Night-and-day-look

Lochbleche für den Kaufhof in Heilbronn

Über mehrere Jahrzehnte prägten die Keramikelemente von Egon Eiermann alle Horten-Filialen in Deutschland. Heute heißen diese Kaufhäuser „Galeria Kaufhof“ und auch die Keramikplatten verschwinden nach und nach aus den Stadtbildern. Sie weichen neuen Gebäudehüllen. In Heilbronn beispielsweise trägt der Kaufhof ein Lochblech-Kleid im Night-and-day-look. Bei Tage schillert es weiß, bei Nacht tauchen es LEDs in ein leuchtendes Grün.

Seit mehr als sechzig Jahren befindet sich eine Filiale des Kaufhauses – früher Horten, inzwischen Galeria Kaufhof – in der Heilbronner Innenstadt. Die Keramikelemente der bestehenden Egon-Eiermann-Fassade waren lange charakteristisch für den Konzern. Sie wurden im Laufe der Zeit marode und konnten so nicht erhalten werden. Im Zuge von Sanierungsmaßnahmen investierte der Bauherr, die Metro Properties aus Düsseldorf, rund zwei Millionen Euro in eine gelochte und vorgehängte Kassettenfassade aus Aluminium, einschließlich LED-Hinterleuchtung. Während das Gebäude tagsüber weiß aussieht, ändert sich die Szenerie im Dunkeln. Dann leuchtet der Kubus im bekannten Unternehmensgrün.
Die Fassade ist auch nach der Sanierung großflächig geschlossen, gleichzeitig wurden die vorhandenen Fensterflächen etwas vergrößert. Mit dem Design der Aluminiumfassade gelang es den Architekten – ebenfalls von Metro Properties – einen optischen Bezug zur Stadt Heilbronn sowie zur umliegenden und vom Weinanbau geprägten Region herzustellen. Als Grundmotiv für die Lochungen steht ein Weinblatt. Diese Form und weitere Verästelungen brechen immer weiter auf. Das Muster setzt sich auf etwa 850 Aluminiumplatten fort und umspannt das Warenhaus auf einer Fläche von etwa 1.900 Quadratmetern. Die Bleche stammen aus der Reihe planTEC von MN Metall. Die Entscheidung für dieses Material fällt häufig, wenn eine hohe statische Belastbarkeit nötig ist, wie hier beim Kaufhof Bauvorhaben. planTEC gibt es auch in Edelstahl, Stahl, Messing oder Kupfer, deren Oberflächen sich vielfältig bearbeiten lassen: walzblank, gebeizt, gestrahlt, PE- und PVDF-lackiert, industriepoliert, geätzt etc. Bei der Formgebung orientieren sich die Hersteller an den Vorgaben des Kunden.

Die Fertigung der Bleche
Mit der Umsetzung der Fassade beauftragte der Bauherr den Gebäudehüllen-Spezialisten Hölscher aus Kleve. Der Geschäftsführer Jochen Hölscher sieht die größte Herausforderung bei Arbeiten mit Lochblechen darin, die Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis professionell zu begleiten. „Wir müssen unser Aufmaß immer an das theoretische Gebäuderaster anpassen“, sagt er. „Das Lochmusterbild muss perfekt sitzen. Deshalb halten wir bereits in der Entwicklungsphase Rücksprache mit den Produzenten der Bleche.“ Im Fall Galeria Kaufhof haben wir beispielsweise CAD-Dateien mit der genauen Definition der Lochbilder, den Abmessungen und den zusätzlichen Bearbeitungen für jede Blechkassette an den Hersteller geschickt.“
Die Fassade wurde aus statischen Gründen hängend realisiert, wobei die Betonauskragung an der Attika die tragende Funktion übernimmt. Die Horizontallasten wurden an die mittlere Betonauskragung und die im unteren Bereich an die Rohbauwand übergeben. Neben den sichtbaren gelochten Fassadenelementen, die perforiert, gekantet und kommissioniert wurden, produzierte MN Metall auch Montage- und Befestigungsprofile für die Unterkonstruktion. Die statische Ausarbeitung der Konstruktion wurde durch Hölscher in Abstimmung mit dem Lieferanten und dem Fassadengutachter IGF Zimmermann aus Mülheim erbracht.
Damit die Struktur der Aluminiumhülle vor Ort fehlerfrei zusammengesetzt werden konnte, war vom Team Hölscher eine aufwändige Logistik nötig. „Bei Projekten aus Lochblechen stehen wir immer vor logistischen Herausforderungen“, sagt der Unternehmer. „Jedes einzelne Element, das auf die Baustelle geliefert wird, muss sauber beschriftet sein.“ In Heilbronn mussten alle Platten nummeriert und dafür eine Reihenfolge für die Montage festgelegt werden. Vor Ort wurden die 1,50 x 1,50 Meter großen Elemente zusammengefügt bis die Fassade und damit auch die Struktur des Mosaiks ein stimmiges Bild ergab. „Die Positionierung an der Fassade setzt eine absolut präzise Planung voraus“, weiß Hölscher.

