Solarenergie contra Sonnenschutz

Kraftwerk Fassade

Fenster, Fassade und Glas leisten durch passive solare Gewinne einen wesentlichen Beitrag zur Einsparung von Energie und damit zur Schonung von Ressourcen. Aber erst die ganzheitliche Betrachtung aller Aspekte wie Wärmeschutz, Angebot an Tageslicht und Sonnenschutz bringt das gewünschte optimale Ergebnis.

Seit Jahren ist der Begriff „erneuerbare Energien“ in aller Munde und mittlerweile zum Synonym für saubere Energien geworden. Die Bezeichnung ist physikalisch gesehen jedoch eigentlich nicht richtig: Energie wird umgewandelt, aber sie kann nicht erneuert werden. Wir haben – nüchtern betrachtet – auch gar kein Energieproblem, denn wir sind von Energie umgeben. Das Problem dabei ist: Sie liegt nicht immer in der gewünschten und technisch nutzbaren Form vor, oder das Energieangebot der Ressource schwankt zeitlich.
Gerade dieser Umstand gilt für die Nutzung der solaren Gewinne in Gebäuden. Während der Wintermonate ist die solare Strahlung begrenzt und schwankt je nach Wetterlage. Im Sommer, wenn das Solarangebot kaum benötigt wird, ist es im Überfluss vorhanden - freilich in einer Form, die wir so technisch nicht direkt nutzen können. Dies führt bei falscher Planung dazu, dass wir im Sommer Energie zur Kühlung aufwenden müssen, um die solaren Gewinne zu beseitigen und ein behagliches Raumklima zu schaffen.
Die Nutzung solarer Gewinne für Gebäude muss  daher gut überlegt und geplant werden. Eine reine Betrachtung von Ug- und g-Wert reicht nicht aus. Nur die ganzheitliche Betrachtung des Gebäudes unter Berücksichtigung der Nutzung, der solaren Gewinne, des erforderlichen Sonnenschutzes, des Angebotes an Tageslicht und ggf. eines Blendschutzes schafft ein für den Nutzer in jeder Hinsicht befriedigendes Umfeld.
 
U-Wert kontra Solargewinne. Der U-Wert ist die maßgebliche Größe für den Wärmeschutz eines Gebäudes. Wertvolle Heizenergie muss eingespart werden. Ein aus Sicht des Wärmeschutzes ideal ausgeführtes „Gebäude“ ist eine Thermoskanne: optimale Isolation, kein Tageslicht, kein Sichtkontakt nach außen und keine Nutzung solarer Gewinne. Eine allerdings nicht wünschenswerte Zukunft.
Glas, Fenster und Fassaden haben zugegebenermaßen einen geringeren U-Wert als zum Beispiel eine massiv gedämmte Wand. Sie kompensieren dieses Manko jedoch durch hervorragende Eigenschaften, die eine Wand nicht besitzt. Sie lassen Tageslicht in den Raum, sie stellen dem Nutzer den Kontakt zur Außenwelt her, und durch die Verglasung gelangt Solarstrahlung ins Innere, die das Gebäude beheizt - kostenlose Energie durch das Fenster. Der Anteil solarer Energie im Vergleich zu den Wärmeverlusten wird oft unterschätzt.
Als erste Aufgabe bei der Planung gilt es daher, den g- und den U-Wert der Verglasung zu optimieren. Geschieht das einseitig nur beim Ug-Wert, ohne die solaren Gewinne zu berücksichtigen, kann das sogar zu einem Mehrverbrauch führen. Dies verdeutlicht die einfache Betrachtungsweise in Form des äquivalenten U-Wertes Ueq = Ug – S x g (Ug = U-Wert der Verglasung; S = Strahlungsgewinn-Koeffizient; g = Gesamtenergiedurchlassgrad), die aber als Planungsinstrument ungeeignet ist. Letztendlich ist eine gesicherte Aussage erst möglich unter Berücksichtigung aller Einflussgrößen (erforderlicher Sonnenschutz, geplanter Fensterflächenanteil usw.) - eine komplexe Aufgabe, die ein Planer leisten muss.
 
