Absturzsicherung aus Glas

Um die Aussicht nicht durch Gitter zu versperren, werden für bodentiefe Fenster zunehmend Absturzsicherungen aus Glas eingesetzt. Glasabsturzsicherungen wurde bisher in der TRAV (Technischen Regel für absturzsichernde Verglasung) geregelt, inzwischen wurde sie in allen Bundesländern durch die DIN 18008-4 abgelöst. In beiden Vorschriften werden die Rahmenbedingungen für die Nachweise und den Einsatz der absturzsichernden Verglasung klar definiert.
Für Verglasungen sind immer die Standsicherheits- und Gebrauchstauglichkeitsnachweise zu führen. Bei absturzsicherenden Verglasungen ist zusätzlich der Nachweis der Tragfähigkeit bei stoßartiger Einwirkung zu führen. In der TRAV gilt dieser Nachweis bei Verwendung von Gläsern nach Tabelle 6.3.2 als erfüllt. Für Verglasungen außerhalb des Geltungsbereiches der Tabelle 2 ist nach TRAV ein Pendelschlagversuch erforderlich. Die DIN 18008-4 bietet nun zusätzlich die Möglichkeit des rechnerischen Nachweises der Tragfähigkeit bei stoßartiger Beanspruchung. Absturzsichernde Verglasungen, deren Tragfähigkeit bei stoßartiger Beanspruchung durch einen Pendelschlagversuch nachgewiesen wurden, bedürfen als Verwendbarkeitsnachweis ein allgemein bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP) - ausgestellt durch eine dafür anerkannte Prüfstelle.

Was hat es mit der Glaskante auf sich?
Immer wieder taucht in Fachgesprächen im Zusammenhang mit Absturzsicherung der Begriff der freien Glaskante auf. Dieser ist irreführend, da es „die freie Glaskante“ in Verbindung mit absturzsichernden Verglasungen nicht gibt. Hier empfiehlt es sich, in der derzeit aktuell gültigen und durch das DIBt freigegebenen Prüfgrundlage zu schauen. Die TRAV teilt den Bereich der absturzsichernden Verglasung in drei Kategorien ein.
Eine linienförmig gelagerte Vertikalverglasung im Sinne der TRLV (Technische Regeln für die Verwendung von linienförmig gelagerten Verglasungen) ohne Brüstungsriegel oder vorgesetzten Holm zur Aufnahme der Horizontallasten wird in die Kategorie A eingestuft. Für diese wird gefordert, dass die Kanten der Verglasung durch Lagerung bzw. durch direkt angrenzende Bauwerksteile sicher vor Stößen zu schützen sind. Allerdings gibt es in der TRAV keine Aussage darüber, wie eine solche Stoßsicherung aussehen muss bzw. wie diese geprüft wird.
Diese Forderungen wurden in der DIN 18008 umgesetzt. Auch hier gibt es die Forderung nach einem wirksamen Schutz der Glaskante. Grundsätzlich wurden hier die Anforderungen aus der TRAV übernommen. Neu ist, dass der Kantenschutz in der DIN 18008 - 4 Anhang F normativ geregelt ist. Bei Verwendung dieses Kantenschutzes entfällt eine zusätzliche Prüfung. Weicht man von dieser Norm ab, muss die Wirksamkeit des Kantenschutzes durch Bauteilversuche nachgewiesen werden. Dieses Prüfszenario wird in der DIN 18008-4 Anhang E beschrieben. Hier wird im Rahmen der Pendelschlagprüfung vor jedem Pendelschlagversuch der zu prüfende Kantenschutz mit einem harten Stoß belastet. Der Pendelschlag erfolgt mit Hilfe einer Stahlkugel, welche in den Kantenschutz eine Aufprallenergie von 20 Nm einträgt. Dabei werden zum einen die Kantenfläche und zum Anderen die Kantenecke mit dieser Stoßenergie belastet. Anschließend erfolgt der Nachweis der Stoßsicherheit nach Anhang A.

