Leibniz Universität in Hannover

Neubau für die Molekularen Pflanzenwissenschaften

Der Neubau der Molekularen Pflanzenwissenschaften bildet im Ensemble mit den bestehenden Institutsgebäuden einen vierseitigen Innenhof. Leitidee des Entwurfs ist ein Platz, der als Entreé für das Laborgebäude und als Knotenpunkt für die Fußgängerströme zwischen neuen und bestehenden Einrichtungen fungiert. Der Platz soll darüber hinaus Besuchern, Studierenden und Beschäftigten als Treffpunkt dienen.

Das Universitätsgebäude liegt in Hannover in unmittelbarer Nachbarschaft der Herrenhäuser Gärten, einem der bedeutendsten Barockgärten Europas. Die Erschließung erfolgt von der Herrenhäuser Straße entlang von Gewächshäusern, Pflanztischen und Versuchsfeldern. Der Neubau nimmt den Dialog mit den bestehenden Gebäuden auf und schließt das Ensemble zu einem neu definierten Platz ab.

Das ca. 4.800 m² (NGF) große Gebäude dient, in dieser Zusammensetzung einzigartig in Deutschland, der Zusammenführung der Bereiche Mikrobiologie mit der Pflanzengenomik und Pflanzenproteomik sowie der Pflanzenernährung am Standort Herrenhausen. Konzeptionell gliedert sich das Gebäude der Länge nach in einen nördlich gelegenen „Hightech“-Bereich und in einen südlich der Brandwand gelegenen „Lowtech“-Bereich.

In Anlehnung an die Gewächshäuser des Campus wird die gebotene Maßstäblichkeit des Forschungsbaus durch das Fassadenmaterial unterstützt. Dem Gebäuderaster folgend, wechseln sich Fensterelemente mit geschosshohen, grün gefärbten Glasplatten ab. Der selbstbewusste Ausdruck schafft Identität.

Nachhaltigkeit

Wesentlicher Gedanke für den Entwurf war ein Baukörper mit einem A/V-Verhältnis von unter 0,3. Durch die äußerst enge Schichtung der Nutzungen und die konsequente Verlagerung von Nebenräumen in die Dunkelzonen des Gebäudeinneren konnte eine Kompaktheit mit dem Wert 0,23 erreicht werden. Die Labore wurden konsequent nach Norden orientiert und Fensteröffnungen auf ein ausgewogenes Maß reduziert. In der Nutzungsphase des Gebäudes werden die Betriebskosten eines Laborgebäudes durch die Energiekosten dominiert. Alle Räume wurden daher nach ihren Anforderungen an eine Raumbe- und -entlüftung bzw. Klimatisierung in Kategorien eingeteilt. Diese differenzieren die Anforderungen nach raumlufttechnischer Behandlung hinsichtlich ihres unterschiedlichen Bedarfs an die Abführung der internen Wärmelasten, der Raumtemperaturkonstanz, der exakten Einhaltung von Minimum- und Maximum-Werten des relativen Feuchtegehalts der Raumluft, der variablen Abführung von Spitzenlasten sowie der erhöhten Hygieneanforderungen der Laborräume an Sauberkeit bzw. Staubfreiheit. Für Räume mit lufttechnischen Anforderungen wird eine zentrale Luftaufbereitung installiert. Diese berücksichtigt einen Gleichzeitigkeitsfaktor von 0,7 sowie eine Außenluftmenge von rd. 39.000 m³/h. Die Abluftmengen, die in den einzelnen Prozessen anfallen, werden an zentraler Stelle im Keller gesammelt und einem Wärmerückgewinnungssystem zugeführt. Dieses besteht aus Luftfiltration und -erwärmung in Form einer hocheffizienten zentralen Wärmerückgewinnung. Zur Ausführung kommt ein Kreislauf-Verbundsystem mit Luft-Wasser/Glykol-Wärmetauschern. Der thermische Wirkungsgrad beträgt im Winterauslegungspunkt im Mittel 80 %.

