Passivhaus fordert Präzision

Blower-Door-Test misst Qualität der Arbeit

Passivhaus – das ist für den Metallbauer auch immer ein Stück Risiko. Es gilt, die anspruchsvollen Wünsche von Architekt und Bauherr unter einen Hut zu bringen und dabei in der Ausführung höchstes Niveau abzuliefern. „Der Zeitaufwand ist etwa doppelt so hoch wie bei einem normalen Projekt“, schätzt Wagner.

Projekte über Mundpropaganda

Doch offenbar sind immer mehr Bauherren bereit, diesen Preis auch zu zahlen. 2010 erlebte das Passivhaus in Deutschland seinen Durchbruch. Seinerzeit wurden in Deutschland 311 Wohnhäuser in Passivbauweise gebaut. Und damit mehr als in den zehn Jahren davor zusammen. Bis 2012 stieg die Zahl auf mehr als 400, seither ebbt der Trend etwas ab, ist aber mit zuletzt 216 Passivhäusern pro Jahr immer noch auf deutlich gehobenem Niveau. Am liebsten möchten die Bauherren dabei ohne Heizung auskommen. Dennoch gilt in Handwerkerkreisen: Passivhäuser bleiben ein Geheimtipp. Vor allem beliebt bei gut betuchter Kundschaft.
Und damit zeigt sich auch gleich eine Crux der Passivhaus-Bauweise, wie der Metallbaumeister Olaf Wagner sie schon  erfahren hat: Solche Aufträge bekommt man oft nur über gute Empfehlungen. „Wir haben bisher alle Projekte über Mundpropaganda bekommen“, sagt Wagner und warnt vor Ausschreibungen: „Über den Preis sollte man sich da nicht bewerben.“ Der Unternehmer von der Nordsee hat vor Kurzem bei einem hochwertigen Einfamilienhaus mitgearbeitet, das in Passivbauweise errichtet wurde. Das heißt: Das Haus darf einen Heizwärmebedarf von 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr nicht übersteigen. „Da muss man sehr sauber arbeiten, sonst wird das nichts“, so Wagner.
Bei diesem Projekt hat Wagner ein Stück Giebelfassade errichtet. „Wir haben das im Raico System gemacht. Das hat gut funktioniert, weil man damit große Spannweiten erreicht.“ Schon bei der Materialwahl war äußerste Sorgfalt gefragt. Beim Bau selbst galt es dann, Kältebrücken zu vermeiden. „Man kann mit der Wärmekamera schauen, aber das ersetzt natürlich nicht den Blower-Door-Test“, so Wagner. Mit dem wird das Haus schließlich auf Schwachstellen geprüft. Das Verfahren dient dazu, Leckagen in der Gebäudehülle aufzuspüren und so die Luftwechselrate zu bestimmen. Erst wenn hier die vorgegebenen Werte erreicht werden, bekommt das Passivhaus sein offizielles Siegel.
„Einen Blower-Door-Test während der Bauphase zu machen, ist aber gar nicht möglich“, sagt auch der Stahl- und Metallbauer Thoralf Volkens aus Pohnsdorf. „Da würde ich auf der Suche nach einem kleinen Loch in der Fensterabdichtung ja das Dämmmaterial vom Dach blasen.“ Erst wenn alle Gewerke fertig sind, das Haus wirklich von oben bis unten dicht ist, ist das Verfahren sinnvoll.
Volkens hat mit seiner Firma aus der Nähe von Kiel schon regelmäßig Passivhäuser vor allem mit Fenstern ausgestattet. „2014 hatten wir da eine Handvoll Projekte.“ Bei der Bauausführung predigt auch er höchste Sorgfalt. „Wenn ich das Fenster nicht richtig abgedichtet bekomme, habe ich mit Rosinen gehandelt.“ Kunden bevorzugen hier in der Regel Kunststofffenster mit einer Aludeckschale. „Aus Kostengründen“, wie Volkens sagt. „Die hohen Ansprüche ans Fenster gelten weniger dem Material als der Abdichtung. Die macht 90 % aus.“
„Es ist wichtig, dass man sich genau an die Vorgaben hält“, sagt Christian Lischka vom Metallbauunternehmen Kollesser aus dem brandenburgischen Sonnewalde. Er hat sich mit seinem Unternehmen schon regelmäßig um Passivhausprojekte beworben, vor allem im Bereich Fenster und Türen. Spezielle einschiebbare Thermomodule in den Fensterprofilen sollen dabei das Plus an Wärmedämmung bringen. „Der Einbau ist genau normiert“, so Lischka. „Man muss spezielle Dichtbänder und Einbaufugen verwenden.“ Die Vorgaben der Hersteller sind exakt und gründlich, nichts wird dem Zufall überlassen. Entscheidend ist jedoch die fehlerlose Ausführung. „Die beste Planung nützt nichts, wenn die Schnittstellen nicht stimmen“, sagt Lischka. Die Bauherren würden in der Regel Kunststofffenster bevorzugen. „Doch auch Holzfenster mit Aludeckschalen sind gefragt.“

