Interview - nur online

Digitalisierung, 5G & Schnittstellen

Drei Experten von Trumpf berichten

Drei Experten von Trumpf sprechen im Interview über die Digitalisierung im Segment Blechbearbeitung, über die Chancen von 5G und über umati, eine herstellerübergreifende Schnittstelle für den Ausbau von Industrie 4.0. Heinz-Jürgen Prokop, Chief Executive Officer Machine Tools bei Trumpf, schildert wie sich Blechfertiger auf die vernetzte Zukunft vorbereiten können.

metallbau: Einige Blechbetriebe arbeiten mit Maschinen, die zehn Jahre und älter sind. Ist die digitale Fertigung nicht ein bisschen weit weg vom typischen Blechkunden?

Heinz-Jürgen Prokop: Das ist nur scheinbar so. Die wahren Zeitfresser in der Fertigung lauern oft nicht in der mangelnden Leistungsfähigkeit der Maschine. Sie glauben gar nicht, wie häufig die Maschinen bei einigen Blechfertigern nicht ausgelastet sind, weil es zu Engpässen kommt. Wer die Produktivität seiner Fertigung erhöhen möchte, sollte deshalb neben die Maschine schauen: auf die Prozesse vor und nach dem eigentlichen Schneiden, Stanzen, Biegen und Schweißen. Die Digitalisierung bietet uns eine Reihe neuer Möglichkeiten, mit denen wir in der Fertigung unter Umständen bis zu 50 Prozent mehr Auslastung erreichen können. Um dieses Potenzial besser zu nutzen, benötigen Blechfertiger im ersten Schritt keine vollvernetzte Smart Factory.


metallbau: Was dann?

Prokop: Blechbearbeiter können mit kleinen Schritten anfangen: Indem sie etwa mit unserem Ortungssystem Track and Trace durch ständiges Nachverfolgen der Aufträge mehr Ordnung in ihre Fertigung bringen, indem sie durch unsere Software TruTops Fab mehr Transparenz in die Produktion bringen und so die Auslastung ihrer Maschinen erhöhen, oder indem sie Ersatzteile schnell und bequem per App nachbestellen, anstatt ihre Bestellnummer händisch im Katalog nachzuschlagen. Das eigentlich Wichtige allerdings sind gar nicht so sehr die Einzellösungen. Vielmehr müssen wir verinnerlichen, dass vor und nach dem Bearbeitungsprozess die Erträge noch zu oft brach liegen. Diese vor- und nachgelagerten Prozesse zu erfassen ist gar nicht so einfach – denn im Gegensatz zur Maschine sind sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen, sie sind ohne Digitalisierung kaum erfassbar.


metallbau: Und was haben 5G, künstliche Intelligenz und Co. damit zu tun?

Prokop: Bereits heute haben diejenigen einen Wettbewerbsvorteil, die ihre Fertigung smart organisiert haben. Kosten- und Wettbewerbsdruck werden künftig innerhalb unserer Branche aber noch steigen, während Losgrößen und Lieferzeiten weiter sinken. Das macht den Teil der Fertigung immer bedeutsamer, den erst die Digitalisierung erfassbar macht. Deshalb ist es für Blechbearbeiter wichtig, Transparenz in die Vorgänge der Fertigung zu bringen und sich spätestens jetzt dem Thema Digitalisierung anzunehmen. Wir beraten unsere Kunden dabei gerne und können auch auf Wissen aus unseren eigenen Blechfertigungen zurückgreifen, die wir bereits vor einigen Jahren vernetzt haben. Damit wir jedoch auch in fünf Jahren noch innovative Lösungen garantieren können, beschäftigen wir uns heute schon intensiv mit 5G und künstlicher Intelligenz.


metallbau: Ist das denn mehr als eine Wette auf die Zukunft?

