Digitales Berichtsheft

App für Azubis & Ausbilder

Viele Metallbaubetriebe sind noch nicht in der digitalen Welt angekommen. Kalkuliert und bestellt wird mit Excel-Tabellen, der PC läuft mit dem Betriebssystem, das der Chef mit Firmengründung installiert hat ... Das Einzige, das Neuzeit und Highspeed-Digital verspricht, ist nicht selten das Smartphone des Azubis.

Ok, das Bild ist etwas überzeichnet. Doch viele Firmen hängen in analogen Strukturen fest. Zu viel, zu teuer, zu unübersichtlich und zu anstrengend – digitale Helfer werden von altgedienten Meistern oft noch abgelehnt. Sie bevorzugen stattdessen das gute Alte, das immer funktioniert hat und das sie, falls nötig, eigenhändig reparieren können.

Was das Berichtsheft des Auszubildenden betrifft, ist diese Haltung überholt. Das findet zumindest der Bundesverband Metall aus Essen, der eine App entwickelt hat, die Azubis und Ausbilder beim Führen und Prüfen des Berichtshefts unterstützt. Dahinter steckt eine Software, die Lehrlingen bei der Rechtschreibung hilft oder einen Soll-Ist-Abgleich über online verfügbare Rahmenlehrpläne durchführt.

2019 hat Christian Krause, der Berufsbildungsreferent des Verbands, eine ähnliche Berichtsheft-App im Friseurhandwerk gesehen: „Die schnelle und einfache Handhabung überzeugte uns.“ Binnen kurzer Zeit wurde das Hilfsprogramm auf die Bedürfnisse und Spezifikationen des Metallbaus umprogrammiert und die Metaller-App ging 2020 online.

Der Start ist jedoch schleppend. Die Pandemie bremst die Einführung. Und manch älterer Meister sieht das technische Helferlein skeptisch. Verbreitet ist die Ansicht „Geschrieben wird mit der Hand“. Sabine Schönemann, eine Sprecherin des BVM, erkennt: „Die App ist zwar durchdacht, aber in der Praxis war vieles in den Betrieben nicht umsetzbar.“ Durch drei Evaluierungen mithilfe der Anwender wird das Softwareprogramm verbessert und Features angepasst.

13.000 potenzielle App-Nutzer

Derzeit sind bundesweit rund 13.000 Azubis im Metallhandwerk tätig. Diese verteilen sich auf etwa 3.000 Betriebe und sind damit potenzielle Kunden. „Die App ist schlank gehalten“, verdeutlicht Krause, sodass tägliche Notizen einfach möglich sind. Geschieht dies nicht, erinnern automatische Push-Nachrichten die Azubis nach spätestens zwei Wochen Abstinenz daran, das Programm zu öffnen und Einträge nachzuholen. Eine Speech-to-Text-Funktion erleichtert das Einpflegen. Die üblichen Ausreden, das Berichtsheft sei verloren gegangen oder „Seiten wurden vom Hund gefressen“, fallen dank der digitalen Version weg. Referent Krause lacht: „Sein Handy vergisst und verliert so schnell keiner!“

Die orts- und zeitunabhängige Bearbeitung via App erleichtert zudem den Ausbildern die Nachweiskontrolle. Parallel kann am Handy, Laptop oder PC gearbeitet werden. Lehrlinge können Fachberichte mit Fotos oder Zeichnungen auf die App laden. Sogar ÜBL-Scheine sind per Klick hinzufügbar. Bei so viel Einfachheit, wünscht sich Krause mehr digitalen Zuwachs. „Wir sehen nach unserer Umfrage, wie gut die App bei den Testern ankommt. Knapp 90 Prozent sind mit ‚sehr gut‘ oder ‚gut‘ begeistert“, betont er.

Test bei Metallbau Akin

So auch beim Metallbaubetrieb Akin aus Neuwied-Block. Seit einem guten Dreivierteljahr testet der Betrieb mit zwei seiner Auszubildenden die Berichtsheft-App des Bundesverbands in Kooperation mit der örtlichen Berufsschule. „Die App soll Licht ins Grau des Berichtsheft-Dschungels bringen“, sagt Ausbilder Florian Wirges. Oft wurden die Hefte der Lehrlinge unvollständig geführt, waren verdreckt oder wurden vergessen – manche verschwanden im Altpapier. Mit der App sei all dies nicht mehr möglich und die Führung des Hefts sei effizienter geworden, so das Fazit des Ausbildungsleiters. Ist etwa ein Lehrstück fertig, lassen sich Bericht samt Foto via Datentransfer in Echtzeit hochladen. Der Ausbilder sieht die Arbeit sofort, kann sie inspizieren und Verbesserungen vorschlagen oder Notizen online anheften. Meister und Lehrling besprechen sich zeitnah, mobil, nachvollziehbar und im Sinne des Lernerfolgs effizient.