DIN 18008-4 noch keine Prüfgrundlage
Die Gegenüberstellung der TRAV und der neuen DIN 18008 zeigt, dass zu keinem Zeitpunkt eine freie Glaskante zulässig war. Sowohl die TRAV als auch die DIN 18008 sehen bei Verglasungen der Kategorie A einen stoßsicherenden Schutz der Glaskante vor. Neu ist, dass in der DIN 18008 sowohl die Form als auch die Prüfungen für den Kantenschutz definiert wurden. Dies schafft Planungssicherheit für alle Beteiligten.
Die Unterscheidung der absturzsichernden Verglasungen nach Kategorie C1 und A sorgt häufig für Unsicherheit. Hier ist die Verwechslungsgefahr sehr hoch.In der DIN 18008 Teil 4 sind beide Kategorien klar definiert. Von einer Kategorie A Verglasung spricht man von Verglasungen bei der kein tragender Brüstungsriegel bzw. vorgesetzter Holm die horizontalen Nutzlasten abträgt. Dieser Lastabtrag geschieht allein durch das Glas, für welches dann der statische Nachweis der Tragfähigkeit unter Holmlast und weitern Nutzlasten zu führen ist. Unter Punkt 5 trifft die DIN 18008-4 zudem klare Regeln für den stoßsichernden Schutz der Glaskanten. Ein solcher Stoßschutz ist erforderlich, wenn die Glaskante nicht gelagert bzw. nicht durch abgrenzende Bauwerksteile mit einem Abstand <30mm geschützt wird. Der Kantenschutz ist dauerhaft auf die freie Glaskante zu befestigen. Empfohlen wird hier das Aufkleben mit einem dauerelastischen Dichtstoff der Gruppe E nach DIN 18545-2.
Die untere Glaskante gilt als hinreichend geschützt, wenn angrenzende Bauwerksteile nicht weiter als 30 mm entfernt sind. Ist dieser Wert überschritten, ist auch diese Glaskante vor Stoß zu sichern. Die Wirksamkeit des eingesetzten Kantenschutzes ist versuchstechnisch nachzuweisen bzw. in den Dimensionen der DIN 18008 Teil 4 Anhang F auszuführen.
Bei einer Kategorie C1 Verglasung trägt nicht das Glas die horizontalen Nutzlasten, sondern ein tragender Brüstungsriegel. Für diesen Holm ist ein Nachweis der statischen Verkehrslasten zwingend notwendig. Der Standsicherheitsnachweis und der Nachweis der Holmlasten sind nicht Bestandteil eines Allgemein bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses für absturzsichernde Verglasung und sind gesondert zu führen.
In der TRAV existierte bereits die Forderung nach einen wirksamen Kantenschutz für eine Verglasung nach Kategorie A. Hier werden aber weder Prüfkriterien genannt noch eine konkrete Form beschrieben. Dies wurde in der DIN 18008-4 neu geregelt. Das neue Regelwerk ist bereits in allen Bundesländern eingeführt und wird dort auch angewandt. Als Prüfgrundlage für die Bauart der absturzsichernden Verglasungen nach Bauregelliste A Teil 3 lfd. Nr. 2.12 ist seitens des DIBt jedoch noch die TRAV vorgeschrieben. Daher ist es momentan nicht möglich ein allgemein bauaufsichtliches Prüfzeugnis der Kategorie A zu erarbeiten. Dies kann erst mit Einführung der DIN 18008-4 als Prüfgrundlage seitens des DIBt erfolgen.
Zurzeit ist die Verwendung absturzsichernder Verglasung nach Kategorie A nur mit einer Zustimmung im Einzelfall möglich. Eine geprüfte Alternative ist die Verwendung einer absturzsichernden Verglasung nach Kategorie C1. Für diese Bauart gibt es nach wie vor gültige Prüfzeugnisse.
Absturzsicherende Verglasungen deren Tragfähigkeit bei stoßartiger Beanspruchung experimentell nachgewiesen wurden, sind je nach Art der Herstellung Bauprodukte oder Bauarten. Wird die absturzsichernde Verglasung komplett im Werk vorgefertigt, z. B. Fertigteilbalkone, so ist dies ein Bauprodukt nach BRL A, Teil 2 lfd. Nr. 2.4.3. Wird die absturzsicherende Verglasung auf der Baustelle montiert, ggf. durch Fremdfirmen, so ist die eine Bauart nach BRL A, Teil 3 lfd. Nr. 2.12. Für beide ist ein Übereinstimmungsnachweis erforderlich. Für das Bauprodukt der vorgefertigten absturzsichernde Verglasung erfolgt  die Übereinstimmungserklärung durch den Hersteller (Ü-Zeichen). Für die Bauart der absturzsichernden Verglasung erklärt der Anwender, (in der Regel die ausführende Firma) durch eine Übereinstimmungserklärung, dass das Produkt entsprechend dem AbP angewendet wurde. Diese Übereinstimmungserklärung erfolgt in Schriftform und ist dem Bauherrn auszuhändigen. red


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