Metallbau auf Fehmarn

„Man sieht uns, wenige vom Festland rufen an.“

Gebhard Grebien führt auf der Ostseeinsel Fehmarn einen Metallbaubetrieb mit 45 Mitarbeitern. Die Fehmarnsundbrücke – etwa einen Kilometer lang – gilt als Wahrzeichen Schleswig-Holsteins und verbindet das ca. 185 Quadrat­kilometer große Eiland mit Großenbrode auf dem Festland. Stefanie Manger traf den Unternehmer vor Ort.

Gebhard Grebien ist kein Insulaner. Ein entfernter Verwandter hatte ihn auf Fehmarn eingeladen. Ein Besuch mit Folgen, Grebien und seine Frau blieben. Von einer alten Schmiede, die der Großonkel nicht los wurde, hat er sich zu einem Neuanfang herausfordern lassen. Damals mehr als die Hälfte des Jahres beruflich im Ausland unterwegs, beschloss er, auch seiner Frau zuliebe, sich in Bannesdorf auf Fehmarn als Selbständiger zu versuchen. Das war 1988.

Aufbau. „Wir haben alles gemacht, was angefragt wurde – Reparaturen von Heizungen, Wasserleitungen oder Landmaschinen“, berichtet Grebien, der als Landmaschinenmechanikermeister qualifiziert ist. „Aber“, setzt er hinzu, „an diesem Portfolio wären wir verbrannt.“ Anders im Stahl- und Leichtmetallbau, in diesem Segment hat er eine Perspektive für ein rentables Wirtschaften gesehen.

Nach fünf Jahren war genug, die Aufträge im Metallbau wurden forciert. 1996 hat er eine ehemalige Reithalle zur Werkstatt umgebaut und sich als Schweißfachmann weitergebildet. „In kürzester Zeit habe ich alle Lehrgänge absolviert, die angeboten wurden.“ Die Landwirtschaft und der Fährhafen am Ort bescherten eine gute Auftragslage. 2006 stellte ihn die Betriebsbilanz vor eine weitere Entscheidung. „Es ging darum, die Weichen entweder auf Wachstum zu stellen oder mich mit einem kleinen Handwerksbetrieb anzufreunden.“ Der Unternehmer setzte auf Wachstum und stellte einen Maschinenbauingenieur für zusätzliches Auftragspotenzial ein.

Nun galt es, stärker den Markt auf dem Festland zu erobern. Dabei hat ihn zunächst das Inselphänomen – wie Grebien formuliert – ausgebremst. Er erläutert, was es mit dem Phänomen auf sich hat: „Ja, man sieht die Insel, kennt die Brücke, ruft aber hier nicht an, wenn man einen Metallbauer braucht.“

Trotz Brücke und aktives Marketing – vom Festland kamen nur wenige Aufträge. Die Lösung war eine Niederlassung in Großenbrode, der Ortschaft unmittelbar nach der Brücke, aber eben auf dem Festland. „Seither haben wir 25 % Kundenzuwachs“, stellt er fest und fügt hinzu, „auf dem Festland verhält man sich ein bisschen wie eine Art geschlossene Gesellschaft, wir auf der Insel gehören schlichtweg nicht dazu.“

Das Problem der Nachfolgeregelung eines Unternehmerkollegen in Großenbrode kam Grebien entgegen. 2008 kaufte er den Mitbewerber auf, übernahm fünf Fachkräfte und stockte die Belegschaft auf 13  Mitarbeiter auf. Im Schwerpunkt fertigt das Team Fenster, Türen und Fassaden aus Aluminium. Zunächst noch in handwerklicher Manier. Dank steter Nachfrage brachte es der Bereich Aluminium auf einen Umsatz von ca. 750.000  Euro. Die Rentabilität eines Bearbeitungszentrums war gegeben. Grebien investierte 140.000 Euro in eine Schüco Maschine. Seit Oktober 2012 setzen die Metallbauer für die Aluminiumfertigung anstatt drei handgeführte Bearbeitungsmaschinen nur noch das Bearbeitungszentrum ein, das alle Funktionen übernimmt. Insgesamt flossen rund 400.000 Euro in die Modernisierung der Niederlassung in Großenbrode.

