Fachkräftemangel bremst Wachstum

Rund 23.000 kleine und mittlere Unternehmen, etwa 18.000 Lehrlinge und mehr als 235.000 Mitarbeiter in Deutschland, die im Jahr einen Umsatz von etwa 27,5 Milliarden Euro erwirtschaften – der Metallbau in Deutschland ist ein unbestritten wichtiger Wirtschaftszweig. Doch wie sieht es eigentlich um dessen Zukunft aus? Speziell, wenn es um das Thema Fachkräfte geht?
Laut einer Erhebung der Online-Jobbörse Backinjob.de ist der Metallbau die Branche mit den meistgesuchten Berufen. Das Portal hat dafür über einen Zeitraum von fünf Wochen alle Stellenanzeigen nach den Jobtiteln gefiltert und ausgewertet. Resultat: Nirgends werden so viele Mitarbeiter gesucht wie im Metallbau. Erst an zweiter Stelle kommt der Maschinenbau, noch vor der Gastronomie und weiteren Handwerksberufen wie Maler und Zimmerer.


Nun ist die Erhebung von Backinjob.de zwar nicht repräsentativ, aber sie zeichnet doch eine Stimmung, die von der Branche bestätigt wird. Vor allem, wenn es um Nachwuchs geht, fangen auch kleinere Handwerksbetriebe an, kreativ zu werden. So hat der Siegener Metallbauer Herling speziell ein Auge auf die Jugendlichen geworfen, die sonst eher ausgesiebt werden. „Bei uns haben auch schwächere Bewerber mit nicht so guten Schulnoten oder Absolventen eines Berufsgrundbildungsjahres eine reelle Chance, die Gesellenprüfung zu schaffen“, sagt Geschäftsführer Yusuf Öztürk. Herling Metallbau unterstützt schwache Auszubildende, es wird ihnen die Möglichkeit gegeben, am Förderunterricht des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschlands (CJD) teilzunehmen.


Außerdem ist Herling Kooperationspartner des Projekts „Pack‘s – aktiv für die Ausbildung“ des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM). Die Ausbildungsinitiative begleitet Jugendliche beim Übergang von Schule und Ausbildung, fördert und unterstützt sie. Herling Metallbau stellt Auszubildende aus diesem Programm ein und coacht einen Teilnehmer des Projekts. Ebenfalls erwähnenswert sind die hohe Übernahmequote und die Förderung von Migranten im Handwerk. Das beste Beispiel dafür ist Geschäftsführer Öztürk selbst, der als Azubi im Unternehmen begonnen hatte. Aktuell sind bei Herling neun junge Menschen in der Ausbildung – also jeder vierte Mitarbeiter.

Laut einer Studie des Personaldienstleisters Manpower haben deutschlandweit fast die Hälfte der Unternehmen Probleme, offene Stellen zu besetzen. Deutschland liegt damit knapp über dem globalen Mittelwert von 38 Prozent – und kann sich verhältnismäßig glücklich schätzen. Laut der Studie haben in Japan sogar 83 Prozent der Firmen Probleme, neue Leute zu finden. Ein unangefochtener Spitzenwert. Der Abstand zum Zweiten – Peru – beträgt 15 Prozentpunkte. Auch Hongkong, Brasilien und Rumänien melden noch Werte von mehr als 60 Prozent.

