Kundenakquise 2.0

Umsatz via Social Media

Vanessa Lill huscht durch die Fertigungshalle. „Schaut mal hierher!“, ruft sie ihren Kollegen zu und knipst mehrere Fotos. „Jetzt noch ein Reel“, fordert sie die Männer auf. Professionell und doch ganz natürlich werden die Metallbauer bei der Arbeit an einer Edelstahlwendeltreppe gefilmt. Dann geht der Post ab. Auf Facebook ist die Metallszene zahlreich, gut organisiert und engagiert.

Vanessa Lill ist die Online-Marketing-Managerin bei Metallbau Ledtermann in Höhfröschen bei Pirmasens. Seit diesem Jahr postet die 29-Jährige auf Instagram und Facebook Storys: morgens, mittags und abends je drei der Fotos bzw. Minifilmchen. Hinzu kommt ein Beitrag, der aus einem Foto besteht, das meist mit einer Textbotschaft versehen ist. Oder ein Reel, also ein Kurzvideo. Storys und Reels unterscheiden sich in der Metawelt von Zuckerberg, zu der Facebook, Instagram und Whatsapp gehören, durch ihre Länge. Lill postet jeden Tag, auch am Wochenende. „Das ist wichtig, um Reichweite zu generieren“, sagt die Expertin. Das gelinge, wenn die Storys immer an der Spitze stehen. Also Nutzern als Erstes angezeigt werden.

Inhalte nach Betriebsphilosophie

Interessant sind Facebook, Instagram, YouTube und LinkedIn für Firmen seit 2014. Denn vor acht Jahren erreichen die Social-Media-Plattformen erstmals mehrere Millionen Follower. Seither wächst ihre Folgschaft. „Unternehmen merken, dass hinter den Vernetzungs-Algorithmen mehr steckt, als nur alte Bekannte und Freunde finden oder Katzenvideos konsumieren“, sagt Felix Pflüger. Der Chef von Provider Peoplefone Deutschland hat 10.000 Mittelstandskunden, darunter etliche Metallbauer, und einen guten Marktüberblick. Pflüger empfiehlt, sich über Zielgruppen Gedanken zu machen, ehe Firmen ihre Social-Media-Aktivitäten starten. Das sei wichtig, um zu wissen, wie viel Energie Betriebe in welche Kanäle stecken. Zudem seien zielgruppenspezifische Inhalte für den Erfolg maßgeblich. So konzentriert sich Peoplefone auf LinkedIn, YouTube und Facebook, weil der Provider B2B-Geschäfte macht. Was nicht automatisch bedeutet nur ernste Inhalte zu posten. Vielmehr sollten diese zur Philosophie des Unternehmens passen.

Erfahrungen Metallbau Ledtermann

Als Andreas Ledtermann 2016 die Firma seines Vaters übernimmt, ist Social Media für ihn eine nette Spielerei: „Wir veröffentlichten alle paar Wochen einen Schnappschuss.“ Die Kommunikation mit Kunden und Bewerbern findet seinerzeit telefonisch oder per Mail statt. Interessierte besuchen die Ausstellung in Höhfröschen, Außendienstler fahren teils mehrere Mal zum Kunden, bis ein Auftrag unterschrieben ist.

Nach der Übergabe vom Vater auf den Sohn krempelt der inzwischen 36-jährige Metallbaumeister die 1986 gegründete Firma um, firmiert 2017 zur GmbH. Von damals fünf Mitarbeitern wächst der Betrieb auf heute 20 Beschäftigte, darunter zwei Azubis. Ledtermann entdeckt in der Wachstumsphase das Potential, das in Social Media steckt. Peoplefone Geschäftsführer Pflüger spricht von einer „virtuellen Vermarktungschance“. Anfangs versucht der Betriebswirt alleine zurechtzukommen. Legt bei Facebook und Instagram Profile an, pflegt Kontakte. Doch Perfektionismus verhindert den Erfolg. „Ich wollte alles richtig machen“, lacht Ledtermann. Jedes Bild musste sitzen, jeder Satz ohne Hänger ins Handy gesprochen sein. Schnell stapeln sich 30 Videoschnipsel im Smartphone und mit keinem ist der Chef zufrieden. Heute weiß der Betriebswirt: „Perfektion verursacht Aggression.“ Mit jedem neuen Versuch werden die Videos schlechter. Gestellte Videos und Fotos wirken zudem unnatürlich. „Das will keiner sehen.“ Nach der Erfahrung von Pflüger sind spontane Aufnahmen authentischer. Das sieht auch die Community – also die Follower – so. Sie liken Echtheit. Die Fan-Base verbreitert sich. Auf Instagram folgen Ledtermann inzwischen 1.400 und auf Facebook 1.900 Menschen.

