Im Windschatten …

… von Generalunternehmen (GU) soll manches Nachunternehmen mit den Anforderungen für den Brückenbau und auch im Bereich der Instandhaltung mithalten können, obwohl es die in der Ausschreibung geforderten Qualifikationen nicht hat – zum Beispiel einen Nachweis für Betonstahlschweißen. So eine anonyme Information.

Im Gespräch mit ausführenden Brückenbauunternehmen und einer Baurechtsanwältin haben wir nach den gesetzlichen Spielräumen und Lücken recherchiert, die dieses Szenario bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen ermöglichen.

Eingespielt oder Seilschaft

Zwei Wege sind uns aufgefallen: In der Ausschreibung des öffentlichen Auftraggebers (AG) können Eignungsnachweise zweifach kontrolliert werden. Entweder sind diese mit dem Angebot einzureichen oder auf „gesonderte Anforderung“ des AG vorzulegen. Bei letzterer Formulierung kann die Kontrolle beispielsweise, weil Auftraggeber und GU eine über Jahre vertrauensvolle Kooperation pflegen, wegfallen. Eine Möglichkeit also, wie unqualifizierte Nachunternehmen über Jahrzehnte immer wieder zum Zug kommen können.

„Stille-Post“ im Vergaberecht

Eine zweite Möglichkeit ergibt sich durch eine klare Lücke im Vergaberecht für öffentliche Aufträge (unterhalb des Schwellenwertes für Bauaufträge von 5 Mio. Euro). Dieses regelt nämlich nicht, auf welcher Basis von Unterlagen der GU den Nachunternehmer beauftragt: Der GU braucht nicht vollständig den für den Nachunternehmer relevanten Teil der Ausschreibung weiterzugeben. Es können nur Teile sein oder er kann selbst ein Leistungsverzeichnis für den Nachunternehmer erstellen. So können wichtige Informationen, aufgrund derer vielleicht auch der Angebotspreis höher ausfallen würde, verloren gehen, beispielsweise die Anforderung von Eignungsnachweisen.

Kontrolliert der AG Eignungsnachweise und der Nachunternehmer muss nun — entgegen seinen Informationen — die in der Ausschreibung des AG geforderten Unterlagen vorlegen, muss er seine Mitarbeiter ein bisschen schneller schulen lassen oder Sanktionen in Kauf nehmen.

Wer übernimmt aber in diesem Fall die für den Nachunternehmer überraschenden, zusätzlichen Kosten? Das Recht spricht für ihn, erklärt die Anwältin. Der Nachunternehmer muss nicht zwangsweise auf den Kosten sitzen bleiben, er kann zivilrechtlich gegen den GU vorgehen. Diesen bringt das Zurückhalten von so wichtigen Informationen rechtlich in eine missliche Lage.

Würgegriff statt Windschatten

In der Geschäftspraxis wandelt sich an diesem Punkt die Windschattenfahrt zum Würgegriff. Statt Recht setzen sich nicht selten wirtschaftliche Abhängigkeiten und das Recht des Stärkeren durch – auch weil Nachunternehmen, die mit preisgünstigen Angeboten punkten, meist keinen Zugriff auf schlagkräftigen Rechtsbeistand haben.

In diesem Sinn haben wir uns den Einsturz der Ponte Morandi in Genua zum Thema gemacht.

Es grüßt Sie,

Stefanie Manger
Chefredakteurin

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