Interview

Benjamin Krick, Passivhaus Institut

„Der herkömmliche Randverbund verliert Wärme.“

Dr.-Ing. Benjamin Krick leitet beim Passivhaus Institut Dr. Feist in Darmstadt die Abteilung Komponenten-Zertifizierung. Im Interview mit Dipl.-Ing. Ulrike Hensel erläutert er, warum das kleine Bauteil Abstandhalter derzeit im Fokus steht und welche Möglichkeiten verbesserte Abstandhalter eröffnen.

metallbau: Abstandhalter in Wärmeschutzverglasungen erhalten derzeit alle Aufmerksamkeit. Warum?

Dr. Benjamin Krick: Diese verhältnismäßig unauffälligen Bauteile sorgen dafür, dass die Scheiben in einer Wärmeschutzverglasung auf Abstand bleiben und ihre Gasfüllung das Scheibenleben lang halten können. Aber sie sind meist die thermisch schwächsten Bauteile des gesamten Gebäudes. Das heißt, über sie geht viel Wärme verloren und an der Innenseite wird es am Glasrand so kalt, dass Schimmel und Kondensat drohen — jeder kennt das. Mit neuen Abstandhaltern aus Kunststoff gehören diese Probleme der Vergangenheit an.


metallbau: Das Passivhaus Institut hat 2017 das Energieeinsparpotential von Abstandhaltern untersucht. Das Bauteil Swisspacer Ultimate bekommt in der Studie Bestnoten. Bitte erläutern Sie das.

Krick: Das ist richtig. Wobei der untersuchte Swisspacer Ultimate stellvertretend für eine neue Generation von Abstandhaltern steht, die inzwischen jeder namenhafte Hersteller im Portfolio hat. Diese neuen Abstandhalter bestehen nicht mehr aus hoch wärmeleitendem Aluminium oder Edelstahl, sondern aus einem faserverstärkten Kunststoff. Damit das Gas aus dem Scheibenzwischenraum nicht austreten kann — dann würde die Dämmwirkung der Gläser nachlassen — wird eine Folie eingebaut, die mit Glas oder Metall bedampft ist, wie bei einer Chipstüte.


metallbau: Welche Ug-Werte werden mit Swisspacer erreicht?

Krick: Der Glas-U-Wert Ug in W/(m²K) ist unabhängig vom gewählten Abstandhalter. Der Abstandhalter hat einen wesentlichen Einfluss auf die Wärmebrücke am Glasrand, die auch von der Rahmenkonstruktion und vom Aufbau des gewählten Glases abhängig ist. Für eine gute 3-fach-Verglasung in einem Holz-Aluminium-Rahmen kann sich beispielsweise ein Ψg-Wert von 0,028 W/(mK) ergeben. Im Vergleich dazu verliert ein Abstandhalter aus Edelstahl etwa die doppelte, einer aus Aluminium die vierfache Menge Wärme.


metallbau: Wieviel kostet ein energieeffizienter Abstandhalter mehr und welche Energiekosten werden tatsächlich gespart?

Krick: Die zusätzlichen Kosten liegen bei wenigen dutzend Cent pro Laufmeter Glasrand. Für ein Beispielgebäude in Frankfurt haben wir Energiekosteneinsparungen von über 20 Euro im Vergleich zu einem Aluminium-Abstandhalter und über 6 Euro im Vergleich zu einem Edelstahl-Abstandhalter für den Nutzungszeitraum von 40 Jahren ermittelt.


metallbau: Welche Vorteile ergeben sich noch für den Bauherrn?

Krick: Die höheren Temperaturen am Glasrand helfen, Kondensat und Schimmel zu vermeiden. Außerdem verringert ein deutlich niedrigerer Energiebedarf die CO2-Emissionen. Und Einsparungen an dieser Stelle bedeuten mehr Freiheiten an anderer. So können beispielsweise die Fenster größer gewählt oder die Dämmung reduziert werden.


metallbau: Um Tauwasser und Schimmelbildung zu vermeiden, müssen alle Elemente einer Gebäudehülle bauphysikalisch eine Einheit bilden. Ist es denn im Renovierungsfall sinnvoll, Fenster mit besseren Abstandhaltern zu verbauen?

Krick: Ja, absolut. Das gilt im Übrigen ganz generell: Thermisch verbesserte Bauteile führen, richtig angewendet und im System mit Gebäudetechnik und Lüftung gedacht, stets zu einer Reduktion des Schimmelrisikos und zu einer Steigerung der Behaglichkeit.

metallbau: Was halten Sie davon, über Abstandhalter Fenster von innen zu beleuchten? Was könnte Ihrer Ansicht nach noch verbessert werden?

Krick: Beleuchtung von Abstandhaltern ist eine nette Idee. Wichtig ist aber, dass die verbesserten Abstandhalter ganz erheblich zum leistbaren und komfortablen Wohnen beitragen. Eine spannende Entwicklung ist z.B. ein Abstandhalter, in den eine dritte Scheibe in die Mitte ohne Verklebung und Verbindung nach außen eingestellt wird. Inzwischen ist nicht mehr der Abstandhalter selbst die Schwachstelle des Randverbundes, sondern die sogenannte Sekundärdichtung, eine zusätzliche Verklebung. Eine Reduktion der Wärmeleitfähigkeit dieses Stoffes wäre eine willkommene weitere Verbesserung.

Info & Kontakte


Passivhaus Institut Dr. Wolfgang Feist
Rheinstr. 44/46
64283 Darmstadt
Tel. 06151 82699 0

www.passiv.de

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