Darunter finden sich etliche Alt- und Neu-Kunden. 80 Prozent der Kundschaft sind Privatleute. Und die kaufen. Binnen drei Jahren verdreifacht sich der Umsatz auf zwei Millionen Euro pro Jahr, nicht zuletzt durch den Onlineauftritt. Doch um die Fülle an Bildmaterial zu erzeugen, nach denen der Algorithmus lechzt, braucht Ledtermann Hilfe. Zusammen produzieren er, seine Frau Jeanette und Marketing-Managerin Lill täglich ein Dutzend Fotos, Filmschnipsel und Wortbeiträge. „99 Prozent unseres Marketings findet viral statt“, bilanziert Ledtermann. Hinzu kommen Budgets für Google-Anzeigen und Werbekampagnen für Facebook bzw. Instagram. Einen vierstelligen Eurobetrag monatlich lässt sich der Rheinland-Pfälzer die Werbung kosten, die sich auf das Prozessmanagement auswirkt: „Seither fahren wir statt dreimal noch einmal zum Kunden“, so der Metallbauer. Wieso? Weil es inzwischen für den Metallbauer möglich ist, Angebote zielgerichteter zu schreiben. Was in Summe Aufwand und Zeit spart.

Der neue Kundengewinnungsprozess sieht so aus: Die Aktivitäten auf Social Media locken Kundschaft an, die bekommt einen Eindruck von Betrieb und Produkten. Das Balkongeländer sieht gefällig aus, eine Treppe schick oder ein Gartenzaun elegant. Durch einen Klick landen sie auf einer – man ahnt es – Landingpage. Dort hinterlassen sie E-Mailadressen und erhalten einen Produktberater. Das ist ein PDF-Katalog, der Balkonvarianten zeigt und in dem Richtpreise stehen. Als Nächstes vereinbart der Metallbauer ein Telefongespräch. „Die Hälfte der Interessenten bleibt am Ball und vereinbart einen Termin in der Ausstellung“, so Ledtermann. Hier kauft jeder Dritte. Und zwar höherpreisiger als früher.

Doch nicht nur die Kundenakquise läuft runder, auch Fachkräfte bewerben sich. Der Pool ist gut gefüllt, 20 Bewerbungen hat Ledtermann in petto. Einen Fachkräftemangel habe er dank Social Media nicht. Sogar im 50 Kilometer entfernten Saarbrücken spricht ein Bademeister den Familienvater an. Denn selbst in der Badehose erkennen die Leute den Unternehmer aus den Reels. Inzwischen ist der Bademeister neuer Mitarbeiter, er suchte eine Stelle, zwischen Planschbecken und Pommes entfaltet sich das Vorstellungsgespräch. Ledtermann nimmt´s locker. Und auch Felix Pflüger weiß: „Viel online macht viel offline“.

Erfahrungen Metallbau Stegerer

Das kann auch der Social-Media-Manager der Metallbaufirma Stegerer bestätigen, die Teil der Lederer Group ist. Christopher Beiderbeck steckt mittendrin im Onlinegeschäft. Der 31-Jährige veröffentlicht täglich Reels oder Beiträge bei Instagram und Co. Dabei ist es ihm wichtig, einen persönlichen und jugendlichen Eindruck zu vermitteln. Denn Stegerer sucht in den sozialen Netzwerken Fachkräfte und Azubis. Das Gros der Kunden sind Gewerbebetriebe und öffentliche Auftraggeber.

