Smarte Gebäude

Automation schon – Vernetzung eher nicht

Die Studie „Smart home“ der Marktforschungsabteilung Heinze in Celle aus dem Jahr 2013 belegt, knapp die Hälfte der befragten Bauherren stufen den Nutzen einer Hausautomation als sehr sinnvoll ein. Weitere 38 Prozent sehen das ähnlich, allerdings ist der Wunsch danach nicht ganz so stark ausgeprägt.

Der Kabarettist Christoph Siebert witzelt in seinem Programm „Das gönn‘ ich Euch“ über die immer zunehmendere Automation des Lebens: bei Kaffeemaschinen, Ticketautomaten, Autos und über die Technik in und am Gebäude. In seiner Geschichte bedauert er seine Eltern, die mit 70 Jahren nochmals auf der Terrasse übernachten mussten, weil die Zeitschaltuhr ihre elektrischen Rollläden zum Schließen aktiviert und das Haus unzugänglich gemacht hat. Er räumt ein, dass sie mit dem Auto hätten losfahren können, nur unglücklicherweise hatte das Auto einen Müdigkeitssensor, der den Eltern den Start verweigert hat. Die Nachricht vom Auto: „Bin ohne Euch losgefahren! Ihr saht so müde aus!“ Von dieser Seite aus betrachtet, wird klar, wie sehr Fluch und Segen neue Technologien mit sich bringen können.

Gebäude der Zukunft sind smart

Im Jahr 2011 hat das (damals noch) Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (das heutige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) einen Wettbewerb für das Effizienzhaus Plus ausgelobt. Das Einfamilienhaus wurde 2012 als eines der ersten Modellprojekte in Berlin aufgebaut und ein Jahr lang von einer Testfamilie bewohnt und getestet und von Forschern mit technisch und sozial relevanten Monitorings begleitet. Was konnte das Haus und was hat es so außergewöhnlich gemacht? Neben architektonisch ästhetischen Qualitäten war das Haus intelligent. Über eine zentrale Anlage wurde nahezu jeder Lebensbereich automatisch versorgt, der bei konventionellen Gebäuden in der Regel manuell bedient werden muss: Heizung, Kühlung, Strom, Wasser, Licht, Sonnenschutz etc. Neu an diesem Prototypen war die Verbindung der Immobilie mit dem Mobil – sprich: dem Auto. Die eigens im Haus produzierte Energie u. a. durch eine Photovoltaik- und einer Luft-/Wasser-Wärmepumpe-Anlage, und der geringe Energieverbrauch durch intelligente Steuerung trugen dazu bei, dass die Testfamilie eine eigene E-Tankstelle am Haus hatte und mit von der Automobilindustrie bereitgestellten E-Mobilen fahren konnte. Ein ähnliches Vorhaben wurde kurze Zeit später vom Ministerium für eine Altbausanierung in Neu-Ulm ins Leben gerufen. Soweit ein erster Eindruck, wie weit sich die Gebäudeautomation zumindest in der Forschung bislang entwickelt hat und was seitens der Politik angestrebt wird.

Smartphone statt Fernsteuerung

Hersteller wie Gira, Jung oder Hager aus dem Bereich der Schalter- und Gebäudeautomation sind schon sehr, sehr lange mit Bus-Systemen wie KNX (früher EIB) oder LON, aber auch mit leistungsfähigen zentralen Controllern (z. B. SPS, DDC) auf dem Markt und bieten neben klassischen Schalterprogrammen technische Lösungen für komfortables, vernetztes und wie sie selbst sagen energieeffizientes Bauen an. Dass die riesigen Verteilerkästen mit Smartphones vernetzt sind, ist für diese Branche ein alter Hut. Und auch für Verbraucher ist ja der Umgang mit solchen Systemen nicht mehr der neueste Schrei. Bewegungsmelder in der Hof-einfahrt, in öffentlichen Toiletten, die einem Licht, Wasser oder Musik spenden, kennt wohl inzwischen jeder. Rollläden, die automatisch rauf und runter fahren, wenn die Sonne draufprasst oder der Wind zu stark weht, hat sicherlich auch schon jeder irgendwo mal gesehen, um nur diese Beispiele zu nennen. Nur! Dass all diese Funktionen zentral in einem Programm zusammenlaufen, und jeder Nutzer selbst über sein Smartphone oder Tablet steuern kann – das ist noch nicht so weit verbreitet, wie man vielleicht denkt. Und das, obwohl rund 37 Millionen Deutsche bereits im Oktober 2013 ein Smartphone besaßen. Das ergab eine Studie des Analyseinstituts ComScore MobiLens.