Die Montage
Die Arbeiten begannen mit dem Abbau der maroden Keramikkassetten und der Sanierung der dahinterliegenden Wände. Im zweiten Schritt wurden dann die Unterkonstruktions- und Befestigungselemente eingebaut. Einen Mehraufwand erforderten die Arbeiten an der Außenhülle, die dem neuen Fassadenkonzept angepasst werden musste. Das Montieren der Bekleidungen von Belüftungsanlagen und der Anbau von Attikaabdeckungen gehörten ebenso dazu, wie die Arbeiten von speziell angefertigten Baugruppen, die mit angrenzenden Bauteilen, Unterkonstruktionen großflächiger Werbeträger oder den Tragseilen der Straßenbeleuchtung verbunden werden mussten. Den Schwerpunkt des Sanierungsprojekts bildete dann die maßgenaue und normgerechte Montage der gelochten Aluminiumplatten. „Der Monteur vor Ort muss richtig gut ausgebildet sein und im Bestfall viel Erfahrung mitbringen, damit zum Schluss jedes Element dort sitzt, wo es sitzen soll“, räumt Hölscher ein. Bei einer solchen Lochblechfassade sind die Anforderungen deutlich höher als beispielsweise bei einer ‚normalen‘ Fassade mit regelmäßigem Raster. „Da muss man sich schon konzentrieren.“ Um ein qualitativ hochwertiges Werk am Ende abliefern zu können, ist eine gute Montagetruppe nötig.
Die Montage hat immer genau im Bezug zu den Höhenkoten und Gebäudeachsen zu erfolgen, damit das geplante Raster auch am Ende erreicht wird. Abweichungen hiervon sind hinterher fast nicht mehr zu kompensieren. Meistens arbeitet man sich von unten nach oben und von links nach rechts vor. „Dies ist deshalb notwendig, da für das Anhängen der Kassetten in die Agraffen ein Hub benötigt wird“, so Hölscher. Aber nicht nur technisches Know-how ist gefragt, sondern im Falle Heilbronn auch ein gutes Gespür für die Baustelle an sich. „In Innenstadtlagen wie in Heilbronn ist der Platz rar. Die Monteure müssen auf die Anwohner Rücksicht nehmen, wenn so eine Baumaßnahme durchgeführt wird“, gibt Hölscher zu bedenken. Obwohl sich die gesamte Baumaßnahme über ungefähr fünf Monate hinzog, konnten die Bleche in rund vier Wochen montiert werden.
Wie schon erwähnt, ist es gerade bei den Lochblechen wichtig, die Ränder so einzuplanen, dass bei der Kantung der Bleche nichts ausfranst. Besonders die aus 4-mm-Aluminium gefertigten, großen Fassadenelemente sollten wegen ihrer Lochung möglichst verspannungsfrei und eben sein. Bei etwa 2.000 Löchern in 20 unterschiedlichen Durchmessern pro Kassette konnte dies mithilfe von Feinrichtanlagen und deren geringer Toleranzbereiche gewährleistet werden. Zur Aufhängung der quadratischen Fassadenelemente wurde ein zugelassenes Bolzeneinhangsystem verwendet. Insgesamt sechs unterschiedlich gelochte Kassetten wurden in abwechselnden Orientierungen an entsprechenden Agraffeneinhängungen montiert. Randelemente mit ähnlichem Lochmuster wurden zur Anpassung an die tatsächliche Fassadenkontur ebenfalls im Vorfeld projektiert und nicht, wie oftmals üblich, nach Aufmaß gefertigt. Dies hat die 3D-CAD-Konstruktion möglich gemacht.

Fazit
Nach der Fertigstellung des Kaufhofs in Heilbronn gab es von der Lokalpresse Lob: „Architektonisch versierte Passanten sehen sich an das De Young Museum in San Francisco, an den Dior Flagship-Store in Tokio oder an Sfera in Kyoto erinnert“, hieß es. Vielleicht ein Trost für Eiermann-Fans, die noch dem vertrauten Keramik nachtrauern. An Qualität, Wertigkeit und Ästhetik fehlt es der neuen Hülle jedenfalls nicht.

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