Geprüfte Elemente

Tests im Schüco Technologiezentrum

Magnus Hilger

In vielen Fällen müssen Türen, Fenster und Fassadenelemente besondere Anforderungen erfüllen, sei es in punkto Größe, statischer Belastung oder hinsichtlich der Klimabedingungen. Diese Eigenschaften gilt es vor dem Einbau zu überprüfen und zu bestätigen. Das Technologiezentrum von Schüco in Bielefeld bietet an Testständen die Möglichkeit, verschiedene Bedingungen zu simulieren. Nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch für die Sonderkonstruktionen der Metallbauer.

Auf der einen Seite des Fensters dröhnt der Lärm von startenden und landenden Flugzeugen, auf der anderen sollen beste Bedingungen für einen entspannten Schlaf herrschen. Mit dieser Herausforderung war Metallbau Windeck bei einem Hotelneubau am zukünftigen Berliner Flughafen konfrontiert.

Für rund 800 zu liefernde Fenster sollte das Unternehmen aus dem brandenburgischen Kloster Lehnin eine in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht optimale Lösung finden. „Durch die Geräuschkulisse gab es für uns sehr hohe Anforderungen außerhalb der Norm“, berichtet Geschäftsführer Oliver Windeck. Zusätzliche Tests waren notwendig, die im Schüco Technologiezentrum durchgeführt werden konnten. Windeck: „Durch die Schallprüfung im Prüflabor konnten wir die wirtschaftlichsten Gläser aussuchen und mittels zusätzlicher Dichtungen die hohen Anforderungen an den Lärmschutz erfüllen.“

Für solche Bauakustikprüfungen hat das Technologiezentrum auf zwei Ebenen Prüfstände eingerichtet. Zwischen zwei Räumlichkeiten werden die zu untersuchenden Bauelemente bis zu einer maximalen Größe von 3 m auf 3 m eingespannt und von der einen Seite her mit sogenanntem „rosa Rauschen“, einem Referenzsignal aus der Tontechnik, beschallt. Auf der gegenüberliegenden Seite erfassen Messgeräte den verbleibenden Luftschall. Somit lassen sich die effektivsten und wirtschaftlichsten Kombinationen von Gläsern und Dichtungen ermitteln.

Verschiedene Versuchsumgebungen. Neben den bauakustischen Tests gibt es im Technologiezentrum noch zahlreiche weitere Prüfstände für mechanische Untersuchungen, für Umweltsimulationen, für Sicherheitsprüfungen oder für die Überprüfung mechatronischer Komponenten. Mechanische Prüfungen durch Biegen, Ziehen oder Drücken finden an allen statisch belasteten Komponenten eines Produktes statt. Im Bereich der Umweltsimulation lassen sich die Auswirkungen von UV-Licht, Wärme, Kälte, Feuchtigkeit oder die Anfälligkeit für Korrosion ermitteln. In einer Differenzklimakammer lassen sich beispielsweise Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschiede auf den beiden Seiten des Prüfelements erzeugen. Damit werden in der Natur real vorkommende klimatische Unterschiede zwischen innen und außen simuliert. Beim Beschusstest, beim Brandtest oder beim Einbruchsversuch wird die Sicherheit der Elemente getestet, und für Untersuchungen zur elektromagnetischen Verträglichkeit von Bauteilen wie Tür- oder Fensterantrieben steht eine entsprechend ausgerüstete Kabine (Schirmkabine) bereit.

„Wir unterstützen die technische Entwicklung beim Prototypenbau und bei den Prüfungen von neuen Entwicklungen“, erläutert Karl-Heinz Welk, Leiter des Technologiezentrums, die Aufgaben dieser Einrichtung. Darüber hinaus sieht sich das Zentrum als Dienstleister für Metallbauer und Verarbeiter von Schücoprodukten, auch für andere Hersteller. Für Kunden finden rund 500 Prüfungen pro Jahr statt. Besonders gefragt sind Dichtigkeits- und Bauakustikprüfungen. Die Untersuchungen zur Geräuschdämmung finden zu rund 90 % im Kundenauftrag statt.

