„Leistung ist nicht alles.“

Mit Werten führen

Sehr viel Zeit bringt Unternehmer Stephan Schneider in Gesprächen zu. Meist mit Mitarbeitern, gelegentlich auch mit Lieferanten und Kunden. „Ich will der Wahrheit auf den Grund gehen“, nennt der 56-Jährige, der 2005 den Betrieb Umformtechnik Radebeul gekauft hat, als Motivation für den engen Austausch.

2005 hatte der Spezialist für Alu-Umformung 37 Mitarbeiter und machte sechs Millionen Euro Umsatz, davon 80 % mit nur einem Kunden aus der Automobilindustrie. Heute beschäftigt Schneider, der Managementerfahrung unter anderem als Betriebsleiter der Hoechst AG gesammelt hat, fast 140 Mitarbeiter. Parallel verdoppelte er den Umsatz, erhöhte die Wertschöpfung im Betrieb und diversifizierte in Elektrotechnik, Medizin und Sport. Automotive trägt heute nur noch 50 % zum Umsatz bei, dafür sind es aber auch hier gleich mehrere Kunden, die mit dem gebürtigen Münsteraner zusammenarbeiten.

Viel kann Schneider mit seinen intensiven Mitarbeitergesprächen also nicht falsch gemacht haben. Im Gegenteil, ist der Chef überzeugt. „Wer sich gerecht behandelt fühlt, wertgeschätzt weiß und gesehen sieht, ist ganz anders bei der Arbeit“, hat Schneider beobachtet, der aus einer christlichen Familie stammt, deren Werte ihn geprägt haben: Der Unternehmer will vor allem gerecht sein. Aber auch erfolgreich, um seinen Mitarbeitern den „gerechten Lohn“ zu zahlen, den sie seiner Meinung nach für ihre engagierte Arbeit verdient haben.

„Manchmal ist es gar nicht einfach, zwischen Barmherzigkeit und Leistung abzuwägen“, sagt der Sohn einer evangelischen Organistin, der Mitte Januar den Christlichen Führungskräftekongress in Leipzig besucht hatte. Drei Tage lang haben sich dort 3.200 Unternehmer, leitende Angestellte und Selbständige im Kontext ihres christlichen Glaubens ausgetauscht und miteinander gebetet.

Als Unternehmer hat sich Schneider dort versichert, zwei zentrale Aufgaben zu haben: Gewinn erwirtschaften und gerecht führen. Zeit für die vielen Einzel- und Teamgespräche in seiner Firma nimmt sich der Unternehmer, auch wenn die Familie zeitlich darunter leidet, weil sie ihm wichtig sind und er als Chef entscheidet, wo er in seinem Arbeitsalltag die Schwerpunkte setzt.

Der Metallverarbeiter ist sich aber auch sicher, dass die intensive Kommunikation gut investierte Zeit ist. Denn wer mehr Zusammenhänge sieht, macht weniger Fehler, und wer sich besser wertgeschätzt fühlt, identifiziert sich stärker mit seiner Aufgabe und seinem Arbeitgeber. „Ich weiß sehr viel Privates über meine Mitarbeiter. Dieses Wissen hilft mir, manches zu verstehen und individuell zu führen“, sagt der 56-Jährige.

So hat er erlebt, dass hinter einem Mitarbeiter, der plötzlich hohe Fehlzeiten hatte, ein Pflegefall in der Familie stand. Und eine Mitarbeiterin, die um das Einverständnis für einen Nebenjob bat, hatte in Wahrheit Geldsorgen, weil ihr Mann arbeitslos geworden war. In solchen Gesprächen sucht Schneider dann mit den Betroffenen Lösungen. Das kann befristete Teilzeit sein, ehrenamtliche Hilfe in der Pflege, unbürokratische finanzielle Unterstützung oder dass übergangsweise das Team die Minderleistung auffängt. „Hauptsache, der Mitarbeiter weiß sich gesehen – und hat dann auch wieder den Kopf für die Arbeit frei“, erklärt Schneider seine Führungsphilosophie.

Auch umgekehrt hat er schon erlebt, dass sich Mitarbeiter in der Firma dermaßen in Arbeit stürzten, dass ein gesundes Maß überschritten war. Auch hier brachte das Gespräch zutage, dass der Facharbeiter familiäre Sorgen hatte, denen er an der Drehbank oder in der Konstruktion entfliehen wollte. „Manchmal nehme ich einen Mitarbeiter auch nur in den Arm und gebe ihm meinen Halt“, sagt der Chef, der auch nicht auf alle Fragen dieser Welt eine Antwort weiß. Im Gegenteil.

Kritisch merkt der 56-Jährige an, es sei ihm heutzutage peinlich, wie viel er noch vor zwanzig oder zehn Jahren für seine Leistung gehalten habe, wo stattdessen Gott seine Hand im Spiel gehabt habe. „Allein kann ich faktisch doch fast gar nichts“, sagt Schneider, der lange auf seine Managementtalente stolz war. Auf andere habe er früher gefühllos gewirkt. Emotion zu zeigen, habe er als Schwäche gewertet. Heute sei er dankbar, seine Gefühle zeigen und Empathie empfinden zu können.

Auch in seinen Kunden- und Lieferantenbeziehungen ist der Wahl-Sachse aufrichtig. So bekommen etwa alle dasselbe Weihnachtspräsent, unabhängig von den Machtverhältnissen in der Geschäftsbeziehung. Und es ist ihm wichtig, dass er seinen Lieferanten faire Preise zahlt, wie auch seine Umformtechnik auskömmlich honoriert werden sollte. Auch das ist ein Teil seiner Gerechtigkeitsphilosophie. „Mir ist es viel lieber, ein Kunde sagt konkret, was ihn an uns stört, zum Beispiel dass er einen anderen Ansprechpartner will, als dass er sich ohne Begründung verabschiedet“, gibt der Alu-Umformer ein Beispiel.

Was ihn motiviert, ist der Nachweis, dass Sachsen ein guter Produktionsstandort sei. „Ich will Menschen Arbeit geben, eine Aufgabe und Teilhabe an einem Team“, sagt Schneider, der mittlerweile rund 100 neue Jobs geschaffen hat. Deshalb habe er sich auch immer mehr zum Spezialdienstleister entwickelt, bei dem nicht der günstigste Preis das wichtigste Verkaufskriterium ist. Stattdessen versteht er sich auf systematische Produktlösungen, wo statt stereotyper Roboter individuelle Menschen ihr Knowhow einbringen.

Sein Glaube an Gott gebe ihm die Bescheidenheit, sich seiner großen unternehmerischen Aufgabe täglich neu zu stellen. Aus einer Haltung der Dankbarkeit heraus sehe er täglich das Glas halbvoll statt halbleer. Das sei ihm Motivation genug. Und dass er auf Messen oder bei Veranstaltungen wie jüngst Mitte Januar dem Christlichen Führungskräftekongress in Leipzig immer wieder hilfreiche Kontakte knüpft, schreibt er letztlich der Fürsorge Gottes zu.

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