Ganzglasgeländer im Außenbereich

Auffällige Schadensentwicklung

Moderne Architektur und Ganzglasgeländer gehören zusammen. Die Architektur stellt den Anspruch einer höchstmöglichen Transparenz. Ganzglasgeländer erhalten den Vorzug gegenüber Staketengeländer. Statisch sehr wichtige Halterungen und Befestigungen dürfen nicht mehr sichtbar sein. Gehörte in der Vergangenheit die sichtbare Befestigung als notwendiger Teil zum Geländer, welcher auch gezeigt werden durfte, möchte die moderne Architektur die Befestigungen möglichst nicht sichtbar. Das Geländer soll wie bei einem Swimmingpool, bei dem die Wasserkante abrupt endet, mit dem Horizont verschmelzen und als solches gar nicht bemerkt werden. Seit dem ersten Patent von 2011 vermehren sich also die Anbieter von Ganzglasgeländersystemen. Die Entwicklung der Beanstandungen und Schadensfälle seit 2013 ist auffällig.

Gefahr der Bodenbündigkeit

Indem die Unterkonstruktion nach unten verschoben wird, wird das Ganzglasgeländer zwangsläufig ein Bestandteil des Flachdachs oder der Fassade. Dieser Umstand – unter Berücksichtigung der anerkannten Regeln der Baukunde (Normen) und des aktuellen Stands der Technik – muss frühzeitig im Planungsprozess beachtet werden. Geschieht dies nicht, entstehen Konstruktionen, die nicht nachhaltig sanierungsfähig sind.

Eigenbau versus Ganzglassystem

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, ein Ganzglasgeländer herzustellen: Beim Eigenbau durch den Metallbauer erstellt dieser eine u-förmige Unterkonstruktion, in die die Gläser kraftschlüssig eingespannt werden. Alternativen dazu sind Systemgeländer, die seit dem ersten Patent 2011 vermehrt erhältlich sind. Ihre Unterkonstruktion besteht meist aus einem stranggepressten Längsprofil aus Aluminium. Vielfach können örtliche Konsolen in Nuten eingeschoben werden, die im Strangpress-profil vorgesehen sind. Mittels der Konsolen wird die Unterkonstruktion am Massivbau befestigt. Ob Eigenbauten oder Systemgeländer ist aufgrund statischer, bauphysikalischer und abdichtungstechnischer Kriterien zu entscheiden.

Integrale oder aufgesetzte Konstruktion

Bei der Befestigung des Ganzglasgeländers ist die Wahl zwischen integraler und aufgesetzter Bauweise wesentlich. Die aufgesetzte Bauweise (Abb. 1) basiert auf vormontierten Konsolen, an denen die Unterkonstruktion des Geländers, nach der Abdichtung der wasserführenden Ebene, befestigt wird. Diese Ausführung hat den Vorteil klar abgegrenzter Zuständigkeiten. Alle Bauteile über der wasserführenden Ebene, haben keine primären Dichtigkeitsanforderungen zu erfüllen. Im Gegensatz dazu gilt die Konstruktion als integral (Abb. 2), sobald sie zum Bestandteil der Gebäudehülle wird. Die wasserführende Ebene wird seitlich an die Unterkonstruktion angeschlossen. Kritisch sind die Fugen zwischen Glas und Unterkonstruktion, die seitlichen Fugen bei den Randabschlüssen sowie die Glas- und Längsprofilstöße. Sobald diese reissen, was erfahrungsgemäss spätestens nach fünf Jahren erfolgt, tritt Wasser in die Konstruktion ein. Auch durch Füllen aller Fugen mit hochwertigen Dichtstoffen lässt sich dies nicht verhindern. Einzelne Hersteller integraler Ganzglassysteme bieten eine Entwässerung mittels örtlicher Röhrchen an. Unpräzise Ausführung, ungenügender Wasserdruck, Verschmutzung und Fehler im Bauablauf sprechen gegen eine technisch dauerhafte Lösung. Spätestens nach 10 bis 15 Jahren stellt sich die Frage der Zugänglichkeit und des Unterhalts der Entwässerung in der Wärmedämmung.