Prokop: Ja, denn die Würfel sind bereits gefallen. Bei 5G hat die Bundesregierung die allgemeinen Lizenzen diesen Sommer für viele Milliarden Euro an die Netzbetreiber versteigert. Die Lizenzen für die Industrie kommen demnächst unter den Hammer. Die Vorteile von 5G bei der Datenübertragung sind offensichtlich, denn das neue Netz erweitert die Breitbandkapazität und das benötigen wir, um mehr und mehr Maschinen miteinander zu vernetzen. Es liegt also auf der Hand, dass 5G in einigen Jahren zum Alltag gehören wird. Kurzum: Es geht nicht darum, ob wir am Spiel teilhaben wollen, sondern darum, wie wir es gewinnen können.


metallbau: Welche Hürden sehen Sie auf dem Weg dorthin?

Prokop: Die Haltung gegenüber neuen Technologien in Deutschland bereitet mir zunehmend Sorge. Während wir über fehlende Investitionen in den Breitbandausbau diskutieren, investiert allein die Stadt Schanghai viele Milliarden Euro in künstliche Intelligenz. Anstatt über Zukunftschancen durch Digitalisierung zu sprechen, debattieren wir über drohenden Arbeitsplatzabbau. Als Technologieführer sollten wir bei der digitalen Vernetzung vorne mit dabei sein, sonst droht uns der weltweite Wettbewerb abzuhängen.


metallbau: Ist der Abbau von Arbeitsplätzen nicht tatsächlich die Kehrseite des digitalen Fortschritts?

Prokop: Ich sehe das genau andersrum. Wer sich nicht digitalisiert, wird es auf lange Sicht sehr schwer haben. Wir kommen gar nicht umhin, Effizienzgewinne durch Vernetzung zu erzielen, wenn wir unser Lohnniveau in Deutschland halten möchten. Damit das für die Blechbranche gelingt, sind unsere Maschinen heute bereits vernetzt – und anschlussfähig für die Zukunft.

metallbau: Wie sieht denn diese Zukunft in fünf oder zehn Jahren aus?

Prokop: Einen Vorgeschmack darauf haben mehrere tausend Kunden bereits in unserer Smart Factory in Chicago erhalten. Die meisten Schritte vor und nach dem Schneiden, Biegen oder Schweißen laufen in Chicago dank Vernetzung automatisiert – und genau das wird künftig zur Selbstverständlichkeit. So wie es heute kaum mehr denkbar ist, einen Überweisungsauftrag zum Schalter auf der Bank zu bringen, werden uns in zehn Jahren viele Dinge in der Blechfertigung rückblickend umständlich und aus der Zeit gefallen erscheinen.

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5G verspricht Datenübertragung in Echtzeit und einen hohen Datendurchsatz. Christian Bauer beschäftigt sich mit dem Thema und vertritt Trumpf bei der Gremienarbeit für den neuen Mobilfunkstandard. Im Interview erläutert er, welche Vorteile 5G im Vergleich zu anderen Funknetzen bietet und welche Einschränkungen beim Einsatz lauern.

metallbau: Herr Bauer, welche Bedeutung hat 5G für die Industrie?

Christian Bauer: 5G ist ein Standard für Mobilfunknetze, der auch für die Industrie wichtig ist. Geplant ist, dass Firmen nach der Einführung von der Bundesnetzagentur sogenannte „Campus Lizenzen“ erwerben können. Dahinter verbergen sich Frequenzen, die ausschließlich einem Unternehmen zur Verfügung stehen. Das ist ein wesentlicher Vorteil beispielsweise gegenüber WLAN, denn hier überlagern sich Sendegebiete und es kann zu Störungen kommen. Mit 5G passiert das nicht.


metallbau: Welche Vorteile hat 5G noch im Vergleich zu anderen Funknetzen?