Schon vor Corona war der Fachkräftemangel enorm, während der Krise verschärft er sich. Dennoch oder gerade deswegen sind Handwerker begehrt, die Produktionskapazitäten der Lederer Group sind mit elf Millionen Euro bis Ende 2023 ausgeschöpft. Das 100-Mann- Unternehmen kann durch das Engagement des gelernten Bürokaufmannes dieses Jahr zwei Azubis und zwei Fachkräfte gewinnen. Einen weiteren Vorteil sieht Beiderbeck in der Vernetzung mit Kollegen anderer Firmen, schnell sind Fragen in den Handwerker-Communities auf Facebook beantwortet. „Social Media ist wie eine kleine Familie – wir helfen einander und tauschen uns regelmäßig aus“, so der Social-Media-Manager.

Beiderbeck fasst schnell Fuß bei Metallbau Stegerer, ist er doch privat mit mehr als 13.000 Followern bei Instagram seit 2016 aktiv. Mit seinem privaten Account chrispresents.funwithplants begeistert er Topfpflanzenfreunde, stellt Pflanzenarten vor und gibt Followern Tipps im Umgang mit grünen Schönheiten. Schon mehrere Kooperationspartner konnte er so gewinnen. Durch sein Know-how schafft er es, den Zeitgeist zu treffen, Bewerbungen für Stegerer landen dank seiner Aktivitäten nun regelmäßig im Personalbüro.

In Bälde will Beiderbeck auch TikTok bespielen. Zielgruppe sind Jugendliche, die sich auf der Unterhaltungsplattform tummeln. Sie sollen für die Berufe im Metallbau gewonnen werden, lautet der Auftrag. Durch kurze Videos bekommen Follower auf der chinesischen Onlinevariante einen Einblick ins Unternehmen. So wie kürzlich, als ein Teil des Teams von der Europabrücke Bungee springt. „Solche Aktionen sprechen die jüngere Generation an“, lacht Beiderbeck. Mit mehr als 5.000 Klicks ist das Kurzvideo ein Renner.

Die Business-Plattform LinkedIn spielt übrigens weder bei Stegerer noch bei Ledtermann eine große Rolle. Das mag daran liegen, dass die Reichweiten gering sind. Beiderbeck sagt: „Schnell Reichweite zu generieren, ist wichtig. Die bekommen Firmen aktuell am ehesten bei Instagram und TikTok“.

                                        ⇥https://metallbau-ledtermann.de

                                                                    ⇥www.stegerer.de

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 05/2021

Metallbauer & Social Media

Umsatz mit Followern

Für Kathrin Süsser sind Online-Netzwerke wie Facebook oder Instagram ein günstiges Marketinginstrument: „Über die sozialen Medien können wir wesentlich mehr Menschen erreichen als über unsere...

mehr
Ausgabe 11/2023

Anna Sänger, Beraterin

„Werben Sie Fachkräfte via Social Media!“

metallbau: Was sind Ihre Erfahrungen in den Bereichen Nachwuchswerbung, Auftragsakquise, Imagewerbung? Anna Sänger: In den letzten Jahren hat sich viel getan. Werbung – ob um Mitarbeitende oder für...

mehr
Ausgabe 6/2016

Die Branche bei Facebook

Wer flott kommunizieren mag

Während die einen höchstens privat twittern, posten, bloggen oder liken, bauen die anderen es systematisch in ihren Marketing-Mix ein. „Social Media sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken“,...

mehr
Ausgabe 02/2019

Geschäfte machen auf Facebook

Internet-Plattformen als Börse für Handwerker

Florian Leichtenstern ist ein Fan. Der Metallbaumeister aus dem bayerischen Karlshuld hält große Stücke auf seine Online-Präsenz. Der Web-Shop ist bei ihm schon etabliert. Gerade baut er eine...

mehr
Ausgabe 03/2022 Interview

Martha Klügl, Recruiting-Expertin

„Lokales Markenbranding funktioniert!“

metallbau: Frau Klügl, viele Betriebe wollen über Facebook & Co. Mitarbeiter finden. Doch viele scheitern auch. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe? Martha Klügl: Die Unternehmen unterschätzen...

mehr