Lukrative Internationalisierung

Gute Recherche und beste Netzwerke

Der Startschuss für beide Firmen war gleich: Durch Anfragen von Partnern kamen sowohl die Defascon GmbH aus Leipzig als auch das thüringische Unternehmen Stahl- und Metallbau Mirko Wimmer zu ihrer Internationalisierung. Doch die Entwicklung ihrer Firmenstrukturen verlief völlig konträr. Während der Fremdfertigungsgrad bei Defascon extrem hoch ist, fertigt Mirko Wimmer so viel wie möglich im eigenen Betrieb.

Betrieb steht auf mehreren Säulen
Dabei hatte Mirko Wimmer eigentlich nicht vorgehabt, im klassischen Metallbau international aktiv zu werden. Seit 1991 ist der Metallbaumeister selbstständig. Sein Ein-Mann-Betrieb wuchs nach der Wende langsam, aber stetig. Mittlerweile ruht die Firma aus Zeulenroda-Triebes mit einem jährlichen Umsatz von 1,5 Mio. Euro auf mehreren Säulen: Neben dem klassischen Metallbau mit einem Umsatzanteil von zirka 70 % zählt spezieller Metallbau wie Kinotechnik, Kirchenfenster oder künstlerischer Stahlbau dazu. Eine weitere, wesentliche Säule mit circa 15 % sind Stahlbauarbeiten für Industrie- und Kühlanlagenbau mit Auftraggebern weltweit. „Diese Erfahrungen im Industrieanlagenbau haben uns bei der Internationalisierung geholfen“, erzählt der Firmeninhaber. Mittlerweile beschäftigt er 13 Facharbeiter, darunter zwei Schweißfachleute. 1994 zog er mit seinem Betrieb in eine mit 520  m2 deutlich größere Produktionshalle um.
Im Jahr 2008 kam die Anfrage eines Architekten für ein Projekt in Mauretanien. Wimmer sagte zu und schlug damit ein neues Kapitel in der Firmengeschichte auf. Zugleich stellte er sich damit einer extremen Herausforderung. Das Volumen: Zwei Doppelhäuser mit fünf Appartements sowie ein Einzelhaus in Skelettbauweise für die deutsche Botschaft in dem westafrikanischen Staat.

Eigene Arge für den Auslandsauftrag
Da dieses Projekt in der Hauptstadt Nouakchott als Komplett- auftrag ausgeschrieben war, gründete er eigens die „Arbeitsgemeinschaft Modulhaus Nouakchott“ mit ihm als Chef. „Wir waren für alles verantwortlich. Für die Koordinierung von acht Partnerfirmen, für die gesamte Logistik zum Transport des Materials und Werkzeugs bis zur Möblierung samt Bodenbelägen, Sonnenschutz und Müllbehältern. Wir sind an unsere Grenzen gegangen, konnten aber auch viel lernen. Und es machte trotz allem auch richtig Spaß“, resümiert der Metallbaumeister. Rund 22 Tonnen Stahltragewerk, 540 m2 Außenwände sowie fast die gleiche Menge an Tonplattenfassaden und vieles mehr mussten verschifft werden. „Dabei wurden wir ins eiskalte Wasser geworfen“, blickt Wimmer zurück: „2009 war auch ein Krisenjahr in der Containerschifffahrt. Es fuhren nicht mehr wie üblich alle zwei Wochen Schiffe von Antwerpen, sondern nur, wenn sie voll beladen waren. Unsere 44 Container wurden auf drei verschiedenen Schiffen befördert. Allein das war extrem arbeitsintensiv. Just in time geht bei so etwas gar nicht“, erzählt der 52-Jährige. Auch der Transport der Materialien vor Ort war nur durch Findigkeit möglich. „Wir hatten das Glück, dass die lokale Niederlassung der Firma Schenker uns Autokräne und LKWs zur Verfügung stellte. Denn der Zustand der mauretanischen Gefährte war nicht akzeptabel“, so der Firmenchef. Zeitweise waren bis zu 45 Monteure vor Ort, deren Motivation sich zum Teil etwas schwierig gestaltete, erzählt der Metallbaumeister: „Wegen der vielen Ausgangssperren und der großen Hitze haben wir in Zelten auf dem Botschaftsgelände geschlafen, um flexibel – vor allem morgens und abends – arbeiten zu können. Sogar ein Bombenanschlag ist in der Nähe der Botschaftsbaustelle passiert.“ Knapp ein Jahr dauerte die Abwicklung dieses anspruchsvollen Auftrags.

