„Der Titel verschafft Gehör!“

Im Gespräch mit Yvonne Simon – Unternehmerfrau 2014

metallbau: Was hat Sie als Unternehmerfrau des Jahres 2014 am meisten beeindruckt?

Yvonne Simon: Es ist interessant, welche Chancen sich mit dem Titel „Unternehmerfrau des Jahres“ ergeben. Man findet plötzlich für Anliegen Gehör, die sonst nicht ernst genommen worden wären.

metallbau: Ist das nicht auch frustrierend?

Simon: Meine Einstellung ist, dass es immer um die Person als solche geht, aber ich war froh, dass ich dank des Titels in einigen hochkarätigen Runden von meinen Erfahrungen als Unternehmerin berichten konnte. Zum Glück gibt es so einen Titel, und plötzlich haben dieselben Informationen einen anderen Stellenwert. Ich habe versucht, das verstärkte Gehör bestmöglich zu nutzen, und unsere Anliegen mit Politikern und Verbandsfunktionären besprochen.

metallbau: Worum ging es Ihnen denn in politischer Hinsicht?

Simon: Meine Schwiegermutter hat sich in Sachen Mindestlohn in einem Brief an Arbeitsministerin Andrea Nahles und die Bundestagsabgeordnete Birgit Kömpel (beide SPD) gewandt und Frau Kömpel eingeladen, unseren Betrieb zu besuchen. Im Juni kam Frau Kömpel und hat mit uns über das Mindestlohngesetz diskutiert. Wir konnten ihr am PC zeigen, wie viel Verwaltungsaufwand sich derzeit damit verbindet. Das war ihr so nicht klar. Ohne unsere Auszeichnungen hätte es diesen Besuch in Tann-Günthers sicher nicht gegeben.

metallbau: Was waren das für Termine, zu denen Sie eingeladen wurden?

Simon: Beispielsweise die ZWH Bildungskonferenz in Berlin (s. Foto), dabei handelt es sich um den größten Branchentreff für Bildungsverantwortliche im Handwerk. Oder auch das Podium beim Unternehmerinnentag in Frankfurt mit Prof. Dr. Birgitta Wolff, und die Ladies Lounge der HWK Stuttgart war mit Unternehmerprominenz wie Dr. Antje von Dewitz vom Outdoorausrüster Vaude besetzt.

metallbau: Wie haben Sie das erlebt, raus aus dem Metallbaubetrieb aufs öffentliche Podium?

Simon: Das Selbstbewusstsein wächst, weil das, was man sagt, ernst genommen wird. Ich habe interessante Leute kennengelernt und unser Netzwerk erweitert. Es hilft weiter, wenn wir wissen, wen wir anrufen können und wer uns zuhört, wenn wir ein konkretes unternehmerisches Anliegen haben. Natürlich ist der Unterschied, wie die Leute einen als Unternehmerfrau des Jahres behandeln, im Vergleich zu meinen Aufgaben als Geschäftsführerin und Mutter zweier Kinder ziemlich kontrastreich. In den Hotels und bei den Veranstaltungen wurde ich wie ein Promi behandelt — Zuhause schaue ich nach Wäsche und Kinder. Die Vielfalt macht Spaß.

metallbau: Wie ist es Ihnen in den Gesprächen ergangen, umringt von so viel Kompetenz?

Simon:  Jeder ist ein Profi in seinem Fachgebiet. Auch ich bin Profi in meinem Bereich. Es hat mich sehr gefreut, dass ich ihnen was erzählen konnte, was für sie offensichtlich neu war.

metallbau: Zum Beispiel?

Simon: Zum Beispiel von unseren Erfahrungen mit Flüchtlingen. Wir hatten zwei Praktikanten aus Syrien. Der eine kam nach zwei Tagen einfach nicht mehr. Wahrscheinlich hatte ein Mitarbeiter ihm eine falsche Frage gestellt. Der zweite hat drei Wochen im Betrieb mitgeholfen, wollte aber am Freitag immer frei haben. Er ist Muslim und fühlte sich vom Glauben her verpflichtet, am Freitag in die Moschee zu gehen. Einem Praktikanten können wir das genehmigen, anstellen können wir so einen Mitarbeiter nicht. Die Experten auf dem Podium hatten solche praktischen Probleme bei der Integration von Flüchtlingen gar nicht auf dem Schirm. Auch die Gleichstellung von Frau und Mann in unserer Kultur ist für viele Flüchtlinge nicht selbstverständlich. Es war für den Praktikanten seltsam, mich als weiblichen Boss zu akzeptieren.

metallbau: Welche Unterstützung würden Sie sich für die Integration wünschen?

Simon: Sprachliche Probleme machen uns vor allem bei Sicherheitseinweisungen zu schaffen. Was ist, wenn diese Regeln nicht verstanden werden und ein Betriebsunfall passiert? Da sind wir doch in der Verantwortung. Und dann geht es mit der beruflichen Integration doch auch um das Private, das können wir als Unternehmen nicht leisten, dafür brauchen wir von anderen Stellen Hilfe.

metallbau: Wenn Sie auf dem Podium von Ihrem Betrieb erzählt haben, was war für die Zuhörer neu?

Simon: Viele wissen noch nicht, wie digitalisiert das Handwerk arbeitet und wie schnell wir reagieren. Beispielsweise unser Mailkontakt zu Kunden und Lieferanten. Der Austausch hat sich um ein Vielfaches beschleunigt. Viele kannten auch die Möglichkeiten der 3-D-Visualisierung nicht, beispielsweise wenn ein Kunde vorab wissen möchte, wie eine geplante Geländerkonstruktion des Balkons zu seinem Haus passt.

metallbau: Haben sich mit dem Titel auch Änderungen für den Betrieb ergeben? Zusätzliche Aufträge etwa?

Simon: Das lässt sich leider nicht zählen, aber ich meine schon, dass dies die Auftragslage positiv beeinflusst hat. Der Betrieb war im Jahr 2015 wesentlich öfter in der Presse präsent und ein höherer Bekanntheitsgrad ist natürlich immer für die Akquise förderlich. Eine konkrete Verbesserung lässt sich beim Employer Branding feststellen.  Wir sind als Arbeitgeber interessanter geworden, unsere Bewerber sind qualifizierter und haben richtig Lust am Beruf, sie wollen mit uns gemeinsam etwas bewegen.

metallbau: Wie geht es für Sie dieses Jahr weiter, wollen Sie den Ball in der Öffentlichkeit weiterspielen?

Simon: Mein Mann und ich werden den Fokus nach innen richten. Meine Schwiegereltern verabschieden sich langsam aus dem Betrieb in die Rente, das wird einen gehörigen Teil meiner Energie binden.

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