VFF Jahreskongress

Mit Argumenten und Marketing nach vorne

Zum Jahreskongress nach Potsdam kamen ca. 190 Teilnehmer. Präsident Detlef Timm hatte es sich zur Aufgabe gemacht, im Laufe der Diskussion ein Positionspapier zu erstellen, in dem es um die steuerliche Förderung energetischen Bauens und Sanierens geht. Die Resolution wurde an die Politiker versandt, die wegen ­einer kurzfristig angesetzten Abstimmung die Teilnahme am VFF-Podium abgesagt hatten: darunter MdB Michael Groß (SPD), Christian Kühn (B90/Grüne), Norbert Müller (Die Linke) und Volkmar Vogel (CDU).

Der Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs thematisierte in seinem Grußwort bezahlbare Wohnungen. „Zugunsten der Preise sollten jedoch die baulichen Maßnahmen im Sinne der Klimaschutzziele nicht zurückgefahren werden“, zeigte Jakobs Farbe für die Ziele des Verbandes der Fenster- und Fassadenhersteller (VFF). Was den Wohnungsbau betrifft, profitiere die brandenburgische Landeshauptstadt derzeit von der Wohnsituation in Berlin. „Um dem jährlichen Zuzug gerecht zu werden, bräuchte die Bundeshauptstadt im Jahr ca. 27.000 Wohnungen mehr, baut aber derzeit nur circa 8.000 Wohnungen im Jahr. Viele Menschen würden sich deshalb in Potsdam niederlassen.

Potenzial für die Entwicklung der automatisierten Gebäudehülle zeigte Jörg Kachelmann auf. Der Wetterexperte hob hervor, dass viele Menschen ein abergläubisches Verhältnis zum Wetter hätten und deshalb eine selektive Wahrnehmung. „Ein normaler deutscher Sommer ist ein Achterbahnsommer“, sagte er. Aberglaube und das Wetteifern der online-Redaktionen um Klicks machten es der Realität schwer. Eine Steuerung der Fenster über die Haustechnik und in der Verlängerung auf Basis von Wetterprognosen hält er prinzipiell für möglich, allerdings müsse das Institut für die Wettervorhersagen gezielt ausgewählt werden. „Die Vorhersagen sind unterschiedlich präzise und gute Vorhersagen auch mit treffenden Aussagen zur Windgeschwindigkeit sind aufwändig, viele Websites zum Wetter sind nur Fake“, so Kachelmann. Zum Klimawandel konstatierte er kurz, dass er keinen Grund kenne, weshalb der Wandel stoppen sollte.

Quote versus ­Freiwilligkeit

Thomas Drinkuth von der Deutschen Energie-Agentur (dena) richtete den Fokus auf die Energiewende im Kontext einer effizienten Gebäudehülle. In der Fassade sieht er Potenzial für mehr Energieeffizienz, weil mehr als 60 Prozent der älteren Gebäude über keine Dämmung der Fassade verfügten und trotz vielfacher Sanierungsleistungen immer noch 45 Prozent der Fenster energetisch schlecht sind. Nach statistischen Erhebungen steht einer Soll-Sanierungsrate des Gebäudebestandes von circa zwei Prozent pro Jahr eine Ist-Sanierungsrate von einem Prozent gegenüber. Nichtsdestotrotz forderte Axel Graf Bülow in der Podiumsdiskussion, die Fördermittel für Fenster und Fassaden auf den Prüfstand zu stellen. „Quoten haben keinen Selbstzweck, vielmehr müsse an der sozialen Akzeptanz der Klimaschutzziele gearbeitet werden“, argumentierte der Hauptgeschäftsführer der bundesweiten freien Tankstellen. „Schlussendlich setzen sich nur Maßnahmen durch, die von Verbrauchern akzeptiert werden und wirtschaftlich sind.“ Eine gesetzliche Verankerung von Einbruchschutz hält der brandenburgische FDP-Vorsitzende ebenfalls für eine Überregulierung, für ein Umdenken im Mietwohnbau machte er sich hingegen stark: „Mietern sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich in ihren vier Wänden sicher zu fühlen.“ Unterstützung für das freiwillige Engagement erhielt er von Ronny Meyer: „Alles was mit Verpflichtung zu tun hat, stößt auf Ablehnung“, stellte der Journalist und Diplom-Ingenieur fest. Er stellte die Initiative „Modernisierungsoffensive“ vor, die er gegründet hat. Diese ist mit Standort Berlin für alle Unternehmen und alle Gewerke offen, denen Qualität wichtig ist.

Meyer plädierte für einen Modernisierungsberater äquivalent zum Energieberater. Dieser sollte den Markt für altersgerechte Sanierung mobilisieren. Meyer vermutet, dass nur circa ein Prozent der Wohnungen für das Leben älterer Menschen ausgestattet ist. Dieser riesige Markt liegt aktuell brach. Um dies zu ändern, bräuchte es eine einheitliche Sprache und eine Vereinfachung der Instrumente, zu denen auch die Einführung eines Modernisierungsberaters gehört, der den Start der Sanierungsmaßnahme einfädelt.

Auf seine Frage, wer denn die Energieeinsparverordnung (EnEV) bis zum Ende durchgelesen habe, konnte sich keiner der Kongressteilnehmer melden – bis auf Frank Koos, der beim VFF den technischen Ausschuss leitet. Meyer zeigte für die Unbelesenen Verständnis: „Es würde circa drei Jahre lang dauern, die gesamte EnEV zu lesen. Das kann niemand leisten, vor allem weil sich in der Zeit parallel so viele Verordnungen ändern.“ Als Konsequenz forderte er eine Entbürokratisierung und eine drastische Vereinfachung der Instrumentarien.

