Innovativer Messebau

Eine Vision in Licht und Raum auf der IAA

Die Herausforderung Messebau kann faszinierend und vielseitig sein: architektonische Visitenkarte für Aussteller und reizvolles Aufgabengebiet für Metallbauer. Einen Akzent setzte der Messestand der Daimler AG in der Frankfurter Festhalle anlässlich der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) 2009.

Die Frankfurter Festhalle mit ihrer beeindruckenden Kuppel bot den passenden Rahmen für den Messeauftritt der Daimler AG. Kreative Köpfe des Projektes waren die Leichtbauspezialisten von form TL und das Architekturbüro Kauffmann, Theilig & Partner (KTP). Sie inszenierten eine Membrankonstruktion als textile Rauminstallation und visionäres Lichtereignis. Anlass war die Internationale Automobil Ausstellung (IAA). In die Festhalle wurde dazu ein mehr als 5000 Quadratmeter großer, illuminierter „Membranhimmel“ eingezogen. Er schuf spannungsvolle Lichträume für den Auftritt von Mercedes-Benz, AMG, Maybach und Smart.
 
Blickfang. Die Solitärmembran bestand aus Mesh, einem offenporigen Gewebe aus Kunststofffasern mit Kunststoffbeschichtung. 60 Millimeter breite, hochfrequenzverschweißte Nähte hielten die 110 Einzelbahnen zusammen. Um die Fahrzeuge ins richtige Licht zu rücken, wurden insgesamt 27 linsenförmige Ausschnitte in die Zuschnitte eingearbeitet. Dahinter installierte Scheinwerfer leuchteten die ausgestellten Automobile gezielt aus. Weiterer Blickfang: Zwei ringförmige Aussparungen von 10 und 8,5 Metern Durchmesser und ein pneumatischer „Membranball“ mit 13 Metern Durchmesser formten Hoch- und Tiefpunkte. Ein am Rand umlaufendes 12 Millimeter dickes Stahlseil hielt die 110 auf 60 Meter große Rauminstallation unter Spannung und sorgte für eine faltenlose Oberfläche.
 
Geschickter Einsatz. Die semitransparente sphärisch gekrümmte Membranfläche diente zugleich als Licht- und Projektionssegel. Der geschickte Einsatz der Beleuchtung ermöglichte es, die Transparenz des textilen Gewebes zu steuern. Von hinten beleuchtet, wurde das Meshgewebe lichtdurchlässig und gab die Sicht auf das historische Kuppeltragwerk der Festhalle frei. Von unten bestrahlt, verlor das Gewebe die Durchsichtigkeit und bildete wie eine Kinoleinwand die darauf projizierten Lichtinszenierungen ab.
Die eindrucksvolle Textilkonstruktion verminderte den Aufwand für die Hallen- und Standbeleuchtung laut Schätzung der Verantwortlichen um etwa 40%. Auch bei der Hallenbelüftung entdeckten sie ein energetisches Einsparpotenzial. Die vertikale Ausrichtung der Membran mit einem Hoch- und einem Tiefpunkt erzeugte einen Kamineffekt, verbesserte die Hallenthermik und ermöglichte eine gezielte Leistungsreduzierung der Lüftungsanlage.
 
Lastreserven. Eine Herausforderung für form TL war der Umgang mit der historischen Stahlkonstruktion des über 100 Jahre alten Kuppelbaus. Die Statik ist zwar für Schnee- und Windlasten konzipiert, nicht aber für Ausbaulasten. Dass es während der Veranstaltung im September keine Schneelasten zu befürchten gab, spielte den Berechnern in die Karten. Sie konnten diese Lastreserven dafür heranziehen, um die Membran zu befestigen. Den Ingenieuren war es so möglich, die für die Membran erforderlichen Vorspannkräfte von 42 Tonnen in die Dachkonstruktion einzuleiten.
 
Reißfestigkeit. Wesentliche Einzellasten waren dabei die Anhängelasten für den Hochpunkt, ein bleigefüllter etwa 3,5 Tonnen schwerer Ring am tiefsten Punkt der Membran sowie ein pneumatischer Membranball. Letzerer drückte mit seinen 13 Metern Durchmesser die Membran ebenfalls mit circa 3,5 Tonnen Kraft nach unten. Die hohe Vorspannung war erforderlich, um das steife Gewebe faltenfrei vorzuspannen und um kleine Konfektionsfalten herauszuziehen. Das hochfeste Material hat eine Reißfestigkeit von sieben Tonnen pro Meter und konnte zu Montagezwecken sogar begangen werden.
 
Mobilität. Ziel der Architekten war es, mit der nur 600 g/m² sehr leichten und recyclebaren Membrankonstruktion Himmel, Atmosphäre und Klima darzustellen. Sie wollten dies als Ausdruck einer umweltverträglichen und effizienten Mobilität verstanden wissen.
 
Info + Kontakte
 
form TL
Ingenieure für Tragwerk und Leichtbau
Kapellenweg 2b
78315 Radolfzell
Tel. +49 (0)7732/9464-40
Fax +49 (0)7732/9464-94

www.form-TL.de 

 
Kauffmann, Theilig & Partner
Zeppelinstraße 10
73760 Ostfildern/Kemnat
Tel. +49 (0)711/45122-0
Fax +49 (0)711/45122-40

www.ktp-architekten.de

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