Interview

Günter Dolezel, Sachverständiger

„Corona ist kein Nachteil für Beschuldigte!“

Günter Dolezel ist als Bau- und Kunstschlossermeister für den Betrieb Krückl in Olching tätig. Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Metallbauerhandwerk begleitet er derzeit ca. 20 straf- bzw. zivilrechtliche Prozesse. Wir haben den 63-Jährigen nach seinen Erfahrungen mit der Corona-Krise gefragt.

metallbau: Wie beeinflusst die Corona-Krise Ihre Arbeit als Sachverständiger?

Günter Dolezel: Ich arbeite hauptsächlich für Staatsanwaltschaften und Gerichte. Diese Arbeit ist geprägt von ständigen Verschiebungen, u.a. auch wegen Corona. Ich habe Termine von Anfang 2020, die inzwischen auf den Herbst 2021 verschoben sind. Zwei „große“ Gutachten in Zivilverfahren ruhen ebenso, da keine Ortstermine möglich sind.

metallbau: Gute Zeiten für Beschuldigte?

Dolezel: Ein Nachteil ist Corona nicht für die Beschuldigten, da die Verfahren nicht abgeschlossen sind und es keine Urteile gibt.

metallbau: Welche Erfahrungen haben Sie 2020 mit den Ansprechpartnern in den Bauämtern und dem Support der Zulieferer gemacht?

Dolezel: Der telefonische Kontakt mit den Bauämtern/Behörden ist fast unmöglich geworden. Antworten auf Mails dauern sehr lange und sind meist sehr unverbindlich. Dies ist aber in großen Firmen das gleiche Problem, speziell wenn es um den Support geht. Im Support ist der Ton sehr aggressiv geworden, Fragen, Probleme sind nicht erwünscht.

metallbau: Es heißt, die Branche des Metallbaus kommt mit einem blauen Auge davon. Was meinen Sie?

Dolezel: Ich kann nicht für die Branche sprechen. Ein offener, ehrlicher Austausch mit Kollegen/Mitbewerbern ist leider nur mit sehr wenigen Betrieben möglich. Diesen Betrieben, die auch so „klein“ sind wie Krückl, ist es 2020 so wie uns ergangen, das heißt die Auftragslage hat zum „Überleben“ ausgereicht.

metallbau: Sind die Lieferketten inzwischen abgesichert?

Dolezel: In den Lieferketten hat es, außer den teilweise langen Lieferzeiten, noch keine Probleme gegeben. Die Ursachen für die langen Lieferzeiten sind mir nicht bekannt, da bekommt man keine verbindlichen Antworten.

metallbau: In welchen Segmenten hat Metallbau Krückl im vergangenen Jahr satte und wachsende Nachfragen verzeichnet?

Dolezel: „Satte“ Nachfragen hat es nicht gegeben. Wachsend war die Nachfrage von privaten Kunden, meist kleinere Aufträge rund um das Haus.

metallbau: Lassen sich die langfristigen Rückläufe bei gewerblichen Bauten von den Betrieben kompensieren?

Dolezel: Die Rückläufe bei gewerblichen Bauten lassen sich nicht kompensieren.

metallbau: Wie lauten Ihre Prognosen 2021 für kleine Betriebe mit dem typischen Metallbauportfolio?

Dolezel: Seit Beginn des Jahres 2021 sind Nachfragen ausgeblieben. Wir haben noch Aufträge von unserem festen Kundenstamm, den wir in über 40-jähriger Tätigkeit aufgebaut haben. Auch unser Fachwissen, Fachkompetenz, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Vielseitigkeit etc. sind da sehr hilfreich! Aber selbst die guten, solventen Auftraggeber merken den Rückgang durch die Corona-Krise. Ich sehe mich nicht in der Lage, eine Prognose abzugeben. Es ist einfach nicht klar, wann Lockerungen kommen und in welchem Ausmaß. Die Kosten für 25 Mitarbeiter sind immens. Ich kenne keinen Betrieb, der auf Dauer so ein finanzielles Polster hat, um diese Kosten abzufangen, wenn die Aufträge noch weniger werden.

metallbau: Auf was sollten die Betriebe jetzt achten, um möglichst unbeschadet durch die Krise zu kommen?

Dolezel: Als ich noch selbständig mit bis zu zehn Angestellten war, bin ich mit „Durststrecken“ offen umgegangen: Habe mit den Banken, den Lieferanten, den Kunden, dem Finanzamt, den Sozialversicherungsträgern, dem Vermieter etc. gesprochen. Bis auf die meisten Lieferanten und dem Vermieter hatten alle Verständnis und mit Zahlungsaufschub geholfen.

metallbau: Viele Zulieferer führen spezielle Anti-Corona-Produkte in den Markt ein; was halten Sie von den Angeboten im Bereich Lüftungstechnik und den Beschlägen mit Oberflächen, die besonderen hygienetechnischen Anforderungen entsprechen sollen?

Dolezel: Ich informiere mich sehr viel über neue Geschäftsfelder, Corona gehört ebenfalls dazu. Allerdings kenne ich noch kein Produkt, welches man mit gutem Wissen, Berufsehre, Moral fertigen oder anbieten und/oder verkaufen kann. Die fachliche Unwissenheit des Verbrauchers wird schamlos ausgenutzt. Das ist täglich in den Medien nachvollziehbar. Ein Beispiel aus dem Beschlag-/Sicherheitsbereich: Es gibt Hersteller, Händler, Errichter die mit antibakteriell werben und suggerieren, dass dies gegen das Virus hilft. Hersteller von ZK-Komponenten werben z.B. mit aseptischer Fertigung. Niemand erklärt aber den Unterschied zwischen Bakterien und Viren!

metallbau: Welche Erfahrungen haben Sie mit Handwerkerkollegen in Sachen Hygiene gemacht?

Dolezel: Da habe ich bis dato unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Auf der Baustelle genauso wie in Büros. Auf Baustellen, wo es viel Staub wie im Trockenbau, gibt oder wo viele verschiedene Gewerke zugleich arbeiten, da sehe ich mehr Personen ohne Virenschutz als mit. Aber auch in kleinen Büroräumen sehe ich sehr oft Personen ohne Schutz.

metallbau: Was ist machbar auf den Baustellen und in den Werkstätten – mit welchen Sonderlösungen versucht man sich zu helfen?

Dolezel: Es gibt leider nur wenig Möglichkeiten! Eine ist die Vernunft jedes Einzelnen unter Einhaltung der AHA-L Regeln und den „Querdenkern, Verschwörungstheoretikern“ aus dem Weg zu gehen. Betriebe können helfen, indem die Schutzmittel wie Masken, Desinfektion, Reinigung zur Verfügung gestellt werden. Den Mitarbeitern genauso wie den Besuchern. Ferner sollte man den Mitarbeitern Zeit und Raum geben, damit sie genügend Pausen zum „Verschnaufen“ haben. Meinen Kunden teile ich mit, dass ich auf die AHA-Regeln bestehe und den Termin sofort abbreche, wenn diese nicht eingehalten werden. Genauso verfahre ich, wenn ich einen Ortstermin als Gerichtsgutachter habe.

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