Schadensfolgekosten bei integraler Lösung

Die Erfahrung hat gezeigt: Integrale Konstruktionen in der Gebäudehülle können hohe Schadensfolgekosten verursachen. Zudem ist die Frage der Verantwortung der Abdichtung ungelöst: Wenn ein Dachdecker und ein Metallbauer jeweils eigene Abdichtungen erstellen, wird die klare Ursachenzuweisung im Schadenfall strittig. Es gibt Anbieter von Fertighäusern die vertraglich 30 Jahre Garantie gewährleisten. Diese Anbieter weigern sich strikt, Konstruktionen integral zu verbauen. Sie stellen sich seriöserweise auf den Standpunkt, dass Integrale Konstruktionen die Garantiezeit des Gebäudes massiv schwächen.

„Aufgesetzt“ langfristig bewährt

Als langfristig bewährte Ausführungsart hat sich die Variante „aufgesetzt“ bestätigt. Es ist zu beachten, dass die durch den Metallbauer erstellten Fugen oder Abdichtungen unmöglich dauerhaft wasserdicht sind. Um dies zu erreichen, wird an einer örtlichen Konsole ein Blech, das als Träger für die Abdichtung der Dachhaut dient, angeschweißt. Dieses Blech darf keinerlei Öffnungen, wie zum Beispiel Verzinkungslöcher aufweisen. Die Konsolen sind den statischen Erfordernissen entsprechend zu dimensionieren. Das Material, die Rauheit und die Abmessung des Klebeflansches sind in Absprache mit dem Dachhautabdichter zu definieren. Bei erhöhten bauphysikalischen Anforderungen ist der geforderte Abstand der Konsolen, mittels justierbaren Gewindestangen vom Massivbau, zu berücksichtigen. Mit Gewindestangen kann auch sehr einfach auf ein allfälliges Gefälle der Dachhaut eingegangen werden. Je nach Dämmungsstärke ist nur ein Konsolentyp herzustellen.

Dachrandgeländer ohne Spenglerkragen

Spenglerkragen sind bekannt. Sie sind in den vielfältigsten Varianten auf dem Bau anzutreffen. Meist basieren sie auf dem Prinzip Hoffnung. Entweder sind es nicht definierte Ausdehnungen oder Silikonfugen, die früher oder später zu Leckagen führen. Wenn eine Dachrandkonsole mit einem Klebeflansch versehen wird, kann die primäre wasserführende Ebene unter dem Dachrandblech verlaufen. Somit haben alle Übergänge, Blechstöße oder Blechgehrungen, keine primären Dichtigkeitsanforderungen zu erfüllen. Im Bereich der Konsolendurchdringung durch das Dachrandblech, kann ein größerer Abstand vorgesehen werden, damit die Ausdehnung des Dachrandbleches ungehindert funktionieren kann.

Zuständigkeiten

Eine korrekte Verschmelzung von Ganzglasgeländer mit dem Massivbau ist nachhaltig erfüllbar. Dazu ist eine frühzeitige Berücksichtigung im Planungsprozess unabdingbar. Bei einer seriösen Detailklärung muss der Massivbau auch auf die heiklen Details von Ganzglaskonstruktionen Rücksicht nehmen. Frühzeitige Detailabklärung heißt: Noch vor der Erstellung der Armierungspläne. Sobald die Unterkonstruktion auf den Massivbau Rücksicht nehmen muss, entstehen vielfach Konstruktionen, die die in den Verträgen genannten anerkannten Regeln der Baukunde und den aktuellen Stand der Technik nicht erfüllen. Dieser Umstand wird dem Anschein nach von Architekten, der Bauleitung und den Unternehmern vielfach akzeptiert. Häufig hat der Bauherr keine Kenntnis über Kompromisse, die sich im Bauprozess ergeben. Erst wenn der Bauherr nach einem Jahr sichtbare Beanstandungen bemerkt, deckt ein beauftragter Sachverständiger im Nachhinein die nicht sachgemäßen Kompromisse auf.

Fazit

Sind für die Dichtungsmaßnahmen der Gebäudehülle mehrere Unternehmer verantwortlich, ergeben sich im Ernstfall unnötige Schuldzuweisungen, und eine Verständigung über die Verantwortung ist schwierig.

Goldene Regeln

1. Geländer sind ein Sicherheitsbauteil – die Statik ist zu erfüllen
2. Detailabklärung vor Erstellung der Armierungspläne
3. Für die Abdichtung der wasserführenden Ebene ist der Flachdachabdichter zuständig
4. Keine Löcher oder sonstige Öffnungen im Klebeflansch (rot)

Tipp:

Autor Iwan Häni hat eine Richtlinie für die Umsetzung von Ganzglasgeländern in der Gebäudehülle verfasst:  -->Zur Richtlinie für Ganzglasgeländer in der Gebäudehülle

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