Recht

Baurecht & Corona-Pandemie

Rechtliche Spielregeln, die Sie beachten sollten

Die Coronavirus-Pandemie (COVID-19) hat mittlerweile massive Auswirkungen auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland: wie auch in vielen anderen Ländern der Welt. Die Pandemie hat (auch) in Deutschland zu massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens, des Privatlebens sowie des wirtschaftlichen Miteinanders, und damit zu erheblichen Beeinträchtigungen der Bauwirtschaft geführt.

Viele Baubeteiligte fragen sich, inwieweit sich die Ausbreitung des Corona-Virus auf Bauverträge auswirkt und auf welche rechtlichen Spielregeln geachtet werden sollte. Eine besondere Bedeutung im Hinblick auf das Corona-Virus kommt den Vorschriften der § 6 VOB/B sowie 642 BGB zu. Zu beachten ist, dass es zu den Auswirkungen des Corona-Virus auf Bauverträge bislang noch keine obergerichtliche Rechtsprechung gibt.

1. Einzelfallbetrachtung geboten

Zur Bewertung der Frage, wie der Auftragnehmer eines Bauvertrags verfahren sollte, wenn beispielsweise seine Mitarbeiter unter Quarantäne gestellt werden, sind einerseits in jedem Einzelfall die vertraglichen Grundlagen auszuwerten; andererseits ist die konkrete Situation vor Ort zu berücksichtigen. Ähnliches gilt, wenn die Lieferung von Bauelementen, die zur Herstellung beispielsweise von Fenstern oder Fassaden benötigt werden, zögerlich oder gar nicht erfolgt.

2. Verdacht der Erkrankung einzelner Mitarbeiter

(laufender Bauvertrag)

Besteht der Verdacht einer Erkrankung mit dem Corona-Virus bei einem oder mehreren Mitarbeitern, werden sie regelmäßig vom Arbeitgeber – mitunter auf Weisung des Gesundheitsamtes – verpflichtet, zu Hause zu bleiben. Mit Blick auf § 6 VOB/B dürfte eine Behinderung, die u.a. zur Verlängerung von Ausführungsfristen führt, nicht vorliegen.

Der Auftragnehmer wird, wie etwa bei der jahresüblichen Grippewelle, gehalten sein, die Fehlzeiten der ausfallenden Kräfte zu kompensieren, soweit es seine Mitarbeiter nicht flächig betrifft.

3. Erkrankung/Quarantäne von Mitarbeitern

(laufen­der Bauvertrag)

Die Fallkonstellation, dass Mitarbeiter beispielsweise in Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes unter Quarantäne gestellt werden und ihnen ein Arbeitsverbot auferlegt wird, könnte dem Risikobereich des Auftraggebers zugeordnet werden, wenn – wie es sich abzeichnet – dieses Ausfluss einer Pandemie ist. Bei der Corona-Erkrankung handelt es sich laut der Feststellung der WHO vom 11.03.2020 um eine Pandemie. Dem betroffenen Auftragnehmer ist anzuraten, gegenüber dem Auftraggeber anzuzeigen, dass man in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert ist. Wahrscheinlich ist, dass die Gerichte die Fallkonstellation als „höhere Gewalt“ oder einen für den Auftragnehmer „unabwendbaren Umstand“ ansehen werden; dementsprechend besteht Anspruch auf Bauzeitverlängerung („Zeitclaim“).

4. Quarantäne sämtlicher Mitarbeiter (laufender Bauvertrag)

Werden sämtliche Mitarbeiter des Auftragnehmers beispielsweise in der Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes mit einer behördlichen Anordnung unter Quarantäne gestellt, spricht alles dafür, dass die Gerichte dies später als „höhere Gewalt“ oder andere für den Auftragnehmer „unabwendbare Umstände“ im Sinne des § 6 VOB/B bewerten werden. Der Auftragnehmer sollte trotz der Offensichtlichkeit gegenüber dem Auftraggeber Behinderung anzeigen, um seine Rechte zu wahren.