Mit dem Infotruck auf Nachwuchssuche

„Der Arbeitsmarkt hält mit dem wirtschaftlichen Aufschwung im Land nicht mehr Schritt“, sagt Herwarth Brune, Vorsitzender der Geschäftsführung von Manpower in Deutschland. „Um den Konjunkturmotor am Laufen zu halten, braucht es neue Ideen, wie wir Menschen in Arbeit bringen. Das Einstellen von Flüchtlingen sollte beispielsweise erleichtert werden.“ Vor allem Facharbeiter und Handwerker sind laut Manpower echte Engpassberufe. Und Brune kennt auch einen Grund: „Eine ganze Generation der Babyboomer steht vor dem Ruhestand. Diese Lücke müssen die Arbeitgeber füllen, beispielsweise durch gezielte Nachwuchsprogramme.“
Ein solches Nachwuchsprogramm ist der Infotruck, ein zum Werbemobil umgebauter Lkw. Zielgruppe sind vor allem Schüler. „Die Idee wurde bereits vor 30 Jahren aus der Taufe gehoben“, sagt Armin Skladny, Projektleiter bei der Werbeagentur IDW Medien. Zu den Kunden der Agentur gehört seit 1988 auch die Metall- und Elektroindustrie. Aktuell werden die Infotrucks wieder modernisiert. Nach und nach werden die alten Fahrzeuge gegen neue ausgetauscht – ein Mega-Projekt. Wie Skladny verrät, hat die Kampagne einen Gesamtumfang von 12,3 Millionen Euro.
Die zehn Fahrzeuge bringen es im Jahr auf etwa 2.000 Einsatztage, mit der Nachwuchskampagne werden jährlich etwa 70.000 Schüler erreicht. „Schulen machen etwa 70 % der Buchungen aus“, verrät Skladny. Doch über den Umweg Landesverband können auch Firmen die Infotrucks kostenlos ordern, etwa zu einem Tag der offenen Tür, einer Gewerbeschau oder einer lokalen Berufsinfomesse. Finanziert wird dieser Anspruch über den Mitgliedsbeitrag an den Verband. Jede Landesabteilung hat ein gewisses Kontingent an Einsatztagen. Das Saarland oder Bremen naturgemäß weniger als Nordrhein-Westfalen oder Bayern. Auf den Trucks sind 28 Außendienstler im Einsatz. „Wir brauchen dafür Diplom-Pädagogen mit Lkw-Führerschein und einer Zerspaner-Ausbildung“, beschreibt Skladny das Profil.
„Bei den Inhalten geht es weniger um Fakten, als um Emotionen und Gefühle“, sagt der Werber. Die Zielgruppe ist in der Regel nicht älter als 15 Jahre. Und selbst, wenn man diese begeistert, weiß man hinterher immer noch nicht, ob man auch etwas erreicht hat. Nicht mal Adressen dürfen gesammelt werden. Und warum sich ein junger Mensch dann schließlich für eine bestimmte Karriere entscheidet, lässt sich nicht ermitteln. „Einzelne Rückmeldungen und Erfolge haben wir schon, aber valide, harte Fakten gibt es nicht“, räumt Skladny ein. Auch andere Gewerbe, etwa Bauindustrie oder Gastronomie und Hotellerie haben eigene Infotrucks auf den Straßen und Schulhöfen, was Skladny als Erfolg wertet. Denn nur, was erfolgreich sei, werde kopiert.

Von 60 Mitarbeitern 20 Azubis

Handwerkskammer und Innungen unterstützen die einzelnen Betriebe etwa mit Werbematerial wie Anzeigenvorlagen oder Logos. Auch die bundesweite Dachkampagne für das Handwerk soll einen Teil beitragen. Doch die einzelnen Betriebe lassen sich gerne etwas mehr einfallen und nehmen die Sache selbst in die Hand. Der badische Stahl- und Metallbauer Belle hat seit jeher eine Azubi-Quote, die deutlich über dem Durchschnitt liegt. Etwa jeder dritte seiner 60 Mitarbeiter lernt gerade seinen Beruf.
„Wichtig ist, in der Region Präsenz zu zeigen“, findet Geschäftsführer Björn Heyer. Das Unternehmen ist in Wyhl zu Hause, einer kleinen Gemeinde im Herzen einer Weinbauregion mit ca. 4.000 Einwohnern. Dort gibt es nicht mal einen Bahnhof. Die Azubis kommen aus einem Radius von höchstens 20 Kilometern. „Allein viele Azubis im Betrieb zu haben, ist da gute Werbung“, sagt Heyer. Weil sich dann rumspreche, dass dort viel für junge Leute getan werde. Die Übernahme-Quote ist jedoch ernüchternd: „Von zehn Azubis bleiben langfristig vielleicht zwei im Unternehmen.“ Manche wechseln den Beruf, streben eine höhere Qualifikation an oder gehen zu einer anderen Firma.
Belle hat ein fetziges Video produziert, das auf der Firmenwebsite eingestellt ist und auch im Online-Portal Youtube. In einem Jahr wurde es etwa 500-mal angeschaut. Keine hohe Einschaltquote, dennoch ein Erfolg, findet das Unternehmen. In dem knapp zweiminütigen Spot erzählt der 19-jährige Azubi Renato von der Arbeit und den Aktivitäten neben dem Job. Dass man zusammen auf der Kartbahn war, auf die Skihütte zog oder zusammen Pizza essen gegangen ist. Am Ende lädt er ein, einfach mal im Betrieb vorbeizuschauen. Eine selbstbewusste Aussage, die laut Björn Heyer gut die Stimmung widerspiegelt. „Die Ausbildungsinhalte haben sich nicht groß geändert“, sagt er. „Auch die Qualität der Schulabgänger und Bewerber ist wieder besser geworden. Was sich wirklich geändert hat, ist das selbstbewusste Auftreten der jungen Menschen.“ 

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