Fenstertage am Puls der Branche

Klartext zur digitalen Entwicklung

Rund 870 Zuhörer bei den Fenstertagen und 136 Teilnehmer am Workshop, der sich inzwischen als Auftaktveranstaltung etabliert hat. Mit den Themen Digitalisierung, Neuerungen bei Normung und Baurecht traf das ift Rosenheim das Interesse der Branche.

Die Digitalisierungswelle rollt längst, heute stellt sich nur die Frage, wer auf der Welle surft und wer hinweggespült wird. „Firmen, die nicht auf den Zug der Digitalisierung aufspringen, werden in fünf Jahren kein Geld mehr verdienen“, hob Prof. Ulrich Sieberath hervor. „Wenngleich aktuell noch strittig diskutiert, steht fest, dass diese Technologie sich durchsetzen wird.“ Der Institutsleiter wies auf die Einbruchsdebatte hin. Wie abgebrüht müssten Eindringlinge sein, wenn elektronisch gesteuert aufgrund eines Signals des im Fenster integrierten Öffnungs- und Bewegungsmelders just im Moment des Einbruchs sich die Rollläden bewegen und die Haustür klingelnd einen Besucher ankündigt. „Solche Funktionen möchte die nächste Generation der Bauherren einfach haben. Ganz zu schweigen von den Möglichkeiten zusätzlicher Dienstleistungen wie Wartung, Entwicklung der Produkte in Abhängigkeit von den Nutzerdaten, Energieeinsparung durch Optimierung von Licht- und Sonneneinstrahlung und vieles mehr.“

Digitalisierung in der Produktion

Von der Fertigung der Zukunft zeichnete Prof. Sieberath folgendes Bild: Sie verwaltet ihren Lagerbestand selbst, optimiert und organisiert die Fahrwege mit selbstfahrenden Hebevorrichtungen, wird von der Planungssoftware direkt angesteuert und ermöglicht kleine, individuelle Losgrößen. Neuerungen in der Konstruktion sind dank Vernetzung und Internet in Planung und Fertigung „on demand“ verfügbar. Die Chancen von Industrie 4.0 gelte es konsequent zu nutzen, damit könne Deutschland als Hochlohnland mit hohen Qualitätsstandards und individuellen Kundenwünschen gegen billige Massenfertigungen punkten.

Digitaler Fensterverkauf

Über den E-Commerce am Fenstermarkt referierte Dr. Frederik Lehner, Geschäftsführender Gesellschafter von InterConnection in Wien. Nach seinen Informationen starten inzwischen rund 80 Prozent der Fensterkäufer im Internet, weshalb sich Fensterbauer Strategien überlegen sollten, wie sie online mit ihren potenziellen Kunden bereits während dieser ersten Schritte kommunizieren können. Dr. Lehner lenkte den Fokus darauf, wie es Herstellern gelingen kann, aus Online-Anfragen und Klicks auf Informations- und Werbedokumente Aufträge und Umsatz zu generieren. Kooperationen mit jungen Start-ups könnten dabei behilflich sein, weil sich diese Kompetenzen für die Hersteller nicht im notwendigen Tempo aufbauen lassen. red◊

Das ift Rosenheim 2017

Das Prüf- und Messinstitut ist weiter auf Wachstumskurs: mit 8 Prozent im Jahr 2016 und einer gleichen Prognose für 2017. So die Info des Geschäftsführers Dr. Jochen Peichl. Der Gesamtumsatz für 2016 betrug 21 Mio. Euro, der Plan für 2017 beträgt 21,5 Mio. Euro. 32 Prozent des Umsatzes wird inzwischen mit internationalen Kunden generiert.

31 ift-Mitarbeiter vertreten die Branche in über 100 nationalen/internationalen Normungsausschüssen und Gremien. Inzwischen beschäftigt das Institut 125 Ingenieure, Physiker und Techniker, insgesamt sind an den ca. 80 Standorten in Deutschland 195 Mitarbeiter tätig. Die Fachkompetenz des Institutes wird von den Unternehmen geschätzt, in den über 100 Veranstaltungen des vergangenen Jahres wurden rund 2.000 Teilnehmer gezählt. Auch die ift-Hotline mit über 2.000 Anrufen in 2016 trifft den Bedarf der Branche. 62,2% der Anrufer sind Metallbauer/Fensterbauer/Schreiner, im Schnitt dauert ein Telefonat acht Minuten.
Die Marktentwicklung in Richtung Smart Home unterstützt das ift auf Seiten der Hersteller mit dem neuen Labor für elektrische und funktionale Sicherheit und auf Seiten der Verarbeiter mit dem Angebot der Weiterbildung zur Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten. Mit dem Bauelement Fenster im Fokus kann diese in nur einer Woche absolviert werden. Was die Internationalisierung der Branche betrifft, können inzwischen in Kooperation mit der Prüf-und Zertifizierungsstelle UL notwendige Prüfnachweise für den US-Markt absolviert werden. Das Technologiezentrum wird 2018 so weit ausgebaut sein, dass alle weltweit erforderlichen Brandschutzprüfungen in Rosenheim durchgeführt werden können. Nach Einschätzung von Institutsleiter Prof. Ulrich Sieberath wird die Bedeutung von Prüf- und Messinstituten weiter zunehmen: „Die Prüfungszyklen für ein Bauelement werden beschleunigt, der Markt fordert kürzere Entwicklungszeiten für neue Produkte.“

Hugo Philipp, VFT Vorsitzender und Geschäftsführer der KBM Philipp-Fassadenplanung in Schwarzenbach/Saale

