schrauben. Das verhindert die sonst auftretende sichtbare Kontaktkorrosion. 70 % der selbstschneidenden Schrauben können vor Ort direkt in die vorhandenen Alurahmen eingeschraubt werden, bei 30 % muss man vorbohren.

Dämmen und Dichten in einem Arbeitsgang
Als Dämmmaterial wird ein geschlossenzelliger Polyethylenschaum (PE) verwendet, der nicht wassersaugend und hoch UV-beständig ist. Diese Eigenschaften sind wichtig, denn der Dämmschaum übernimmt gleichzeitig Dichtfunktionen. Der Fachverband Schaumkunststoffe und Polyurethane e.V. (FSK) beschreibt das Produkt mit geringem Raumgewicht, ausgezeichneter Witterungs- und Alterungsbeständigkeit, guter Schalldämmung und Wärmeisolierung sowie sehr guter Beständigkeit gegen handelsübliche Säuren, Laugen und sonstige Chemikalien.
Der PE-Schaum wird von der Firma Aluthermic hergerichtet, zugeschnitten und mit einem Spezialklebstoff in die Profile eingeklebt. Dazu wird der Dämmstoff in die Aluminium-Deckschale leicht eingepresst, mit einer gewissen Überlänge an den Enden schräg zugeschnitten und so eingebaut, dass er sich permanent an die Gegenstücke (zu dämmende Oberfläche) und mit dem Keil an den Putz der bestehenden Laibung andrückt. In den Randbereichen wird der Dämmstoff dadurch zum Dichtmaterial. Bei Fensterflügeln wird laut Aluthermic die Wasser- und Winddichtigkeit dadurch erreicht, dass der 30 mm starke Dämmstoff mittels Aluschale leicht auf die alte Flügelrahmenfläche flächig gedrückt wird. Die gesamte äußere Flügelrahmenfläche wird als neue Dichtebene genutzt. Lediglich die Wasserleisten und die Kappen für den Wasserablauf an den unteren Flügelschenkeln müssen entfernt werden. An diesen Stellen muss der PE-Schaumstoff eingefräst werden, damit das Wasser weiterhin zur Fensterbank ablaufen kann.
Im Mauerwerk verbleibt nicht nur der alte Rahmen, sondern auch die vorhandene Dämmung der Laibung. Es gibt weder innen noch außen Putzarbeiten. Die neue PE-Dämmung führt Lischka vom Glasrand bis zum Putz. Ältere Pfosten-Riegel-Konstruktionen, die noch Asbestmaterial im Brüstungsbereich aufweisen, können ebenso verbleiben, da das Asbest nicht angefasst wird. „Damit erübrigt sich auch eine eventuelle Asbest-entsorgung mit hohen Kosten“, sagt er.
Auch bei der Sanierung von Fassaden wird der Dämmschaum mit einem leichten Übermaß in die gekanteten neuen Deckbleche gedrückt, um sämtlichen temperaturbedingten Bewegungen folgen zu können, die die Wasserdichtigkeit des Fassadenelementes infrage stellen könnten. „Jeglichen Undichtigkeiten wird damit wirkungsvoll vorgebeugt“, erklärt Lischka. Auf diese Weise lassen sich Pfosten-Riegel-Konstruktionen sowie Brüstungen dämmen und gleichzeitig dichten. Diese Maßnahme macht vor allem dann Sinn, wenn alte Doppelscheiben-Verglasungen bereits getauscht wurden.

Kostengünstig revitalisiert
Der Metallbauunternehmer Manfred Götz traut dem Produkt von Aluthermic große Marktchancen zu, „vor allem wegen der unschlagbaren Einfachheit.“ Fassaden und Fenster können von außen bei laufendem Betrieb saniert werden. Die Lärmbelästigung ist minimal, es gibt keinen Schmutz im Gebäude. Möglich ist auch der gleichzeitige Einbau neuer Verbundscheiben oder der Austausch in die Jahre gekommener Beschläge. Den Beschlägen widmet Lischka besondere Aufmerksamkeit, bevor er ein Projekt in Angriff nimmt.
Eine Wartung der Beschläge wird dem Eigentümer bei entsprechendem Zustand empfohlen und ggf. durchgeführt. Ab einer Gleichzahl von 100 lassen sich Beschlagsteile auch relativ kostengünstig individuell herstellen. „Es gibt aber auch Systeme“, sagt Anselm Lischka, „da macht der Nachbau und Austausch einzelner Elemente keinen Sinn mehr. In diesen Fällen lohnt es sich auch für den Bauherrn nicht, die alten Fenster zu sanieren. Dann müssen neue Fenster rein.“ Ist dies machbar, ist die Komplettsanierung mit Aluthermic kostengünstiger als ein Komplettaustausch. „Angenommen, eine neue Fassade kostet pro Quadratmeter 1.000 Euro, dann kriegen wir das mit ca. 400 Euro hin“, rechnet Lischka vor. Und dabei hat er noch nicht den Mietausfall eingerechnet, der bei anderen Renovierungsmaßnahmen in der Regel entsteht. „Als Privatmann oder Firmeninhaber würde ich eine anstehende Renovierung jederzeit so machen“, sagt Götz. Nachteile sieht er keine bis auf die Tatsache, dass die neuen Profile auf die alten Rahmen und Elemente geschraubt werden. Für designlastige Projekte sind dadurch Grenzen gesetzt. Vor allem bei großen Flächen oder breiten Profilen sind Schrauben optisch störend, vor allem dann, wenn die Oberflächen besonders edel sind oder leicht spiegeln. „Denn jede Schraube muss ja auch halten, d.h. sie wird etwas angezogen und hinterlässt selbst bei größeren Materialdicken eine hauchzarte, aber leider wahrnehmbare Delle“, erläutert Götz und ergänzt: „Trotzdem würde ich Kleben ablehnen, weil der Isolierschaum unter einem gewissen Druck steht.“