Organisatorisch ist das Technologiezentrum bei der Unternehmenskoordination angesiedelt und gehört damit direkt zur Geschäftsleitung. „Damit sind wir bei unseren Untersuchungen unabhängig von den technischen Abteilungen und möglichen Einflussnahmen“, betont Welk. Die Einrichtung ist als unabhängiges Herstellerlabor akkreditiert und von der International Laboratory Accreditation Cooperation (ILAC) anerkannt. „Wir werden regelmäßig überprüft und erneut akkreditiert“, berichtet Welk. „Dabei gilt es insgesamt rund 200 Normen zu berücksichtigen.“ Im Gegensatz zu den notifizierten Stellen wie dem ift Rosenheim, können akkreditierte Herstellerlabore keine Produkte zertifizieren. Voraussetzung für die Notifizierung ist, neben der bei Schüco gegebenen Unabhängigkeit, auch die Unparteilichkeit, die bei einem unternehmenseigenen Testzentrum natürlich nicht gegeben ist. Das Verhältnis der Prüflabore untereinander ist gut, man arbeitet gut zusammen, wie  Welk betont. Dazu gehören auch Vergleichsprüfungen an unterschiedlichen Prüfständen, um möglichst sichere Messergebnisse zu erhalten. „Die Prüfstände bei den notifizierten Stellen sind oft ausgelastet, daher erfolgen teilweise Prüfungen an unseren Produkten durch Prüfer der Notified Bodies auf unseren Prüfständen“, berichtet Welk.

Kundentests. Neben dem Test der Hotelfenster hat Metallbau Windeck bereits eine Klimastudie in Bielefeld durchführen lassen. So hatten sich bei hochwärmegedämmten Fenstern in der Praxis Schwierigkeiten ergeben, die deren Gebrauchstauglichkeit einschränkten. Bei einem Überdruck im Gebäude trat durch Ritzen warme Luft nach außen, allerdings noch innerhalb der zulässigen Undichtigkeiten. Bei sehr kalten Bedingungen, ab rund -15 °C, kondensierte die Luft und führte zu Vereisungen. In der Differenzklimakammer des Technologiezentrums wurde eines der Fenster diesen Temperaturdifferenzen ausgesetzt und eine Lösung entwickelt: Durch das fachgerechte Versiegeln der Glasfalze im Flügelfalzbereich konnte der Luftstrom verhindert werden.

Auch die FKN Gruppe hat das Technologiezentrum bereits wiederholt genutzt, unter anderem um Luftdurchlässigkeit, Schlagregendichtigkeit oder den Widerstand gegen Windlasten von Fassaden, Fenstern und Türen zu prüfen. Das Unternehmen mit dem Schwerpunkt Fassadenbau nutzt, abhängig von den jeweiligen Aufträgen, auch Prüfstände weiterer Institute und Hersteller. Bis 2012 betrieb das Unternehmen einen eigenen Prüfstand für Sonderkons-truktionen, Fenster und kleinere Fassaden. „Wegen der immer größer werdenden Prüfelemente und höheren Anforderungen haben wir uns entschieden, die Prüfungen mit den Systemlieferanten durchzuführen und gemeinsam die Objektkonstruktionen zu entwickeln und zu testen“, berichtet Hans-Ulrich Mack, technischer Betriebsleiter der FKN Gruppe.

Die FKN Gruppe war der erste externe Nutzer des neuen, 2012 fertiggestellten Fassadenprüfstandes. An diesem Prüfstand lassen sich die Bedingungen für Fassadenelemente bis zu einer Breite von 21 m und einer Höhe von 13 m simulieren. Da der Prüfstand in einer Halle errichtet wurde, kann er ganzjährig genutzt werden. Laut Schüco handelt es sich dabei um den größten Indoor-Fassadenprüfstand in Europa.

Die Möglichkeiten umfassen unter anderem Prüfungen zur Schlagregendichtigkeit, Luftdurchlässigkeit und Windlast. Hinter der Fassade wird dazu ein luftdichter Prüfraum eingerichtet, in dem ein leichter Unterdruck herrscht. Zur Prüfung wird, entsprechend der europäischen Vorgaben, die Fassade beregnet und ein starker Ventilator an der Fassade entlanggefahren. Damit internationalen Normen entsprochen werden kann, steht zudem ein Flugzeugpropeller zur Verfügung, mit dem sich notwendige Luftbewegungen simulieren lassen.

Rund drei bis vier Wochen sind für den gesamten Ablauf, von Montage, Vorprüfung, Hauptprüfung bis hin zur Demontage einzuplanen. Montageteams der Kunden übernehmen selbst die Installation der Fassadenabschnitte. Somit kann Schüco sicherstellen, dass die Beschäftigten die einzelnen Arbeitsschritte korrekt beherrschen und auf der Baustelle umsetzen können.

„Wir haben unterschiedliche Vorhangfassadenkonstruktionen für das höchste Wohnhaus Europas, den Cosmopolitan Tower in Warschau, nach der Produktnorm DIN EN 13830 überprüft“, berichtet Mack.

