Interview

Jürgen Tasch von Vollack

„BIM muss man leben!“

Dipl.-Ing. Jürgen Tasch arbeitet als Konstrukteur für Vollack Hallen- und Stahlbau. Vor 25 Jahren hat er das Reißbrett gegen einen CAD-Arbeitsplatz getauscht, inzwischen setzt er mit Tekla Structures die BIM-Arbeitsweise ein.

metallbau: Über welche Grundausbildung verfügen Sie? Wie wurden Sie für die Arbeit mit Tekla in BIM-Arbeitsweise ausgebildet?

Jürgen Tasch: Nach meiner schulischen Ausbildung habe ich den Beruf des Baufacharbeiters gelernt. Schon da war das Fach „Technisches Zeichnen“ eines meiner Lieblingsfächer. Nach ein paar Jahren auf der Baustelle wollte ich wieder ans Zeichenbrett. Also bin ich Ingenieur für Hochbau geworden. Bereits vor 25 Jahren habe ich das Reißbrett gegen einen CAD-Arbeitsplatz getauscht und dann in einigen Stahlbaufirmen mit verschiedenen Programmen gearbeitet. CAD/CAM war das Ziel. Heute ist das selbstverständlich. BIM ist nun in aller Munde. Doch es wird mehr darüber geredet als angewendet. Ich habe Glück. Mein Programmanbieter Trimble legt mit seiner Software Tekla Structures seit vielen Jahren großen Wert auf die BIM-Methode. Um mich über aktuelle Entwicklungen zu informieren, nutze ich Fachzeitschriften und die regelmäßige Updateschulung. BIM kann man jedoch nicht einfach lernen, man muss es leben.


metallbau: Wie hoch ist der Anteil Ihrer Arbeit mit BIM? Welche Vorteile sehen Sie in der modellbasierten Planung?

Tasch: Die Frage, wie viel ich in meiner täglichen Arbeit tatsächlich mit BIM umsetze, ist nicht leicht zu beantworten. Wo fängt BIM an? Ich denke, bei jedem einzelnen Projektbeteiligten. Ich bin in der Lage, die Realität sehr genau abzubilden. Also tue ich das auch. Wenn nicht, vergebe ich mir viele Möglichkeiten bei der zukünftigen Bearbeitung des Projekts. Stellen Sie sich eine 2D-Zeichnung mit vielen Strichen und Texten vor. Experten können damit etwas anfangen, aber bei komplexen Projekten wird es selbst für sie schwierig. Und nun stellen Sie sich Körper in einem 3D-Raum vor. Die lassen sich aus jeder Richtung betrachten. Eine Zeichnung ist dann nur noch eine Art Foto des Modells. Immer wenn sich etwas am Modell ändert, ändert sich die Zeichnung automatisch mit. Manche möchten noch Papier, doch immer mehr bevorzugen heute Dateien.

metallbau: BIM ist doch mehr als eine Zeichnung in 3D!

Tasch: Was BIM so stark macht, sind die Dimensionen über 3D hinaus. Jedes Bauteil, jede Gruppe von Objekten, ja sogar deren Flächen, besitzen im 3D-Modell eine Vielzahl an Attributen. Aus Material, Dichte und Volumen ergibt sich beispielsweise das Gewicht eines Körpers. So kann ein Statiker mit dem Modell arbeiten. Zeitattribute, die sogenannte vierte Dimension, helfen dem Projektmanagement bei der Planung von Abläufen. Die Liste der Möglichkeiten ist lang. Warum also, soll ich auf all das verzichten? Wenn Sie eine neue Küche planen, gehen sie in ein professionelles Küchenstudio. Sie sehen sofort, was sie bekommen, wissen, wann es geliefert wird, und kennen den Preis.


metallbau: Man hört immer wieder, BIM soll die Arbeitsfreude heben? Wie ist das bei Ihnen? Was ist der Spaßfaktor an BIM?

Tasch: Man soll Freude an der Arbeit haben oder den Beruf wechseln. Ich bin seit zwanzig Jahren Konstrukteur bei Vollack und die Projekte sind mit den Jahren immer anspruchsvoller geworden. Das fordert eine ständige Weiterentwicklung der Programme, aber auch deren Anwender. Es ist mit einem sportlichen Wettkampf zu vergleichen, bei dem man sich ebenfalls über jeden errungenen Sieg freut.


metallbau: Haben Sie aus Ihrer Warte den Eindruck, die Technik für die BIM-Arbeitsweise ist ausgereift? Oder welche technischen Entwicklungen halten Sie noch für notwendig?

Tasch: Als ich mit dem CAD in den 90’ern begann, gab es Walkman und die ganz Fortschrittlichen hatten einen tragbaren CD-Player. Heute streame ich Musik mit dem Smartphone. Keiner hat das damals geahnt. Es gibt bereits einige Entwicklungen, die auf eine breite Anwendung warten. 3D-Laserscan ist so eine. Anstatt einzelner Messpunkte für Achsen und Höhen gibt es eine Punktwolke, in der jede Fläche, Kante und Ecke ihren Platz im Raum hat. Allen Projektbeteiligten zur Verfügung gestellt, wird das Bauen im Bestand um vieles einfacher und preiswerter. Bei Vollack haben wir diese Technik zum Beispiel genutzt, um damit das benötigte Geländeprofil für eine 250 Meter lange Rad- und Fußgängerbrücke zu erzeugen. Stahl- und Betonbau sind so millimetergenau aufeinander abgestimmt. Nach Fertigstellung wird mit einem zweiten Scan die Maßhaltigkeit der Ausführung geprüft. Das schafft Sicherheit und Vertrauen.


metallbau: Was haben Sie für einen Eindruck, welche Auswirkungen BIM für die Tätigkeit der ausführenden Stahlbauunternehmen hat? Sehen Sie Risiken, dass über die BIM-Arbeitsweise dem Stahlbauer Gestaltungsfreiheit/Verantwortlichkeiten, die ihm wichtig sind, aus der Hand gerissen werden? Oder gewinnt er mehr Verantwortung?

Tasch: Da muss ich ein wenig gesellschaftskritisch werden. Sehr oft wird versucht, die Verantwortung zu verteilen. BIM ist da Fluch und Segen. Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen. Der LOD (Level of Development), also der Detaillierungsgrad eines BIM-Modells, ist zwingend zwischen allen Usern, die am Modell arbeiten, zu vereinbaren. Je fachspezifischer der teilnehmende Planer, umso höher muss der LOD, also die genauere Modellierung sein. Dem Architekten ist die Bewehrung in einem Betonbalken relativ egal, jedoch nicht dessen Abmessungen. Die bestimmt unter anderem die lichte Höhe. Will der Stahlbauer dort dübeln, wird die Bewehrung relevant. Das gemeinsame Modell kann helfen, einen Weg zu finden, die Bewehrungsführung und Anordnung der Dübel zu optimieren. Treffen Bewehrung und Dübel erst auf der Baustelle aufeinander, müssen möglicherweise die Dübel mit Zeitverlust umgeplant werden. Wird das Problem nicht bemerkt, dann können später Bauschäden entstehen. Was ist nun mit der Verantwortung? Ich meine, die hat man sowieso. Die BIM-Methode hilft jedoch sehr, dieser auch gerecht zu werden. BIM kann Zeit und Geld sparen, nicht nur in der Bauphase, sondern während der gesamten Nutzung bis hin zum Abriss des Gebäudes. Wenn das allen bewusst wird, kann ein Teil der eingesparten Zeit für eine noch bessere Planung freigelenkt werden.⇥red

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