Noch weitestgehend unvernetzt

Während zwar die Tendenz zu intelligenten Systemen in Gebäuden steigt, hält in der Realität die Masse der Verbraucher und Häuslebauer noch an unvernetzten Gebäuden fest. Das bestätigt die Studie „Smart home“ der Marktforschungsabteilung von Heinze in Celle aus dem Jahr 2013. Hier wurden vor allem private Neubauer und Modernisierer in Deutschland untersucht. Im Durchschnitt geben die Befragten für einen Neubau 283.000 Euro aus, für eine Modernisierung 93.000 Euro. Das Verhältnis Neubau/Modernisierung liegt bei 23 : 77; letztgenannter Anteil steigt stetig an. Aber wünschen sich die meisten ein intelligentes Heim? Die Studie belegt, dass knapp die Hälfte der Befragten den Nutzen einer Hausautomation als sehr sinnvoll einstuft und würde auch gern den Komfort in Anspruch nehmen. Weitere 38 % sehen das ähnlich. Allerdings ist der Wunsch danach nicht ganz so stark ausgeprägt. Nur 15 % haben kein Interesse an solchen Systemen.

Intelligenz kostet

Carsten Holzhauser, Prokurist des Metallbauunternehmens Brauns im oberbayerischen Siegsdorf, hat die Erfahrung gemacht, dass das Gros an jungen Bauherren an dieser Stelle noch recht zurückhaltend ist. Brauns plant, fertigt, montiert und wartet Produkte rund um Markisen, Rollläden etc. Sie selbst bezeichnen sich liebevoll als „Siegsdorfer Rollladenhochundrunterziehmacher, Sonnendraußenlass-Schutzreparierer, Parkettbodenbeschützer, Wohnzimmertapetenschoner, Esszimmer-Gardinenpfleger, Imwinterunterfreiemhimmelsitzwillförderer, Stechmückenaussperr-Ingenieure, Diebeaussperrer, Dunkelmänner, Lichtspieler, Schattenmänner, Sonnenschirmherumschiebverhinderer, Schlechtwetter-Trotzdemdraußensitzmacher...“. Die erwähnte Zurückhaltung führt Holzhauser auf die monetäre Situation zurück. „Wenn man sich das ganze Geld für ein Häuschen zusammengespart hat, dann bleibt meistens nichts übrig für zusätzlichen Schnickschnack.“ Vom Geld mal abgesehen: Die Wünsche sind da. Allerdings nehmen die Wünsche mit steigendem Alter ab. Am stärksten verbreitet ist der Wunsch, bestimmte Funktionen elektronisch und vielleicht sogar ferngesteuert (z. B. über eine App) regeln zu können, bei den unter Fünfzigjährigen. Modernisierer finden das Thema generell weniger interessant. Soweit die Ergebnisse der Heinze-Studie.

Fassade, Türen und Tore

Eine weitere Studie hat das ift Rosenheim zu den Rosenheimer Tür- und Tortagen 2014 veröffentlicht. Diese unterstützt den Trend zu mehr Gebäudeautomation. Betroffen sind vor allem Fassadenelemente, Türen und Tore. Was früher eher passive Elemente waren, sind durch die Automatismen zu aktiven geworden. Sie dienen u. a. als Glasbruchmelder, Motorschlösser oder Türöffner. Dabei spielt nicht nur der Nutzerkomfort eine tragende Rolle, sondern auch die Themen „Sicherheit“ oder „Energieeffizienz“. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Heinze-Ergebnissen: Die meisten dort Befragten möchten nämlich am liebsten Heizung, Alarmanlagen und Rollläden von unterwegs aus steuern können.