Grundsätzlich finden für Prüfungen, die von einer notifizierten Stelle, wie beispielsweise dem ift Rosenheim, zertifiziert werden müssen, zunächst Vorprüfungen statt. Erst anschließend erfolgt die offizielle Prüfung. „Viele Auftraggeber fordern, dass die Prüfungen durch ein unabhängiges Institut überwacht werden“, erläutert Mack. Bei objektbezogenen Sonderkonstruktionen sind grundsätzlich Fassadenprüfungen durchzuführen. „Die Prüfung der Objektkonstruktion bringt für jeden Metallbauer die Sicherheit, dass die Konstruktion die technischen Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erfüllt“, so Mack. „Alle zusätzlichen Erkenntnisse können in die Ausarbeitung der Objektunterlagen sowie in die werkseigene Produktionskontrolle (WPK) einfließen und damit den Qualitätsstandard der Fassade verbessern.“ Auch Oliver Windeck schätzt diesen Sicherheitsaspekt: „Die Sicherheit der gebauten Bauteile ist von wesentlicher Bedeutung. Was hat man davon, wenn man mit einer Unsicherheit ‚schlafen geht’, die sich ausräumen lässt.“

Geringes Risiko. Für eine Fassadenprüfung liefert die FKN Gruppe die Fassadenelemente nach Bielefeld und entsendet einen Techniker oder Ingenieur sowie zwei oder drei Monteure für den Aufbau. Die Vor- und Hauptprüfung selbst begleiten dann bis zu zwei Techniker oder Ingenieure. „Wurde die Vorprüfung erfolgreich bestanden, liegt das Risiko, dass bei der Hauptprüfung die geforderten Prüfwerte nicht erreicht werden, bei unter zehn Prozent. Für den Fall, dass eine Wiederholungsprüfung notwendig sein sollte, können zusätzliche Kosten von über 20.000 Euro anfallen“, so Mack. Oliver Windeck stellt fest: „Insgesamt müssen sich die Tests und Prüfungen durch wirtschaftliche Einsparungen finanzieren.“

Zur Durchführung der Versuche beschäftigt Schüco über 40 Mitarbeiter, darunter Metallbauer, Schlosser, Feinmechaniker oder Ingenieure aus den Bereichen Elektrotechnik, Bauingenieurwesen und Maschinenbau. Diese werden zeitweise von Studierenden unterstützt. „Das Zentrum dient auch der Ausbildung unserer Ingenieure in den dualen Studiengängen Mechatronik und Elektrotechnik“, erläutert Welk. „Das lief bisher sehr erfolgreich, wir konnten gute Leute ausbilden und ans Unternehmen binden.“

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 09/2019

Auf dem Prüfstand

Metallbauer im Labor

Hochsicherheitstechnik kommt bisweilen aus der Provinz. Im Fall von TechnoLog Systems aus Elz in Hessen, Kreis Limburg-Weilburg. Wenige Orte weiter am Rande des Örtchens Weroth findet sich auch ein...

mehr
Ausgabe 04/2018

Jansen Technologiezentrum

Räume für Entwicklungs- und Prüfverfahren

Unter realen Voraussetzungen werden im Technologiezentrum von Jansen Profillösungen bis ins kleinste Detail geprüft und auch für Großelemente und Objektlösungen werden umfassende Systemprüfungen...

mehr
Ausgabe 04/2018

Marco Zimmermann von Jansen

„Wir können Innovationen beschleunigen!“

metallbau: Herr Zimmermann, Sie sind bei Jansen verantwortlich für einen neuen, zukunftsweisenden Bereich. Wo sehen Sie mit der Inbetriebnahme des Technologiezentrums die Vorteile für Jansen? Marco...

mehr
Branche

Oliver Windeck zur Corona-Krise

"Über ein halbes Jahr voll ausgelastet!"

"Kurzarbeit haben wir nicht beantragt, wir sind über ein halbes Jahr hinaus mit Aufträgen ausgelastet. Eine betriebliche „Task Force“ trifft sich alle zwei Tage und bespricht neueste Entwicklungen...

mehr

Schüco Metallbau Fachtage

3.000 Teilnehmer in Wertingen & Bielefeld

Schüco hat unter aktuellen Corona Sicherheitsmaßnahmen nach zweijähriger Pause für seine Partnerbetriebe die „Metallbau-Fachtage“ in Präsenz veranstaltet. Frei nach dem Motto „Von Mensch zu...

mehr