Die Fenstertage sind für mich schon seit Jahren ein Pflichttermin, auch als Vorsitzender des VFT. Man hat ja so ein Bauchgefühl, dass sich die Branche in die Richtung Digitalisierung und Smart Home weiterentwickelt, wie es auch Prof. Ulrich Sieberath in seinem Begrüßungsvortrag beschrieben hat. Wir müssen der Wende in unserer Branche gerecht werden, müssen uns mit diesen elektronischen Entwicklungen beschäftigen. Im VFT gibt es beispielsweise einen Arbeitskreis zum Thema BIM, meine Kollegen Dirk Risse und Danuta Pflaume kümmern sich darum. Uns geht es dabei über diesen Small Talk hinaus um konkrete brauchbare Ergebnisse, realistische Einschätzungen, was BIM für die Branche bedeutet. Sicher weht der Wind der Digitalisierung rhetorisch sehr scharf, aber wir brauchen auch die Handwerker, ohne sie geht es nicht. Sie dürfen sich nicht verlassen vorkommen und brauchen mehr denn je Wertschätzung. Es gibt durchaus Handwerker, die sagen, Industrie 4.0 interessiert mich nicht, ich mache meine Arbeit, die ist gut und wird bezahlt. Damit bin ich zufrieden. Industrie 4.0 trifft vor allem größere Bauvorhaben, bei denen auch größere Firmen involviert sind. Als Dozent an der DHBW Mosbach haben wir Studenten zu Kursen über 3D-Modelle und BIM geschickt, die Rückmeldungen der Studenten waren nicht bahnbrechend, sodass ich vorsichtig geworden bin, wie praktikabel BIM in unserer Branche umgesetzt werden könnte. In der Summe bieten die Vorträge an den Fenstertagen eine interessante Mischung aus Praxis und Theorie, beispielsweise gab es einen Vortrag zum neuen Leitfaden für die Montage von Vorhangfassaden. Auch wenn dieser Leitfaden für mich als Gutachter inhaltlich nicht viel Neues bringt, manches sollte auch noch diskutiert werden, werde ich den Leitfaden mit auf die Baustelle nehmen und bei Diskussionen als Argumentationshilfe, weil RAL Gütezeichen, nutzen. Viel wichtiger ist es aber, dass dieser Leitfaden beim Nachwuchs platziert wird.

Ronny Knüpfer, Goldbeck Bauelemente in Treuen

Die Messe BAU in München und die Fenstertage sind Veranstaltungen, für die ich regelmäßig zwei Tage in meinem Kalender reserviere. Die Themen sind abwechslungsreich, für den ersten Tag habe ich durchgängig einen Vortrag aus dem Programm gewählt. Gestartet bin ich mit dem Referat von Christian Anders über den Montageleitfaden, interessant war auch der Vortrag „Die Fenstermaschine“ von Vesna Pungercar sowie die Informationen von EControl-Glas über dimmbare Verglasungen. Der neue Montageleitfaden ist ein notwendiges Projekt, auch Goldbeck benötigt ein paar Exemplare. Der Leitfaden ist sowohl für die Konstruktion als auch für die Montage relevant. Ferner ist für uns die Fenster- und Türausstattung mit Mechatronik interessant. Derzeit produzieren wir die Fenster und Türen auf Anfrage Smart-Home ready. Mein Bauchgefühl sagt, diese Ausstattung wird in den nächsten zwei, drei Jahren noch nicht serienmäßig. Dem Trend werden wir mit Weiterbildungen von Seiten der Hersteller gerecht, die Weiterbildung zur Elektrofachkraft für beschränkte Tätigkeiten ist für uns momentan nicht relevant. Wir bei Goldbeck haben eine Fachabteilung für Elektrotechnik, mit der wir uns für solche Anfragen absprechen.


Matthias Willberg, Vertriebsleiter Orgadata in Leer

Die Digitalisierung beschert Umwälzungen, die unsere Generation und auch die Generation zuvor nicht hatten, viele Leute vergleichen die Digitalisierung mit der Erfindung der Dampfmaschine – ich würde sogar noch darüber hinausgehen. Die Dampfmaschine betraf in erster Linie die Industrie, die Digitalisierung verändert alle Lebensbereiche. Es geht nicht darum, ob ein Unternehmen ein ERP-System mit einem CAD-System verknüpfen kann, die Lebens- und Arbeitswelt wird sich massiv verändern, egal ob es sich um einen Zweimann-, Zehnmann- oder 500-Mann-Betrieb handelt. Siri oder Alexa – digitale Assistenten bleiben nicht im Wohnzimmer, sie werden in alle Bereiche des Lebens, auch in die Arbeitswelt einziehen. Das wird vielleicht zu neuen Arbeitsmodellen führen, möglicherweise sitzt man in ein paar Jahren nicht mehr in der Firma zusammen, vielleicht sind Büros künftig virtuelle Räume. Empfehlungen zu geben ist schwierig, ich an Stelle eines Metallbauunternehmers würde mir mein Leistungsportfolio genau anschauen, herausfiltern, womit ich im Schwerpunkt Geld verdienen kann und will und schauen, dass diese Produkte auf dem Stand der Technik sind. Gleichzeitig gilt es wachsam zu sein, wohin die Entwicklungen und Trends in diesem Bereich gehen. Entsprechend würde ich Maßnahmen einleiten, bei den Mitarbeitern,  der Maschinentechnik und/oder neuen Rechnergenerationen. Eine fixe Lösung oder eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht. Ein simples Beispiel: In Zukunft wird keine Papierbestellung mehr akzeptiert werden, weil Bestellungen direkt von elektronischen Systemen empfangen werden. Diese Entwicklung wird jeden Betrieb betreffen.       ma◊

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