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Astronomie Besucherzentrum Garching

Planetarium in parametrischer Hülle

Im Astronomie Besucherzentrum ESO Supernova in Garching befindet sich das größte 360° Planetarium Deutschlands. Die Gebäudehülle und das Sternendach hat das Unternehmen Frener & Reifer in Brixen geplant, gefertigt und ausgeführt.

Das astronomische Besucherzentrum ESO Supernova befindet sich auf dem Gelände der Europäischen Südsternwarte in Garching bei München. Die Realisierung des Baus wurde u.a. durch eine Schenkung der Klaus Tschira Stiftung möglich. Dieser ist es ein Anliegen, das Universum der Öffentlichkeit näher zu bringen, es erlebbarer und spürbarer zu machen. Sowohl inhaltlich als auch architektonisch soll das Gebäude den astronomischen Bezug widerspiegeln.
Dafür entwickelte das Architekturbüro Bernhardt + Partner ein markantes Design, bestehend aus zwei Gebäudeteilen, die der Explosion einer Supernova nachempfunden worden ist, bei der Masse von einem Stern auf einen anderen übertragen wird.

Frei geformte Gebäudehülle
Die geschwungene, geometrisch komplexe Fassadenform von ESO Supernova war technisch sehr anspruchsvoll. Nicht nur die Realisierung der teilweise dreisinnig gekrümmten Aluminium-Blech-Außenfassade, sondern auch die Entwicklung der facettierten Glas-Fassaden war schwierig. Sie bestehen aus 213 Scheiben, die jeweils in unterschiedlichen Winkeln aufeinandertreffen. Die Gebäudehülle wurde vollständig parametrisch geplant.


Für die 3.200 m2 große vorgehängte, hinterlüftete, frei geformte Systemfassade wurden rund 1.400 Aluminiumbleche, die mit einem quarzgrauen, fein strukturierten, hochwetterfesten Pulverlack beschichtet sind, aneinandergefügt. Jedes der zweisinnig zum Teil auch dreisinnig gekrümmten Bleche ist ein Unikat.
Zur Befestigung der Bleche mussten ca. 9.000 wärmetechnisch optimierte Halterungen aus Aluminium auf die darunterliegende Betonverschalung geschraubt werden. An die Halterungen konnte dann eine vertikale Blech-Unterkonstruktion befestigt werden, in welche die 4 mm starken Bleche eingehängt werden konnten.

Die frei geformte Konstruktionsart der Gebäudehülle, bei der alle Teile unterschiedlich sind, eignete sich bestens dafür, parametrisch geplant zu werden. Ein Rhino 3D Modell vom Architekten bildete die Basis für die geometrischen Daten, die von Frener & Reifer in die 3D Software (SolidWorks) integriert wurden. Durch den parametrischen Planungsprozess, waren viele Grundlagen bereits vorhanden. Sowohl die Biegung, als auch die Schnittkontur der Bleche (Blechabwicklung) konnten aus dem parametrischen Modell abgeleitet und an ein Bearbeitungszentrum übermittelt werden. Dort wurden die Bleche in einem einzigen Fertigungsprozess, der eigens für dieses Bauvorhaben entwickelt worden war, vollautomatisch hergestellt.     

Neben der Aluminium-Blechfassade waren auch die Planung und Realisierung der Glasfassaden eine Herausforderung. Sowohl bei den 550 m2 großen Foyer Fassaden als auch bei den 12 Stahl-Pfosten-Riegel „Splitterfassaden“ trifft jede einzelne Scheibe in einem anderen Winkel auf die nächste. So mussten alle Scheiben, Pfosten und Riegel, sowie deren Anschlüsse individuell geplant, gefertigt und montiert werden. Auch hier kam der parametrische Planungsprozess zur Anwendung. Um den ZIE (Zustimmung im Einzelfall) Nachweis für die Scheiben erbringen zu können, wurden Testmuster erstellt. An den Mustern wurde die Fassadenlast, Luftdurchlässigkeit, Schlagregendichtigkeit und die Widerstandsfähigkeit gegen die Windlast im Einzelfall genauestens geprüft.

Sternendach aus Stahlträgern
Zu einer weiteren Herausforderung bei diesem Bauwerk gehörte die technische Entwicklung, Konstruktion und Fertigung der verglasten Dachkuppel. Es handelt sich um eine 22 t schwere Stahlkonstruktion mit einem Durchmesser von 17 m, die von einem vorgespannten Randträger aus hochlegiertem Stahl zusammengehalten wird. Sie hat 138 Knotenpunkte, die mit LED Lichtern versehen sind, damit die Sternenbilder des südlichen Himmels dargestellt werden können.

Die 233 m2 große Stahlstruktur inklusive des eigens entwickelten Dichtungssystems, das auf die Stahlträger aufgeschraubt worden ist, wurde in einem Stück in der Produktionshalle der Schlosserei von Frener & Reifer in Brixen vorgefertigt. Für den Transport musste die Konstruktion in mehrere Baugruppen zerteilt und in Garching am Boden erneut zusammengesetzt werden. Um die Dachkonstruktion in einem Hub präzise in die richtige Position auf das  Dach heben zu können, wurde die Drehung des Mobilkrans vorab genau berechnet und die Ausrichtung des Daches bereits bei der Montage am Boden exakt festgelegt.

Nach dem erfolgreichen Dachhub der Stahlstruktur wurden die 263 unterschiedlichen dreieckigen Isoliergläser an das Stahltragwerk montiert und mit Alu-Halterungen punktuell befestigt. Die Fugen zwischen den Gläsern wurden mit einem speziellen Silikon abgedichtet. Um vollständige Sicherheit vor möglichen Wassereinbrüchen zu gewährleisten, wurde oberhalb der T-Stahlstruktur im Bereich der Fugen noch eine sekundäre Entwässerungsrinne aus Edelstahl angebracht. Durch das Gewicht der 8 t schweren Gläser musste die Unterkonstruktion 50 mm überhöht konstruiert werden.

Für dieses außergewöhnliche Projekt wurden insgesamt ca. 1.000 Tonnen Stahl und 5.000 Kubikmeter Beton verbaut.

www.supernova.eso.org

www.frener-reifer.com

zum Clip über das Objekt


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