Vielseitiges Portfolio. Im Jahr verkauft Grebien 45.000  Produktions- und Montagestunden. Das muss er auch, wenn er seine Mitarbeiter nicht abbauen möchte. Dass sich diese 45.000 Stunden hin und wieder zum Damoklesschwert formen, ist klar. Doch mit einem vielseitigen Angebot ist Grebien breit aufgestellt. „Und schließlich ist es die Erfahrung, die einen lehrt, wie man trotz Druck gut leben kann.“

Reicht der Vorlauf an Aufträgen über vier Monate wie beispielsweise am Anfang dieses Jahres, lassen sich die Betriebsabläufe gut planen. „Aber so ist es nicht das ganze Jahr über. In den Sommermonaten schrumpft der Vorlauf häufig auf sechs bis acht Wochen.“ Auf diese Achterbahn ist er eingestellt: Um Arbeitsspitzen abzufedern, ist der Einsatz von Leiharbeitern unverzichtbar. „Auch wenn ich kein Freund davon bin.“ Wird es brenzlig, verlässt sich Grebien auf sein Bauchgefühl. Der Unternehmer zeigt auf seine drei Bildschirme am Schreibtisch: „Das ist allerdings nicht irgendein Bauchgefühl“, unterstreicht er, „sondern ist gefüttert mit vielen detaillierten Betriebszahlen.“

Aktuell stammen etwa 45 % der Aufträge von der Insel, die etwa 13.000 Einwohner zählt und im Hochsommer ca. 100.000 Gäste. Auf Fehmarn machen allein die Arbeiten für den Fährenhafen 20 % aus, ein typischer Auftrag ist beispielsweise die Fertigung von Fenderanlagen aus Stahl. Ein beachtlicher Teil kommt von den Landwirten und Unternehmen der Region. In der Werkstatt schweißen Metallbauer eine trichterförmige Stahl-Schüttgrube für einen landwirtschaft­lichen Betrieb, im Arbeitsbereich Anlagenbau ist ein Metallbauer mit der Fertigung von Transportflaschen für Quecksilber beschäftigt. Die Aufträge dafür gehen teils aus der Schweiz ein. Nicht unerheblich sind Aufträge aus der Industrie. Die Firmen fordern bei Grebien in erster Linie Unterstützung für ihre Betriebsschlossereien an. 64 % der Aufträge generiert der Metallbaubetrieb in der Region um Lübeck und Hamburg.

Die Insellage. Als großen, zugleich leider einzigen Vorteil der Insellage nennt Grebien den geringen Wettbewerb um ­Kleinaufträge. Ansonsten stellt Metallbau auf einer Ferien­insel eher Herausforderungen. An erster Stelle die geografische Lage: Alles, was im 180-Grad-Winkel nördlich des Betriebs liegt – die Ostsee und Dänemark – bietet keinen Markt. Die Fehmarnsundbrücke als einzige Verbindung zum Festland wird bei Sturm hin und wieder gesperrt. „Seit drei Jahren bis zu 20 Mal im Jahr“, erzählt Grebien und gerät darüber in Ärger: „Über 40 Jahre lang waren solche Sperrungen nicht nötig, erst seit Einführung des neuen Verkehrsleitsystems müssen LKWs, PKWs mit Anhänger und Wohnwagengespanne ab neun Beaufort Windstärke vor der Brücke parken und auf Entwarnung warten.“ Bei 12 Beaufort wird die Brücke komplett gesperrt. Will man über die Brücke von der Insel weg und Stürme machen einem immer wieder einen Strich durch die Rechnung, erweist sich Fehmarn als Gefängnis – eine geschäftliche Malaise.

Aber auch auf der Insel sind Verkehrsprobleme an der Tagesordnung, wenn während der Hochsaison rund 100.000 Gäste die Idylle überschwemmen. „Im Zentrum Burg gibt es dann für unsere Firmenfahrzeuge häufig kein Durchkommen.“ Hinzu kommen die lärmbedingten Arbeitseinschränkungen wegen des Fremdenverkehrs.