Schwierige Sicherheitslage im Ausland
Auf die Frage, ob er den mauretanischen Auftrag wieder übernehmen würde, nickt Wimmer nach einem kurzen Zögern. „Wir haben dort viel gelernt für unsere Internationalisierung und trotzdem noch gut Geld damit verdient.“ Doch einen neuen Auftrag des Auswärtigen Amts in Haiti hat Wimmer nun abgelehnt. Die Begründung: Dort ist die Sicherheitslage noch problematischer.
Im Gegensatz zu Defascon hat Wimmer seine Betriebsstruktur nicht verändert. Er fertigt, was nur irgendwie möglich ist, in der heimischen Werkstatt. Ein Mitarbeiter ist für die Planung und Organisation von Auslandsprojekten zuständig. Denn eine gute Recherche der Bedingungen vor Ort ist, gepaart mit einem entsprechenden Zeitpuffer, bei Auslandsobjekten – selbst in Europa – extrem wichtig. „Dank unseres Industrieanlagenbaus haben wir viel Erfahrung in Länderspezifikationen, die in der Regel bei den Ausschreibungen vorliegen. Zwar gab es für Mauretanien selbst keine Vorschriften. Aber da es sich um einen Auftrag des Auswärtigen Amtes der BRD gehandelt hat, wäre ohne die Zertifizierung nach DIN 18800 (neu DIN EN 1090) gar nichts gegangen“, so Wimmer.

Fremdsprachenkenntnisse von Vorteil
Ein großer Vorteil sind zudem die Fremdsprachenkenntnisse seines Bauleiters. „Er spricht Englisch, Französisch und Russisch. Das ist vor Ort eine große Hilfe“, verdeutlicht der Metallbaumeister. Seit einigen Jahren arbeitet das thüringische Unternehmen eng mit dem Glasstudio Derix aus Taunusstein zusammen, das weltweit Aufträge akquiriert. Unter anderem fertigte Wimmer für die St. Paulskirche in Odessa Fensterrahmen für die Kunstglasscheiben sowie eine Ganzglastüranlage mit Rundbogenteil.
Eine logistische Herausforderung war auch das Kunstprojekt Lincoln Tower Square in den USA. Der 18 Meter hohe Turm mit zwei Metern Durchmesser des Künstlers Jun Kaneko aus Omaha (Nebraska/USA), mit 80 Kunstglasscheiben der Firma Derix, wurde in zwei Monaten als dreiteiliges Stahltragwerk in der thüringischen Werkstatt hergestellt. Und Wimmer ist ein Meister der Perfektion: „Wir haben den Turm in unserer Produktionshalle komplett liegend montiert, damit es keine Überraschungen bei der Montage vor Ort gibt. Denn für diese hatten wir gerade mal sechs Tage Zeit.“ Deshalb überlässt der Metallbaumeister auch nichts dem Zufall: „Grundsätzlich wird das Projekt vor Ort vorgestellt und zugleich intensiv recherchiert.“ Sei es, um die Transportmöglichkeiten für das Material zu klären oder um Werkzeuge und eventuell noch benötigtes Kleinmaterial zu beschaffen. Die Kalkulation ist für Wimmer kein großes Problem: „Wir fertigen so gut wie alles im eigenen Betrieb. Die Unwägbarkeiten beginnen eher vor Ort.“ Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit mit seinen Partnern, insbesondere mit dem Glasstudio Derix, muss er nicht in Vorleistung gehen, sondern rechnet über diesen Partner ab.

Reine Mundpropaganda
Internationale Aufträge machen zwar nur zwischen 10 und 15 % am Gesamtumsatz aus, und Akquise dafür betreibt der Geschäftsführer keine: „Das funktioniert rein über Mundpropaganda.“ Doch missen möchten Wimmer und sein Team diese Aufträge nicht. „Das ist einfach eine tolle Abwechslung und zugleich Herausforderung. Sicher kann das nicht jeder Betrieb. Doch wenn man auf diesem Gebiet Erfahrung gesammelt hat, dann sollte man diese auch sinnvoll einsetzen“, ist der 52-Jährige überzeugt. Und das kann Wimmer bald schon wieder. Es ist bereits das nächste Kunstprojekt in den USA in Kooperation mit dem Glasstudio geplant. Wieder ein Tower, doch diesmal noch größer als in Lincoln. Das Team um Mirko Wimmer freut sich schon darauf.

Extreme Spezialisierung bei Defascon
Auch bei Defascon war die Internationalisierung nicht das Ergebnis gezielter Planung. Die Initialzündung erfolgte durch die Anfrage eines südafrikanischen Architekten zum Bau einer Moschee in der Schweiz.
Defascon wurde in den 1990er-Jahren von einigen Mitarbeitern nach einem Insolvenzverfahren des damaligen Inhabers übernommen, ebenso der Maschinenpark. Damals waren es noch rund 40 Mitarbeiter, heute sind es nur noch wenige, den Betriebswirtschaftler Robert Jacob eingeschlossen: „Wegen unserer extremen Spezialisierung reduzierten wir sukzessive die Belegschaft. Denn die Auslastung der Stammmitarbeiter war immer schwieriger geworden. Außerdem war es teilweise mühsam, das Personal für die Montage, z.B. in Nigeria oder im Nahen Osten zu motivieren“, erläutert Jacob, der für das Projektmanagement zuständig ist. „Deshalb haben wir unsere Strukturen geändert. Um das Risiko und somit die Fixkosten zu minimieren, arbeiten wir nur noch mit hochspezialisierten Partnern zusammen“, so der Geschäftsmann. Ein Metallbauer ist mit im festen Team.
Akquise macht das Unternehmen schon lange keine mehr, ebenso sind Ausschreibungen kein Thema. „Wir wollen das Besondere machen, deshalb akquirieren wir auch keine Aufträge mehr in Deutschland“, so der 36-jährige Jacob. Die Auftraggeber von Defascon sind untereinander bestens vernetzt und stellen hohe Anforderungen an Architektur und Ausführung, d.h. Standardkonstruktionen sind für sie kein Thema. „Wir sind in unserem Segment hochspezialisiert auf die Entwicklung, Planung, Produktion und Montage einzigartiger Gebäudehüllen“, so Jacob. Auch das von den Kunden viel georderte Structural Glazing, also Glasfassaden, die nur geklebt werden, beherrscht nicht jedes Unternehmen. Jacob betont: „Mittlerweile haben wir ein sehr gutes Netzwerk an Spezialisten – vor allem in Deutschland – aufgebaut, um die ausgefallenen Wünsche unserer Kunden erfüllen zu können.“

