„Die Forschung sucht nach Lösungen“

Im Gespräch mit Architekt Guido Hagel

Der Umgang mit Wärmebrücken an vorgehängten, hinterlüfteten Fassaden ist in der Praxis noch immer mit vielen Fragezeichen versehen. Seitens der Architekten, Planer und der Bauindustrie wird nach optimalen Lösungen geforscht. Unsere Autorin Dipl.-Ing. Melanie Seifert hat den Architekten Guido Hagel aus dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zu diesem Thema gesprochen. Seiner Ansicht nach wird wärmebrückenfreies Konstruieren und Bauen zur Pflicht.

metallbau: Warum sind Wärmebrücken in aller Munde?

Guido Hagel: Wärmebrückenfreies Konstruieren lautet die Zauberformel für ein zeitgemäßes Gebäude. Leider gibt es noch immer zahlreiche Planer und Handwerker, die glauben, es hierbei nicht allzu genau nehmen zu müssen – mit fatalen Folgen. Gebäude werden heute in der Planung energetisch sehr fein bilanziert. Daraus leitet sich u.a. die technische Ausstattung bspw. die Dimensionierung der Heizungsanlage ab. Die Fassade spielt dabei als eine große wärmeübertragende Fläche eines Hauses eine große Rolle. Eine Schwächung der wärmetechnischen Eigenschaften der Fassade durch Wärmebrücken kann die energetische Planung eines Hauses zunichtemachen. Dem Fassadenbauer muss vor diesem Hintergrund klar sein, dass jeder Eingriff in die Dämmung ein Problem darstellt, das man sich beim Bauen schlichtweg nicht mehr leisten kann.

metallbau: Was aber sind Wärmebrücken und wie lassen sie sich vermeiden?

Hagel: Unter dem Begriff „Wärmebrücke“ versteht man Bereiche der Gebäudehülle bzw. in der Fassade mit signifikant verändertem Wärmedurchgang. Wärmebrücken sind in der Regel Schwachstellen, die zu einem höheren Energieverbrauch führen und auch die Entstehung von Schimmelpilzschäden fördern können. Im Fassadenbau haben wir es überwiegend mit konstruktionsbedingten Wärmebrücken zu tun. Diese ergeben sich durch Inhomogenitäten innerhalb der Bauteile, speziell durch den Einbau von Materialien mit erhöhter Wärmeleitfähigkeit oder aufgrund von Durchdringungen. Typische Beispiele sind die Wärmedämmung durchstoßende Konsolen und Halter für die Tragkonstruktion von Fassadenelementen. Diese Bauteile, die häufig aus Stahl oder Aluminium bestehen, haben eine sehr hohe Wärmeleitfähigkeit. Stahl, zum Beispiel, leitet Wärme 400 Mal besser als Holz und Aluminium wiederum dreimal besser als Stahl. Stellen Sie sich einen mit Wasser gefüllten Kunststoffbeutel vor und durchstechen Sie gedanklich diesen Beutel mit vielen Nadelstichen. So wie dieser durchstoßene Beutel das Wasser verliert, so verliert ein Gebäude über Wärmebrücken die Wärmeenergie.

metallbau: Was heißt dies konkret für den Fassadenbau?

Hagel: Die energetische Qualität einer Außenwand bzw. einer Fassade wird durch den sogenannten U-Wert bestimmt. Je höher der U-Wert, umso schlechter kann das Bauteil die Wärme im Gebäude halten. Dazu ein Beispiel: eine 1 m² große Wand, die mit 20 cm eines guten Dämmstoffs ausgestattet ist, weist einen U-Wert von 0,15 W/m²K auf. Wird diese Dämmebene nun mit vier 80 mm hohen Tragkonsolen aus Aluminium mit 5 mm Thermostop durchstoßen, verschlechtert sich der U-Wert der Wand auf 0,33 W/m²K. Das bedeutet, die Wärmeverluste der Wand verdoppeln sich. Dieser Verlust über die Wärmebrücken gegenüber der ungestörten Dämmschicht kann auch über eine erheblich stärkere Dämmschicht nicht mehr ausglichen werden.

metallbau: Gibt es neue, bessere Materialien als früher?

Hagel: Im Fassadenbau lassen sich Durchdringungen in der Dämmebene nicht vermeiden. Es ist daher wichtig, dass hier Materialien zum Einsatz kommen, die eine geringe Wärmeleitfähigkeit aufweisen. Metalle haben – wenn man konsequent sein will – in der Dämmebene nichts verloren. Die Bauindustrie ist sich dieser Problematik sehr bewusst. Und viele Forschungseinrichtungen suchen nach Alternativen, um Fassaden wärmebrückenfrei herstellen zu können. Seit geraumer Zeit werden für solche Fälle Tragelemente aus GFK eingesetzt. GFK steht für glasfaserverstärkten Kunststoff. Sie erfüllen zum einen die statischen Eigenschaften und haben gleichzeitig eine geringe Wärmeleitfähigkeit, sodass sie für solche Befestigungen optimal sind. Glasfaserverstärkte Kunststoffe weisen nur einen Bruchteil der Wärmeleitfähigkeit von Stahl auf und sind wärmetechnisch am ehesten mit Holz vergleichbar. Es gibt inzwischen GFK-Konsolen die Metallteile der Fassadenunterkonstruktion mit dem Mauerwerk verbinden und zeitgleich den Verbund thermisch unterbrechen. Diese thermische Trennung ist wichtig, um Wärmebrücken zu vermeiden.

metallbau: Was wird diesbezüglich die Zukunft bringen?

Hagel: Der energetische Standard der Gebäude wird sich weiter verbessern. Inzwischen gibt es erste Plusenergiegebäude, also Häuser, die mehr Energie herstellen als Sie verbrauchen.

Von den Planern wird zukünftig verlangt, Wärmebrücken genau zu berechnen und in der Energiebilanz eines Gebäudes zu berücksichtigen. Das hat natürlich auch Folgen für die Anforderung an eine moderne Fassade. Das wärmebrückenfreie Konstruieren und Bauen wird vor diesem Hintergrund somit Pflicht, die Anforderungen verschärfen sich zunehmend. Von daher kann ich mir nur wünschen, dass all unsere Erkenntnisse bezüglich des energieeffizienten Bauens auch in der Praxis eine Selbstverständlichkeit werden.

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