Interview

Dennis Rohrbacher von seele in NYC

"Die Planung soll Überraschungen ausschließen"

metallbau: Inwiefern war die Baustelle Penn Station für Sie ein besonderer Auftrag?

Rohrbacher: Beim Eingang der Penn Station waren die technischen Anforderungen und der Fokus der Öffentlichkeit bemerkenswert. Der Zeitdruck für die Fertigstellung war deutlich zu spüren. Für mich persönlich war das Besondere die Zusammenarbeit mit einem hervorragenden Team.

metallbau: Was waren Ihre schlimmsten Befürchtungen für die Montage vor Ort? Welche Vorsorge hatten Sie getroffen?

Rohrbacher: Generell werden Montagearbeiten bei seele sehr genau geplant, um eben Unvorhergesehenes zu eliminieren. Gerade zeitliche Verzögerungen sind in New York City nämlich mit hohen Kosten verbunden. Die Seilfassade der Penn Station wurde daher vorab auf dem Testgelände unserer Stahlbaufirma seele pilsen in Tschechien komplett aufgebaut. Der dort zuständige Obermonteur begleitete dann die Montage in New York.

metallbau: Welche technischen Herausforderungen stellte die Vor-Ort-Montage?

Rohrbacher: Was meist nicht vorab simuliert werden kann, ist der exakte Zugang zu den verschiedenen Bauteilen, die Materialverteilung sowie die Form der Bauteile. Bei dem Stahl-Glas-Vordach kam hinzu, dass die gesamte Konstruktion − einfach gesagt  − über einem Loch in der Straße aufgebaut wurde, darunter befand sich der Zugang zum Bahnhof Penn Station. In dieser Öffnung fanden gleichzeitig noch weitere Verkleidungsarbeiten mit auskragender und überkopfhängender Verkleidung statt. Für die Montage mussten wir daher verschiedene Montageplattformen und Arbeitsbühnen einsetzen. Material wurde mit Hilfe von Kettenzügen, Materiallifts, Minikrans und modifizierten Sauganlagen bewegt. Bei der Montage der Verglasung kam dann noch Bergsteigerausrüstung zum Einsatz, um in den vertikalen Arbeitsbereichen sicher montieren zu können. Herausforderung war zudem das Handling der vielen Freiformen, es gab auch nahezu kein gerades Bauteil. Alle Teile mussten millimetergenau eingemessen werden. Ohne den Einsatz einer Totalstation, die mit Koordinaten aus dem 3D-Modell gefüttert wurde, wäre dies nicht effizient möglich gewesen.

metallbau: Wie waren die logistischen Anforderungen?

Rohrbacher: Die 33rd Street zwischen 7th und 8th Avenue ist im Rahmen der Umbauarbeiten des gesamten Areals schon seit längerer Zeit keine „aktive“ Straße mehr. Somit stand uns hier ein eigener kleiner „drive through“ für die Anlieferungen zur Verfügung. Generell ist es in New York nicht so eng, wie man es sich vorstellt. Die Streets und Avenues sind mehrspurig, so wird eine Spur oft für eine Anlieferung gesperrt, ohne ein Verkehrschaos auszulösen − die nötige Genehmigung dafür natürlich vorausgesetzt.

metallbau: Wie hat die Lieferung „just in time“ der Stahl- und Glaselemente an die Baustelle funktioniert?

Rohrbacher: Alle Bauteile bzw. Container werden nach Einreise und Verzollung nach New Jersey geliefert. Dort wird das Material dann umgeladen oder zwischengelagert, dadurch steht das Material auf Abruf und in kürzester Zeit auf der Baustelle zur Verfügung – ohne Platz auf der Baustelle zu verbrauchen. Ein Partner kümmert sich dabei auch um nötige Genehmigungen beim Department of Transportation. Einzige „Hürde“: Die Anlieferung der übergroßen Bauteile auf der Baustelle konnte nur zu bestimmten Zeiten über die Brücken nach Manhattan erfolgen.

metallbau: Haben Sie Werkzeuge und Schweißtechnik aus Gersthofen liefern lassen ?

Rohrbacher: seele ist seit vielen Jahren in den USA tätig, daher müssen wir uns nicht umstellen. Wir nutzen vorwiegend lokale Technik und greifen bei sehr speziellen Anforderungen auf Equipment aus Deutschland zurück. Beim Eingang der Penn Station wurde z.B. ein deutscher Schraubspannzylinder für die Verbindung des Stahlbaus eingesetzt.

metallbau: Was gilt es zu beachten, wenn gebogene Glasscheiben vor Ort montiert werden?

Rohrbacher: Die gebogenen Glasscheiben wurden von sunglass industry in Italien gefertigt. Der Einbau unterscheidet sich nicht von der Montage planer Gläser. Lediglich Form und Anwendung des Hebezeugs muss angepasst werden. Für die Montage haben wir eine Sauganlage mit verstellbaren Saugtellern modifiziert und zertifiziert.

metallbau: Wie lange waren Sie an der 33rd Street in NYC mit der Montage des Subway-Eingangs beschäftigt?

Dennis Rohrbacher:  Wir waren von März 2020 bis Januar 2021 vor Ort, montiert wurde von Juni bis Dezember 2020. Besonders eindrücklich war das Einheben und der Zusammenbau der großen Stahlbauteile sowie das Spannen der Edelstahlseile. Auch das Absenken der gesamten Konstruktion auf vier Auflagerpunkte war ein echtes Highlight. Besonders war die Montage in den fast menschenleeren Straßen New Yorks. Auf der Baustelle wurde trotz Lockdown weitergearbeitet, da es sich um eine Baustelle des öffentlichen Nahverkehrs handelte.

metallbau: Haben Sie Ihren Aufenthalt in NYC zum Sightseeing genutzt?

Rohrbacher: Ich bin seit fast sechs Jahren für seele in den USA tätig und war unter anderem in Kalifornien bei der Montage des Apple Campus und dem Apple Flagship Store in San Francisco dabei. In New York bin ich jetzt seit etwas mehr als drei Jahren, daher sind die Gelegenheiten mittlerweile fast schon ein wenig zum Alltag geworden. Ich nutze die Zeit dort nach wie vor gerne, um Land und Leute besser kennen zu lernen. Und schaue natürlich bei den fertigen seele-Projekten wie Nike Flagship Store, Apple Cube, Puma Flagship Store und der Moynihan Train Hall vorbei.


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