Streit um Gebäudetyp E
VFF kritisiert Planungsansätze von Bundesminsterien 27.11.2025 |
Frank Lange, Geschäftsführer des VFF.
Foto: Manger
Der Verband Fenster + Fassade (VFF) kritisiert das diese Woche bekannt gewordene gemeinsame Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz (BMJV) und des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) zum Gebäudetyp E in Inhalt, Verfahren und Wirkung. Nach Einschätzung des VFF gefährdet das Papier zentrale Grundsätze von Qualität, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit und sendet in einer ohnehin angespannten Baukonjunktur falsche und kontraproduktive Signale.
1. Fehlende Einbindung der Branche und kein fachlicher Austausch
Die beiden Ministerien haben baufachliche Planungsansätze aus unterschiedlichsten Pilotprojekten in dem Eckpunktepapier offenbar ungeprüft und ohne Einbindung von Verbänden oder anderer relevanter Stakeholder übernommen. Damit wurde die Chance vertan, belastbares, wissenschaftlich fundiertes Branchenwissen zu berücksichtigen.
Das Papier sieht tiefgreifende Eingriffe in Bau- und Qualitätsstandards vor – ohne ein Verfahren, das Expertise, Erfahrungswissen oder Branchenanalysen der verschiedenen Bauindustrien einbezieht. Gerade bei einem Thema, das Bauqualität über Jahrzehnte bestimmt, ist dies nicht akzeptabel.
2. Forderung nach Reduktion von Fensterflächen – fachlich unbegründet
In dem Eckpunktepapier wird als möglicher Kostenhebel explizit die Reduktion von Fenster- und Glasflächen genannt, zudem wird die Abweichung von Vorgaben des sommerlichen Wärmeschutzes empfohlen. Diese pauschale Empfehlung führt nachweislich nicht zu einer signifikanten Senkung der Baukosten, gefährdet aber insbesondere für die Gesundheit erforderliche Tageslichtversorgung und die dringend notwendige Anpassung von Gebäuden an den Klimawandel. Die Empfehlung, Fensterflächen pauschal zu reduzieren, ignoriert jahrzehntelange Forschung, europäische Studien, gesundheitliche Erkenntnisse und bauphysikalische Grundsätze.
„Wer billig baut, baut nicht effizient – und langfristig meist deutlich teurer.“
Fenster, Türen und Fassaden haben eine Lebensdauer von 50 Jahren und mehr. Entscheidungen über deren Dimensionierung sollten daher nicht als kurzfristige Sparoptionen gesehen werden. Sie bestimmen die Qualität, die Nutzbarkeit und die Energieeffizienz eines Gebäudes über Generationen. Die alleinige Betrachtung anfänglicher Herstell- und Investitionskosten übersieht den langfristigen ökologischen, ökonomisch und sozialen Mehrwert.
3. Einseitige wissenschaftliche Grundlage
Die Empfehlungen zur transparenten Gebäudehülle beruhen lediglich auf einer einzigen Studie, die „Daumenregeln“ zugrunde legt und zu sehr einseitigen und vereinfachten Empfehlungen kommt. Eine fundierte Betrachtung der Auswirkungen auf Energieeffizienz und langfristige Energiebezugskosten, sommerlichen Wärmeschutz, Tageslichtversorgung, gesundheitliche Innenraumqualität, Barrierefreiheit, Schallschutz, Sicherheit sowie die langfristigen Lebenszykluskosten von Gebäuden fehlt.
Der VFF und die Repräsentanz Transparente Gebäudehülle (RTG) haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien mit renommierten Instituten wie dem Ingenieurbüro Prof. Dr. Hauser (IBH) und dem Institut für Fenstertechnik ift Rosenheim durchgeführt. Darin wurden winterlicher und sommerlicher Wärmeschutz, Fragen der Gesundheit, Tageslichtversorgung, der Lüftung und des Wohnkomforts ebenso untersucht wie Schallschutz, Sicherheit, Aspekte der Barrierefreiheit und des altersgerechten Bauens. Ergänzt wurden diese Analysen durch umfassende Nachhaltigkeitsuntersuchungen mittels Lebenszyklusanalysen sowie durch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sowohl im Neubau als auch in der Sanierung. Aktuell erarbeitet die RTG zudem eine umfassende Studie angemessenen und effizienten Anforderungen an Fenster, Türen und Fassaden im Neubau. Keine dieser Erkenntnisse findet sich im Eckpunktepapier der Ministerien wieder.
4. Falsches Signal in einer Bau- und Wirtschaftskrise
Die Bauwirtschaft befindet sich in einer der schwersten Krisen der vergangenen Jahrzehnte. Ein Aufruf, künftig mit „reduzierten Fensterflächen“ zu bauen, trifft unmittelbar eine industriepolitisch relevante Wertschöpfungskette und gefährdet damit zahlreiche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze sowie bedeutende Steueraufkommen bei Produktion, Vertrieb und Montage. Gerade jetzt braucht es Innovationsförderung, Investitionen und Planungssicherheit – statt simplifizierender Vorschläge, die kaum langfristigen Nutzen bringen.
5. VFF fordert Revision der Eckpunkte
Der VFF appelliert an beide Ministerien, das Papier grundlegend zu überarbeiten und auf wissenschaftlich fundierte, bauphysikalisch sinnvolle und sozial ausgewogene Eckpunkte zurückzukommen. Das Gebäudetyp-E-Konzept darf nicht zu einer Absenkung zentraler Qualitätsanforderungen führen, die langfristig teurer, ineffizienter und gesundheitlich problematisch ist. „Einfaches Bauen ja – aber nicht durch Abschaffung von Tageslicht, Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz“, so VFF-Geschäftsführer Frank Lange.
6. VFF mobilisiert politische Gespräche
Der VFF wird über seine Hauptstadtrepräsentanz und seine bundesweit vertretenen Mitgliedsunternehmen aktiv das Gespräch mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages und den zuständigen Ressorts suchen. Unser Ziel ist es, tragfähige, belastbare und effiziente Eckpunkte für den Gebäudetyp E zu entwickeln, die langfristig wirken – zusammen mit Wissenschaft, Planung, Bauwirtschaft und Verbänden.