Von Sensoren und Aktoren

Hier wird es für den Metallbauer spannend. Über die Weiterbildung Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten erlangen Handwerker die Zulassung für bestimmte Tätigkeiten an elektrischen Bauteilen. Die wesentlichen elektromechanischen Komponenten in Fenster- und Türelementen sowie deren Anbindung heißen Sensoren und Aktoren. Sie haben folgende Funktionen: Zustands- und Verschlussüberwachung, Glasbruchmelder, Türöffner, Ver- und Entriegelungsapparaturen, Antriebe zum Öffnen und Schließen von Türen sowie Haftmagnete. Gerade in den Bereichen Licht, Heizen und Verschattung kommt meist eine dezentrale Gebäudeautomation zum Zuge – also BUS-Technologien wie KNX. Sie können unterschiedlichste Gewerke der Raumebene miteinander verbinden. Das betrifft Lichtsteuerungen, Temperaturregelungen, Jalousie- und Rollladensteuerungen. Neben diesen Eigenschaften haben BUS-Systeme einen weiteren großen Vorteil: Sie sind bereits fester Bestandteil der Elektroausbildung in Deutschland und somit existiert ein stark verbreitetes Fachwissen bei den ausführenden Firmen. Es bietet sich also auch für den Metallbauer an, sich die Eigenschaften von Aktoren und Sensoren anzueignen, um seine Kunden umfassend beraten zu können und um sich mit dem Elektrofachmann besser austauschen zu können.

Das Metallbauunternehmen Brauns hat längst auf den Markt reagiert. Inhaberin Cornelia Morawietz schickt ihr Personal auf Schulungen. „Unsere Azubis werden bereits in der Berufsschule für Elektroarbeiten weitergebildet. Da bedarf es keiner Zusatzausbildung. Aber wir möchten auch unser erfahrenes Personal schulen, um den Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden.“ Sie spricht sowohl von Schulungen, die Lieferanten wie Somfy oder Roma anbieten, als auch von Weiterbildungen zur Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten. Diese werden beispielsweise von Handwerkskammern, dem TÜV oder vom Bundesverband für Rollladen und Sonnenschutz angeboten. 

Vernetzte Antriebe

Beratung steht auch beim Metallbaubetrieb Brauns in Siegsdorf  an oberster Stelle. Der oberbayerische Betrieb bietet schon lange automatisierte Lösungen an, sowohl für private als auch für gewerbliche Bauherren. „Wir stellen uns den Herausforderungen, die die zunehmendere Automation mit sich bringt“, stellt Morawietz fest. „Die Chance besteht darin, den Kunden zu beraten, und dann zur Stelle zu sein, wenn die Technik mal nicht so funktioniert wie sie soll.“

Brauns verarbeitet Antriebe verschiedener Hersteller. Die meisten Antriebstechnik-Anbieter sind noch mit klassischen Funktechnik-Modellen auf dem Markt. Einige von ihnen haben den Trend zur KNX-Anbindung schon integriert. So bietet beispielsweise der Hersteller Somfy mit der Tahoma-Box eine Lösung, die vor Ort installiert und mit dem Internet verbunden werden kann. Eine Bedienung per App ist hierbei möglich. Als Hauszentrale kommuniziert die Tahoma-Box per Funk u. a. mit allen io-homecontrol-Geräten im und am Haus. Sie ist am Router angeschlossen und stellt so den Kontakt zu einem sicheren universell zugänglichen Server her. Der Zugang zu dieser gesicherten https-Seite ist per Benutzernamen und Passwort möglich. Eine vergleichbare Steuerung vom Hersteller elero nennt sich Centero. Mit der dazugehörigen Funksteckdose Unio-868 kann Centero mit weiteren Geräten verknüpft werden. Zugrunde liegen hier die Betriebssysteme iOS oder Android. Mithilfe einer App können die Nutzer weltweit auf ihre Haustechnik zugreifen. Neben der App gehören ein Server, ein Transmitter-Stick sowie weiteres Zubehör zur Steuerung.

Fazit

Intelligente Häuser haben also heutzutage schon Vieles zu bieten. Vermutlich hatten die Eltern vom oben erwähnten Kabarettisten Christoph Siebert noch kein KNX-vernetztes Smartphone zur Hand. Bei ausnahmsweise vollem Akkustand wäre eine Übernachtung auf der Terrasse nicht notwendig gewesen.

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