Mehrwerte für Nutzer

Das barrierefrei erschlossene Gebäude mit seinen öffentlichen Bereichen im Erdgeschoss wird durch die Lage am neu entstandenen Campusplatz und seine selbstbewusste Architektursprache zum Interaktionsort für die naturwissenschaftliche Fakultät. Im Mikrokosmos der Forschungsinstitute werden durch Kommunikationsinseln Orte der Anregung sowie der Entspannung geboten. In der Planungsphase wurde darauf geachtet, die weitere Zersiedelung der gärtnerisch geprägten Landschaft zu vermeiden und die zusätzliche Bodenversiegelung so gering wie möglich zu halten. Hierdurch wird das biologische Mikroklima auf dem Grundstück und in der Nachbarschaft erhalten. Des Weiteren wurden bestehende Grünflächen und Frischluftschneisen erhalten, damit sich das biologische Mikroklima in der näheren Umgebung nicht ändert.

Zukunftsfähig

Die Labore sind innerhalb der 400 m² großen Nutzungseinheiten ohne großen baulichen Aufwand umzunutzen, da die Strukturen von Erschließung und Infrastruktur neutral konzipiert sind und so flexibel auf Veränderungen reagieren können. Das ist Teil des wissenschaftlichen Alltags – Forschung ist frei und entwickelt sich, da dürfen Wände kein Hinderungsgrund sein. Insofern wurde auch bei der Konzeption der Anlagentechnik auf eine 30 %-Installationsreserve geachtet. Da auch der Einsatz von wissenschaftlichen Großgeräten ständig variiert, sind die Erschließungselemente entsprechend flexibel ausgelegt. Im Falle steigender Laborraumkapazitäten bieten die Bürobereiche eine mögliche Ausbaureserve. Diese verfügen über die gleiche Geschosshöhe wie der Laborbereich und können durch die Aktivierung von Vertikalstrukturen – derzeit als Umkleiden genutzt – mit entsprechender betriebstechnischer Infrastruktur versorgt werden. Neben diesen internen Erweiterungsflächen steht westlich ein weiteres Baufeld zur Erweiterung in Längsrichtung zur Verfügung.

Gestaltungsqualität

In der Wissenschaft ist ein „Kampf um die Köpfe“ entbrannt. Die verschiedensten wissenschaftlichen Einrichtungen werben weltweit um die Besten ihres Faches. Dabei geht es den Forschern neben dem wissenschaftlichen Renommee, den finanziellen und kulturellen Möglichkeiten heutzutage immer mehr auch um die unmittelbare Qualität des Arbeitsumfelds ihrer zukünftigen Wirkungsstätte. Bei dem Neubau für die Molekularen Pflanzenwissenschaften wurde beispielsweise ein besonderer Schwerpunkt auf den Bedarf an ungeplanter, informeller Kommunikation direkt am Ort der Forschung gelegt. Aus diesem Grunde wurden Fluraufweitungen konzipiert, die diese Form der Kommunikation geradezu provozieren sollen. Die kreative Atmosphäre soll zu wissenschaftlichen Höchstleistungen anspornen.

Die Innenräume nehmen sich in ihrer Gestaltung stark zurück. Der spielerische Umgang mit der Farbe Grün findet sich nochmals in der Gestaltung der Labore. Eine weitere Voraussetzung ist die Sichtbarkeit dieser Leistungen nach außen. Das Gebäude fungiert als „Sender“ des Bauherren. Das war bereits 1819 beim benachbarten Schloss Herrenhausen der Fall, als Hofbaumeister Georg Ludwig Friedrich Laves das Schloss in klassizistischer Form umbaute. Damals reichte das Geld nicht für Naturstein, und so ließ Laves die Putzflächen „sandsteinfarben“, also gelb streichen – die Geburtsstunde des „Herrenhäuser Gelbs“. Die Diskussion um die Gestaltung der Fassade bei diesem, dem Schloss benachbarten, Forschungsneubau währte daher über zwei Jahre. Allein die Auswahl der drei Grüntöne dauerte ein Jahr. Die Abkehr vom „Herrenhäuser Gelb“ und die selbstbewusste Markierung des „grünen Labors“ steht für das Selbstverständnis einer jungen Forschergeneration auf der Suche nach neuen Erkenntnissen. Die gläserne Haut spielt mit den allgegenwärtigen Gewächshäusern der grünen Fakultät.⇥red ◊

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