365 Tage Rundumblick auf die Ostsee, das hat seinen Preis. Dazu zählt beispielsweise auch die Fremdenverkehrsabgabe. Grebien winkt ab, selbst wenn wir in München Türen einbauen, müssen wir dafür hier eine Fremdenverkehrsabgabe entrichten. Ein weiteres Kapitel ist die Logistik. „Damit ein Mitarbeiter nicht zweimal am Tag nach Lübeck oder Hamburg zum Feuerverzinker fährt, ist weitsichtige Planung gefragt.“ Entlastung hat in diesem Punkt die Niederlassung in Großenbrode gebracht. „Für kurzfristige Lieferungen hat sich das Handling seither wesentlich vereinfacht.“

Fachkräfte für den Metallbau zu finden, ist ja inzwischen auf dem Festland schon ein Thema, auf Fehmarn soll es noch schwieriger sein. „Der Tourismus treibt die Kosten für Lebenshaltung und Mieten in die Höhe.“ Grebien laviert sich mit übertariflichen Löhnen aus der misslichen Lage, eine Betriebskultur mit Sommerfest und Weihnachtsfeier sorgt für Zusammenhalt. Darüber hinaus kann er inzwischen mit einem Integrationsprogramm (siehe Infokasten) aufwarten. Mitarbeiter, die länger als sechs Wochen krank sind, brauchen nicht um ihren Arbeitsplatz zu fürchten, sondern haben Sicherheit, dass sie bei Rückkehr in den Betrieb nach gesetz­lichen Vorgaben wiedereingegliedert werden.

Ausblick. Mit Eröffnung der Niederlassung in Großenbrode und der Modernisierung dieses Betriebs ist es Gebhard Grebien gelungen, sein Metallbauunternehmen trotz der Barrieren einer Insellage auf Zukunft zu trimmen.

„Für Krankheit kann ja keiner was.“

Die Personalbeschaffung auf Fehmarn ist mühselig. „Wir brauchen unsere Fachkräfte und möchten sie pfleglich behandeln.“ Diese Maxime hat sich Gebhard Grebien nicht erst gegeben, nachdem sein Geselle Jan Göben mit dem Motorrad verunglückt war. Mit dem Unfall des Mitarbeiters war jedoch der Zeitpunkt gekommen, sie am Krankenhausbett einzulösen und dem 23-Jährigen Hilfe zuzusagen, ohne konkret absehen zu können, was das bedeutet. Grebien wollte ihm neuen Lebensmut schenken.

Göben ist seit seiner Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker bei Grebien beschäftigt. Vor fünf Jahren hatte er den Motorradunfall und ist seither querschnittsgelähmt. Inzwischen hat der Chef das Versprechen konkretisiert, zahlreiche Maßnahmen wurden zur Integration eingeleitet: Göben hat zum Kaufmann für Bürokommunikation umgeschult und arbeitet schon seit einem Jahr als solcher in Teilzeit.

Für die Wiedereingliederung des Mitarbeiters hat Grebien einige Umbauten im Unternehmen ausgeführt, beispielsweise einen Sozialbereich für Schwerstbehinderte mit Ruheraum eingerichtet, die Türen automatisiert, Rampen für den Rollstuhl installiert. „Das gesamte Betriebsgebäude ist mit Rollstuhl befahrbar.“ Die Mühen des Metallbauunternehmers um seinen Mitarbeiter fielen den Behörden auf.

Für die Förderung der Integration erhält er nun am 19. September mit fünf anderen Unternehmen vom Land Schleswig-Holstein im Landeshaus Kiel einen Preis (mit 15.000 Euro dotiert). Grebien stellt klar: „Der Preis bezieht sich nicht nur auf die Maßnahmen für Göben, sondern auf die Umsetzung des landesspezifischen Integrationsprogramms.“ Bestandteil davon ist die Zusage, dass alle Mitarbeiter nach einer Krankheit, die länger als sechs Wochen dauert, wieder am ehemaligen Arbeitsplatz eingegliedert werden.

Ein Beispiel mehr, dass Hartnäckigkeit sowie ein langer Atem sich auszahlen. Anfangs stand nämlich die Realisierung der Maßnahmen sehr infrage, die Hürden schienen zu hoch. „Arbeitsamt, Krankenkasse und Rentenkasse zogen nicht an einem Strang.“ Ein Mitarbeiter der Handwerkskammer hat dank persönlichem Engagement die Barrieren aus dem Weg geräumt. „Nach und nach erhielten wir sämtliche Förderungen, die das Integrationsprogramm vorsieht.“ 


Info & Kontakte

Metallbau Grebien GmbH

Bannesdorf, Meisterstr. 47a

23769 Fehmarn

Tel. 04371 88 99 80

www.grebien.de

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