Bauer: Vernetzung ist nicht erst mit 5G möglich. Aber der neue Standard wird vieles vereinfachen. Mit ihm lässt sich die Netzkapazität besser auf die Anwendung abstimmen. Werden zum Beispiel geringe Latenzzeiten benötigt, damit Roboter Befehle möglichst ohne Verzögerung ausführen, macht 5G das möglich. Das neue Netz erweitert die Breitbandkapazität und vergrößert die Gruppe der Teilnehmer. Das ist notwendig, denn im sogenannten Internet der Dinge werden mehr und mehr Maschinen miteinander vernetzt. Ein weiterer Vorteil ist das sogenannte „Beamforming“. Das bedeutet, dass die Antenne das Signal nicht mehr in einem breiten Kegel abstrahlt, sondern die Sendeleistung auf den Bereich fokussieren kann, in dem sich der Empfänger befindet. All diese Vorteile machen 5G zu einem wichtigen Baustein für die Smart Factory, auf den die Industrie künftig setzen sollte.

metallbau: Wird also in Zukunft jedes Unternehmen sein eigenes 5G Netz einrichten?

Bauer: Jedes Unternehmen kann es erwerben, genau.


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Andreas Wohlfeld, Systemarchitekt bei Trumpf, zuständig für die Entwicklung von Industrie 4.0-Schnittstellen, berichtet, wie umati künftig die Kommunikation unter Maschinen verschiedener Hersteller optimiert.


metallbau: Trumpf vernetzt doch heute schon Maschinen miteinander, wozu braucht es umati?

Wohlfeld: Das stimmt. Knifflig wird es aber immer dann, wenn Anwender Anlagen unterschiedlicher Hersteller vernetzen möchten. Maschinen mit herstellerspezifischen Schnittstellen in IT-Systeme einzubinden ist aufwändig. Es kommt in der Praxis aber häufig vor, denn in kaum einer Produktionshalle stehen ausschließlich Maschinen eines Herstellers. Deswegen unterstützen wir die VDW-Initiative, einen Standard für die Anbindung von Werkzeugmaschinen zu etablieren. Umati als Standard-Schnittstelle ermöglicht eine gemeinsame Sprache als Grundlage für die vernetzte Produktion. 


metallbau: Wer profitiert von umati?

Wohlfeld: Neben unseren Kunden profitieren auch wir Hersteller. Für TRUMPF reduzieren sich durch umati die Kosten und der Aufwand, wenn wir in einem Kundenprojekt neben unseren eigenen Anlagen auch Fremdmaschinen anbinden sollen. Viel wichtiger ist aber der Nutzen für den Kunden selbst. Er kann seinen Maschinenpark wesentlich einfacher vernetzen.


metallbau: Ist es aufwändig, künftig alle Trumpf Maschinen mit umati auszurüsten?

Wohlfeld: Wir setzen schon lange auf die OPC-UA-Technologie bei unseren Maschinenschnittstellen. Dieser offene Kommunikationsstandard hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr durchgesetzt. OPC-UA legt fest, wie Maschinen miteinander sprechen. Auch umati basiert auf OPC-UA und definiert, welche Informationen die Maschinen austauschen. Wir müssen in Sachen Schnittstelle also nicht komplett umdenken, sondern bestehende und neue Signale im richtigen „Format“ an unseren Maschinen bereitstellen. Ein gewisser Aufwand entsteht natürlich, aber wir müssen technologisch nicht komplett umdenken.


metallbau: Wie schnell wird sich die Standard-Schnittstelle umati durchsetzen?

Wohlfeld: Damit sich ein Standard durchsetzt, muss ein großer Teil der Hersteller darauf bauen. Hier sind wir auf einem guten Weg. Gemeinsam mit TRUMPF engagieren sich viele namhafte Hersteller in der Initiative des VDW – alle wichtigen Steuerungshersteller sind bereits mit an Bord, und neben europäischen Firmen sind auch große asiatische Unternehmen mit von der Partie. Wenn sie alle ihre Maschinen und Lösungen mit der Schnittstelle ausrüsten, haben wir unser Ziel erreicht. Darüber hinaus ist das Kommunikationsprotokoll OPC-UA, also die Basis von umati, auch international weit verbreitet. Deshalb sehe ich gute Chancen, dass umati sich auch außerhalb Deutschlands schnell durchsetzen wird.





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