Fehlerfreie Ausführung - lückenlose Dokumente

Gegenüber konventioneller Bauweise entstehen vor allem in der Logistik höhere Aufwendungen, so der Unternehmer. „Es muss alles lückenlos dokumentiert werden. Das merkt man dann am internen Aufwand, den man ja plausibel erklären muss, um die Kosten schließlich an den Kunden weiterzugeben.“
Auch Thoralf Volkens legt in diesem Bereich viel Wert auf Sorgfalt. „Es ist ja schön, wenn ich es mit dem Architekten und Bauherren besprochen habe, aber die Botschaft muss auch beim Monteur ankommen.“ Die Vielfalt der bei der Fensterabdichtung eingesetzten Klebefolien macht den Job aber teilweise unübersichtlich. „Passivhäuser sind komplexer“, sagt Volkens. „Wir arbeiten daher immer mit einer Montageskizze – die versteht der Handwerker noch am besten.“ Allerdings gehört dieses Procedere bei Volkens auch bei konventionellen Bauprojekten zum Arbeitsablauf dazu. „Weil es besser hilft, als ganze Absätze an Erklärungen aufzuschreiben.“
Für viele Handwerksunternehmen ist das Passivhaus auch nach Jahren auf dem Markt noch Neuland. Viele Projekte zeichnen sich immer noch durch Pionierarbeit aus. Das Problem dabei: Nicht selten laufen die Kosten aus dem Ruder. Als in Freiburg im Breisgau vor etwa fünf Jahren das weltweit erste Passivhochhaus gebaut wurde – ein Sanierungsprojekt der städtischen Wohnbaugesellschaft –, stiegen die vorab kalkulierten Kosten um 15 % auf rund 14 Millionen Euro. Die Zeche mussten letztlich die Mieter zahlen. Das vorab gegebene Versprechen, dass die hochwertige Bauweise sich nicht in den Mieten niederschlagen würde, war am Ende nicht einzuhalten. Und dass, obschon es für das Vorzeigeprojekt Millionenzuschüsse gab. Das Freiburger Hochhaus wurde 1968 gebaut und 2011 zum Passivhochhaus saniert. Das 16-stöckige und 47 Meter hohe Hochhaus wurde dafür innerhalb von anderthalb Jahren komplett entkernt und saniert. Dadurch sank der ursprüngliche jährliche Heizenergieverbrauch von 73 auf 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter Heizwärmebedarf – eine Einsparung von rund 80 %.
Pionierarbeit leistete auch der Metallbauer Werner Idl, als er am Neubau der Firma Durst Phototechnik in Lienz, Osttirol, mitwirkte. Der Hersteller von industriellen Tintenstrahldruckern legte bei dem Neubau Wert auf eine ökologische Bauweise und trieb diese gemeinsam mit dem Architekten Peter Paul Rohracher auf die Spitze. Die Fabrik sollte in Passivhausbauweise errichtet werden. Für Idl eine echte Herausforderung. „Wir haben vorher noch nie einen Industriebau in Passivhausqualität gebaut“, räumt der Unternehmer ein. „Man muss nur die Dimensionen bedenken. Das ist meines Wissens einmalig in Österreich, wenn nicht in ganz Europa. Da gab es Elemente mit einem Gewicht von 1.300 Kilogramm, die millimetergenau versetzt werden mussten.“ Rund 3 t Aluminiumprofile wurden in der Fabrik verbaut, dazu etwa 180 t Glas.
Fensterspezialist Thoralf Volkens legt bei den Projekten immer großen Wert auf eine reibungslose Abstimmung mit anderen Gewerken. „Es gibt schon Schnittstellen, auf die man achten muss.“ Bei Fenstern in Holzrahmenbauweise muss der Metallbauer die Länge der Folien immer mit dem Zimmermann oder dem Spezialisten für Vollwärmeschutz absprechen. „Beim konventionellen Bau hat man eigentlich nur ein Loch in der Wand, das man mit dem Fenster dicht macht. Beim Passivhaus ist das ein bisschen anders.“

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