Die Resolution für die Politiker

Bei den Inhalten für die Resolution (das Dokument finden Sie unter: www.metallbau-magazin.de) stützte sich Präsident Detlef Timm auf die politische Podiumsdiskussion, an der Ronny Meyer, Ulrich Tschorn, Axel Graf Bülow, Christoph Silber-Bonz und Thomas Drinkuth teilnahmen. Die wesentlichen Punkte des Papiers sind:

  • Im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens wird eine Erhöhung der Sanierungsquote gefordert.
  • Im Vergaberecht soll künftig Nachhaltigkeit vor Preis gelten.
  • Bei Bauten der öffentlichen Hand sollte in Sachen Energieeffizienz vorbildlich gehandelt werden.
  • Es muss ein eigenes Ministerium für das Bauen geschaffen werden.

Thomas Drinkuth betonte, dass im Instrumentenkanon pro Energiewende noch Luft sei. „Zwar ist das Thema seit zehn Jahren auf dem Tisch, gleichwohl ist der Markt noch jung, es gibt für die Verbraucher bislang wenig Must-to-have-Produkte, die als Leitprodukte fungieren könnten.“

Technische Themen

Der VFF ist an über 40 Normungsgruppen beteiligt, das Know-how bereitet der technische Ausschuss unter der Leitung von Frank Koos für die Branche auf. Im Laufe der Jahre wurden 47 Merkblätter rund um Fragen zu Fenstern, Fassaden und Haustüren erarbeitet.

Prof. Ulrich Sieberath vom ift Rosenheim referierte zum Trendthema Glas: „Zurzeit geht bei uns jeden zweiten Tag ein neues Glasgutachten ein“, informierte er. Ob Befestigung, Kopplungsfehler oder eine falsche Anordnung bei der Montage, die Fehlerquellen seien vielfältig. „Der variable Einbau von Sonnenschutzgläsern je nach Himmelrichtung überfordere manchen Monteur, die Scheiben mit ihren unterschiedlichen Funktionen werden nicht nach Vorgabe eingesetzt.“

Nach Einführung der überarbeiteten DIN 18008 im nächsten Jahr wird mehr Sicherheitsglas wie ESG und VSG in der Anwendung sein. „Ich hoffe, die Glashersteller haben sich auf diese Änderung schon eingestellt, sodass der Bedarf und die Liefermöglichkeiten konformgehen.“

Rechtlicher Ausblick

Prof. Christian Niemöller trug wesentliche Punkte zur Änderung des Werkvertragsrechts vor. Wenngleich die Gesetzesnovelle erst zum Jahreswechsel wirksam wird — „die Zukunft hat bereits begonnen“ wie der Baurechtsanwalt aus Frankfurt formulierte. Er machte darauf aufmerksam, dass Auftragnehmer bei den Verhandlungen der Verträge im Herbst, die Anfang nächsten Jahres gültig sind, die Änderungen im Hinterkopf haben sollten. Die Bedeutung schätzt der Rechtsanwalt als „kleine Revolution“ im Baurecht ein: Ab 2018 „wechselt der Direktor die Straßenseite“, insbesondere weil der Auftragnehmer in bestimmten Fällen berechtigt sein wird, eine Zustandsfeststellung seines Werks alleine durchzuführen.“ Dadurch werden die Abläufe der Abnahme eine andere Dynamik erhalten. Auf die relevanten Änderungen für die Metallbaubranche weist RA Prof. Niemöller im Fachbeitrag ab Seite 61 hin. ⇥ma ◊

Der Marketingpreis 2017

Für die beste „Low-Budget“-Aktion wurde Teutemacher Glas aus Warendorf ausgezeichnet: Geschäftsführer Thomas Pinnekamp hatte 2016 mit einer originellen Nikolausaktion Marketing betrieben und dafür lediglich 270 Euro ausgegeben. Der Preis für die außergewöhnlichste Produktpräsentation ging an sebnitzer fensterbau für einen in Holz gebundenen Holzfenster-Katalog. Geschäftsführer Siegfried Jehle nahm den Preis entgegen. Gewinner der Kategorie „Beste digitale Kundeninformation“ erhielt das Unternehmen Dr. Hahn aus Mönchengladbach für eine Türbänder-APP. Stellvertretend für die Geschäftsführung nahm Außendienstmitarbeiter Stephan Koppe die Auszeichnung entgegen. Die Unternehmen erhalten jeweils eine Mitarbeiter-Veranstaltung im Wert von 3.000 Euro, einen Pokal, eine Urkunde sowie eine exklusive Presseveranstaltung.

Helmut Hilzinger, dessen Fensterbauunternehmen zuletzt 2015 mit einem Preis bedacht wurde, appellierte an seine Unternehmerkollegen, diese Marketingchance effektiv umzusetzen. Im Vergleich zu vor zwei Jahren haben sich 32 Unternehmer weniger beworben, die drei Preisträger wurden aus 24 Einreichungen ausgewählt. „Wie rentabel der Preis für Ihre Firma ist, das kommt darauf an, was Sie daraus machen!“ Frech und eigennützig sollten die Unternehmen diese Auszeichnung vermarkten. „Also wir haben das Marketing vor zwei Jahren ausgeschlachtet und es hat meinen Leuten Spaß gemacht“, erzählte der Unternehmer aus Willstätt.

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