Solargewinne kontra Sonnenschutz. Im Sommer ist das Strahlungsangebot der Sonne besonders groß. Die Außentemperaturen sind im Regelfall jedoch so hoch, dass eine Beheizung des Gebäudes nicht notwendig ist. Die Folge: unbehaglich hohe Innenraumtemperaturen. Bereits im Frühling und Herbst können nicht mehr alle solaren Gewinne genutzt werden. Das Zuviel ist eine Aufgabe für einen gut funktionierenden Sonnenschutz, der den g-Wert der Verglasung reduzieren soll. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten:
* Sonnenschutzgläser sind statische Systeme mit niedrigem, konstantem g-Wert. Nachteil: Sie reduzieren die solaren Gewinne auch dann, wenn sie benötigt werden.
* Außen liegende, nach Möglichkeit variable Sonnenschutzsysteme sind am effektivsten, da sie die Solarstrahlung reduzieren, noch bevor sie ins Gebäude gelangt. Nachteil: Sie sind der Witterung ausgesetzt und müssen ggf. durch Windwächter bei Sturm vor Zerstörung geschützt werden. Es gibt jedoch auch Systeme, die hohen Windgeschwindigkeiten widerstehen. Ein weiteres Thema kann die Wartung und Reinigung sein.
* Die genannten Nachteile vermeiden Systeme, die im Scheibenzwischenraum des Isolierglases eingebaut sind. Sie sind vor Beschädigung und Verschmutzung geschützt, müssen aber eine hohe Dauerhaftigkeit aufweisen, da sie für Wartung und Reparatur nicht mehr zugänglich sind.
* Ein im Raum angebrachter Sonnenschutz ist am wenigsten effektiv (insbesondere dann, wenn er als Notbehelf nachträglich geplant wurde), da sich die Strahlung bereits im Raum befindet. Hier besitzen nur nach außen reflektierende Systeme eine befriedigende Leistung.
* Neben den hier angesprochenen klassischen Systemen gibt es noch eine Reihe innovativer Entwicklungen im Sonnenschutzbereich wie beispielsweise elektrochrome Verglasungen und speziell gefertigte Lamellensysteme, die auch zur Lenkung des Tageslichtes dienen.
DIN 4108 und DIN V 18599 enthalten Planungsvorgaben für ein „behagliches Raumklima“ und die Nutzung solarer Gewinne. Die an den Sonnenschutz gestellten Mindestanforderungen stellen allerdings nicht immer ein behagliches Innenklima sicher.
Abschließend sei darauf hingewiesen: Passive System können nur unterstützen. In Hitzephasen mit tropischen Außentemperaturen über einen langen Zeitraum kann auch ein Sonnenschutz keine Innentemperaturen sicherstellen, die unter der Außentemperatur liegen. Hier können Maßnahmen zur Nachtauskühlung durch ein Lüftungskonzept hilfreich sein.
 
Fazit. Wärmeschutz, solare Gewinne und Sonnenschutz sind eine ganzheitliche Planungsaufgabe, um den Energieverbrauch eines Gebäudes zu minimieren und ein behagliches Raumklima für den Nutzer sicherzustellen. Hierbei muss das Gebäude in seinen Funktionen und Energieströmen als Ganzes betrachtet werden. Einseitige Teiloptimierungen, zum Beispiel beim Wärmeschutz, führen oft in eine Sackgasse und für den Nutzer zu unbefriedigenden Lösungen.
Fenster und Fassaden brauchen in jedem Fall einen Sonnenschutz, der – sofern sinnvoll und erforderlich – variabel sein sollte. Nur so sorgt das Solarkraftwerk Fenster und Fassade dafür, dass im Inneren eines Gebäudes Wohnkomfort und niedriger Energieverbrauch herrschen.



 

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