5. Baustelle liegt in einem Quarantäne-Gebiet

(laufender Bauvertrag)

Ist der Zugang zur Baustelle deswegen nicht gewährleistet, weil diese in einem Quarantäne-Gebiet liegt, ist anzunehmen, dass dies dem Risikobereich des Auftraggebers zuzuordnen ist. Der Auftragnehmer sollte dementsprechend gegenüber dem Auftraggeber die Behinderung anzeigen.

6. Behinderungsanzeige des Auftragnehmers

Gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B, aber auch nach § 642 BGB ist der Auftragnehmer grundsätzlich zur unverzüglichen schriftlichen Behinderungsanzeige verpflichtet, wenn er sich in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert glaubt. Nach der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung müssen sich aus der Behinderungsanzeige – für den Auftraggeber nachvollziehbar – die Gründe für die Behinderung ergeben. Die Anzeige sollte Aufschluss darüber geben, ob und wann die Arbeiten, die nach dem Bauablauf auszuführen sind, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können. Daneben sollte der Auftragnehmer darauf achten, dass er die Behinderungsanzeige an seinen Auftraggeber richtet und für einen Zugangsnachweis seiner Anzeige Sorge trägt.

7. Zulieferer leistet nicht vertragsgerecht

Während bei der Ausführung von Bauleistungen grundsätzlich die gesetzlichen Regularien des Bau- und Werkvertragsrechts (§§ 631, 650a ff. BGB) sowie ggf. die Maßgaben der VOB/B gelten, muss der Bauauftragnehmer beachten, dass die Lieferung von Bauelementen grundsätzlich kaufvertragsrechtlichen Spielregeln (§§ 433 ff. BGB) folgt. Ist es dem Lieferanten aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich, vereinbarte Termine einzuhalten, treffen ihn die Folgen des Verzuges (§ 286 BGB) insbesondere dann nicht, wenn die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Mit Blick auf die Corona-Pandemie fehlt hier zwar einschlägige Rechtsprechung, anzunehmen ist jedoch, dass ein Verzug am Erfordernis des Verschuldens im Einzelfall scheitern wird.

8. Zum Abschluss anstehende Bauverträge

Vorsicht ist für den Auftragnehmer geboten, wenn aktuell – vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie – ein Bauvertrag abgeschlossen werden soll. Mittlerweile ist das Bedrohungspotenzial des Coronavirus (COVID-19) bekannt. Steht der Abschluss eines Bauvertrags bevor, muss der Auftragnehmer insbesondere die Ansteckungsgefahr, behördliche Quarantänemaßnahmen sowie Verzögerungen in der Lieferkette berücksichtigen. Hier kommt es in Betracht, bei Ausführungsfristen und -terminen großzügige Zeitpolster zu vereinbaren und/oder konkrete Terminzusagen – soweit möglich – zu vermeiden. Im Einzelfall kommen daneben vertragliche Regelungen in Betracht, die bei Quarantäne-Maßnahmen oder der Erkrankung von Mitarbeitern die Verlängerung von Ausführungsfristen vorsehen und entsprechende Bedingungen formulieren.

9. Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau- und Heimat vom 23.03.2020

Mit dem Erlass vom 23.03.2020 gibt das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat – aus bauvertragsrechtlicher Sicht – Hinweise zum Umgang mit der Corona-Pandemie bezogen auf die Baustellen des Bundes.

Aus Sicht des Bundesministeriums ist die Corona-Pandemie grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der „höheren Gewalt“ im Sinne des § 6 Abs. 2 VOB/B auszulösen. Eine Prüfung im Einzelfall sei geboten. Der bloße Hinweis auf die Corona-Pandemie und eine rein vorsorgliche Arbeitseinstellung erfülle den Tatbestand der höheren Gewalt jedoch nicht. Höhere Gewalt könne aber auch auf Seiten des Auftraggebers eintreten, beispielsweise weil dessen Projektleitung unter Quarantäne gestellt wird.

www.smng.de

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