Aluminium zu dämmen lohnt sich
Das Aluthermic System kann überall dort verwendet werden, wo eine nachträgliche Dämmung von thermisch nicht getrennten Aluminium-Hohlkammerprofilen notwendig ist. Das können Fassaden, Fenster, Erker, Wintergärten und alle kombinierten Glas-Alu-Konstruktionen im Fassadenbereich sein. Es gibt nichts Wirtschaftlicheres, sagt Lischka, „als thermisch nicht getrenntes Alu zu dämmen. Weil der U-Wert von Aluminium derart hoch ist und mit der Dämmung ein spürbarer Sprung um mehrere Größenordnungen gemacht wird.“
2010 hat er das Passivhaus Institut Dr. Feist in Darmstadt mit einem Bericht über die „Wärmebrückenberechnung zur Bewertung der Verbesserung der thermischen Eigenschaften eines Fensterrahmens durch gedämmte Aluminium-Vorsatzschalen“ beauftragt. Grundlage war ein thermisch nicht getrennter Fensterrahmen aus Einkammer-Aluminiumprofilen, dessen thermische Eigenschaften durch eine gedämmte Aluminium-Vorsatzschale verbessert werden soll. Der U-Wert des ungedämmten Rahmens beträgt laut Bericht Uf=6,4 W/m²K. Untersucht wurden zwei Sanierungsvarianten mit gedämmten Aluminium-Vorsatzschalen. Bei der Variante mit einer fast vollständigen Überdeckung der äußeren Fensterglas-Dichtung mit Dämmstoff konnte der Rahmen-U-Wert auf Uf=1,7 W/m²K verbessert werden. Diese Ausführung wird bei der Sanierung mit Aluthermic umgesetzt (siehe Profilskizze).

Der amerikanische Markt verspricht mehr
Auf die Frage, warum das Aluthermic System trotz der vielen Vorteile und der in etlichen großen und kleineren Projekten nachgewiesenen Praxistauglichkeit noch keine umfassende Marktdurchdringung erfahren hat, antwortet Lischka: „Dafür gibt es mehrere Gründe. In Deutschland haben wir bereits eine sehr hohe Sanierungsrate, sodass ältere nicht thermisch getrennte Aluminiumfassaden kein Kernthema mehr sind. Außerdem ist es für Architekten und Metallbauer einfacher, Altes durch Neues zu ersetzen.“
Götz ergänzt: „Es ist dieser Widerstand der Planer.“ Seiner Meinung nach ist die deutlich niedrigere Auftragssumme bei Verwendung von Aluthermic gegenüber einer neuen Fassade hinderlich. Denn die Honorare von Architekten und Planern richten sich nach dem Auftragsvolumen. Und öffentliche Auftraggeber, die durchaus einen großen Bedarf an energetischen Fassaden- und Fensterrenovierungen haben, äußern bei neuartigen Systemen oftmals Vorbehalte, auch wenn sie deutlich kostengünstiger sind. „Keiner möchte die Verantwortung für etwas Neues übernehmen.“
Tatsache ist, dass Lischka für sein System keine Zertifikate und Kennzeichnungen vorlegen kann. Er verwendet damit ein ungeregeltes Bauprodukt, was bei Reparaturen allerdings möglich ist. Hinderlich für mögliche Prüfungen sind nach seiner Aussage extrem hohe Prüfgebühren und ein völlig übertriebener Bürokratismus in der EU. Aber gerade öffentliche Auftraggeber verlangen Nachweise und Prüfungen zu den eingesetzten Bauprodukten. Einzig die Wärmebrückenberechnung vom Passivhaus Institut Dr. Feist liegt vor.
Für Lischka ist daher der amerikanische Markt in der Zukunft interessanter, „weil dort die energetische Situation der Gebäude 30 bis 40 Jahre nachhinkt. Gerade im Hochhausbereich wird bis heute thermisch nicht getrenntes Alu verbaut. Da sind Wassereinbruch, Luftundichtigkeiten mit der Folge von Kondensation und Schimmel ein alltägliches Problem“, sagt er. Für den amerikanischen Markt entwickelt er derzeit ein spezielles Sanierungsprofil, das er sich als wichtigen Eintrittsschein patentieren lassen will.

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