Individuelle Fassadenelemente
Ein Beispiel für ausgefallene Anforderungen ist ein Privatobjekt in Nahost. Das Gebäude gleicht einer Trutzburg und verbindet Tradition mit Moderne. Der gesamte Komplex besteht aus individuellen Fassadenelementen. Für jede Etage musste eine Sonderkonstruktion entwickelt werden, von der Befestigung über die Anschlüsse bis hin zu verschiedenen Formen und Abmessungen der Elemente. Das Projekt umfasst insgesamt 4.600 Quadratmeter Glasfläche mit 2.500 in individuellen Übergrößen angefertigten Einzelelementen. Darüber hinaus kombinierte das Defascon Team die Zweite-Haut-Fassade, die als Laubengang zum Gebäude gehört, mit innovativer Technik als Willow-Wicker-Konstruktion.
Neben dem Nahen Osten hat sich das Unternehmen auch in Afrika, insbesondere in Nigeria, einen Namen gemacht. Doch auch nach der Militärdiktatur ist die Korruption in dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas immer noch ein großes Problem, nicht trotz, sondern wegen der Erdölvorkommen. Temperaturen von bis zu 50 °C im Norden sind für Europäer schwer erträglich, hinzu kommt die problematische Sicherheitslage. Laut Jacob würden nur Aufträge im Großraum Lagos, also in dem etwas sichereren Teil des Landes übernommen.

Aquarium als Wohnzimmerdecke
Realisiert werden von Desfascon in dem westafrikanischen Land hauptsächlich Privatobjekte, insbesondere Häuser oder Firmensitze. Auch hier sind ausgefallene Lösungen gefragt. „Einmal wollte ein Kunde über seinem Wohnzimmer ein rund 100 m2 großes Aquarium als Decke installiert haben. Wir haben lange daran getüftelt, aber wegen der Gewichtsprobleme und dem zu geringen Budget wurde es dann doch nicht umgesetzt“, so der Projektmanager. Derzeit bauen die Leipziger zwei luxuriöse Villen in Nigeria. „Unseren Auftraggebern ist Individualität wichtig, gepaart mit europäischen Standards“, erzählt der Projektmanager. Denn Vorschriften, wie sie in Europa üblich sind, gibt es dort gar nicht.
In der Regel kommen die Kunden auf Defascon zu. Auf das Leistungsprofil folgen zuerst ein Rohentwurf, dann ein Handscribbling. An diese Phase schließen sich konkrete Vorschläge, aber auch ggfs. Hinweise zur Kostenreduzierung an. Das Team aus Leipzig bietet alles aus einer Hand, also Ideenfindung, Planung, Herstellung, Versand und Montage, Projekt- und Montagesteuerung sowie Wartung und Reparatur der Elemente vor Ort.

Erstgespräche in Deutschland
Die Erstgespräche finden in Deutschland statt. „Die Muster sind oft mehrere hundert Kilogramm schwer. Die können wir nicht so einfach verschicken. Außerdem zeigen wir unseren Auftraggebern die Fertigungsstätten. Wir schicken jedoch in der Regel einen Vermesser, um das Grundstück vor Ort zu vermessen“, so Jacob.
Aufgrund der langen Projektlaufzeiten von zwei bis drei Jahren ist die Einplanung der Kapazitäten bei den Partnern kein Problem. Im Team, meist mit deutschen Planern, wird das Projekt entwickelt, zum Teil werden auch lokale Architekten mit ins Boot genommen. Zudem arbeitet man gerne mit Partnern vor Ort zusammen, die die Sicherheitslage kennen.
Bei der Montage ist in der Regel ein Bauleiter von Defascon mit einem lokalen Team vor Ort. Je nach Schwierigkeitsgrad kann es aber auch vorkommen, dass gleich zwanzig Personen zur Montage nach Nigeria fliegen. Die Sicherheitsmaßnahmen und der Transport der Mitarbeiter vor Ort werden oft von lokalen Partnern organisiert, zudem verfügen auch die Auftraggeber meist über ein eigenes Sicherheitsnetz.

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