Was sagen Azubi & Ausbilder

Akin-Azubi Diego Mahteus findet die App besser als die bisherige Zettelwirtschaft. „Wir jungen Leute sind immer mit dem Handy unterwegs“, sagt der 20-Jährige. Der angehende Metallbauer im zweiten Lehrjahr macht sich täglich Notizen in die App, um diese samstags zusammenzufassen, zu einem oder mehreren Berichten. Und noch einen Vorteil hat Mahteus ausgemacht: In die App lassen sich die Berufsschultage eintragen. Somit weiß der Meister auf einen Blick, wann und warum seine Azubis abwesend sind. Das sieht auch Wirges so, der in Summe sechs Azubis betreut. Während seiner eigenen Ausbildung lernte der heute 35-Jährige seine zwei Kollegen und zukünftigen Chefs kennen, die den Betrieb 2014 gründeten. Der Metallbaumeister weiß zu gut, wie anspruchsvoll die Ausbildung inzwischen ist und wie schnell das Berichtsheft zum Zankapfel wird. „Das Digitale wird immer wichtiger, die Jugend von heute legt das Handy kaum aus der Hand – das wollen wir uns zunutze machen“, sagt er.

Big brother ...

Nachdem es immer wieder zu den genannten Problemen mit den Berichtsheften kam, beschloss der Metallbaubetrieb, den Azubis die Kosten dafür nicht mehr zu erstatten. „Es geht uns nicht um die 100 Euro pro Jahr, sondern um den Lerneffekt, wenn die Azubis das Geld selbst berappen müssen“, verdeutlicht Wirges. Seither achten sie mehr auf den betrieblichen Nachweis. Vor allem kann die Test-App aber nicht mehr im Altpapier verschwinden. „Ich habe einen Zeitnachweis, wann und wie lange der Auszubildende in der App online ist! So kann ich viel schneller reagieren und, wenn nötig, eingreifen“, betont Wirges.

Einfaches Handling

Die App einzurichten ist einfach. Das bescheinigen alle der knapp 130 befragten Tester-Azubis während der BVM-Evaluation. 90 Prozent nutzen ihr Mobiltelefon, um Einträge zu erstellen. Dazu gehen sie entweder übers betriebliche WLAN oder ihr eigenes Datenvolumen ins Programm. Durch das positive Feedback seiner Lehrlinge ist Wirges zusätzlich bestärkt, nach und nach auf das digitale Format umzusteigen. „In den zurückliegenden Jahren wurde es immer schwieriger, Azubis zu gewinnen und zu halten“, sagt er. Mit neuer Technologie und digitalem Know-how werde das Unternehmen für junge Anwärter wieder attraktiver, hofft der Ausbilder.

Kosten der App

Da die Ausbildungszeit für das Metallhandwerk bis zu dreieinhalb Jahre dauert, bietet der Verband unterschiedliche App-Laufzeiten. Die Softwarehilfe kostet 42 Euro im Jahr pro Azubi. Innungsmitglieder bezahlen 35 Euro. Sogar eine halbjährige Nutzungsdauer ist buchbar.  Bisher verbreitet sich die App vor allem durch Empfehlungen. Metallbauer, die lieber analog unterwegs sind, lernen die App über Kollegen kennen, die digitalaffin sind. „Wenn in Betrieben die ersten Azubis die App testen, nutzen sie bald alle Lehrlinge“, weiß Marketing-Expertin Schönemann und weist darauf hin, dass Betriebe mit einem Code (Sommer2023) aktuell die Kosten für das erste Lehrjahr sparen können.

Fazit

400 Betriebe bzw. 800 Azubis nutzen das digitale Berichtsheft bereits – Tendenz steigend. Zumal die App auch für weitere Ausbildungsberufe geeignet ist: Technische Systemplaner/in, Elektroniker/in, Mechatroniker/in, Fachkräfte für Lagerlogistik, Industriemechaniker/in, Klempner/in und Kaufleute für Büromanagement können sie auch nutzen.

www.metallausbildung.info

www.akin-metallbau.de

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