Die Bemessungstheorie macht´s
Die DIN 18008 ist wohl das derzeit am meisten diskutierte Thema im Fensterbau- und Glaserhandwerk: Lange Zeit war es einfach, seinen Glaslieferanten um eine Glasdickenempfehlung zu bitten, da der sich ja wohl am besten mit seinem Produkt auskennen würde. Doch das war schon immer eine rechtliche Grauzone. Zwar kann man von einem Lieferanten eine weitgehende Produktkenntnis verlangen, von der konkreten Einbausituation vor Ort dürfte er jedoch in den seltensten Fällen eine genaue Kenntnis haben.
Und die neue Glasbemessungsnorm DIN 18008 offenbart jetzt das ganze Dilemma. Dadurch, dass sehr viele Faktoren in die Berechnung einfließen, die in den früheren Regelungen nur durch pauschale Faktoren Berücksichtigung fanden, ist nun eine genaue Kenntnis der Einbausituation gefragt. Es gibt eben zu viele Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. In einer offensichtlich gleichen Einbausituation reicht einmal ein bestimmter Glasaufbau aus, ein anderes Mal wieder nicht. Aber auf den ersten Blick ist der bemessungsrelevante Unterschied gerade für Laien nicht auszumachen.
Ein weiterer, oft angeführter Umstand ist, dass bei der Bemessung von kleinformatigen Isolierglasscheiben und solchen mit einem recht ungünstigen Seitenverhältnis extreme Ergebnisse ausgeworfen werden: entweder sind es sehr dicke Floatglasscheiben oder aber TVG oder ESG-Scheiben. Oftmals wird hierbei aber der wesentliche Vorteil nicht genutzt, dass häufig der Herstell- und eigentlich immer der Einbauort bekannt ist und deshalb der geografische Höhenunterschied konkret und nicht pauschal berücksichtigt werden kann. Das birgt ein erhebliches Einsparpotenzial.
Andere Berechnungsverfahren als Basis
Und auch großformatige Glasscheiben haben in der Bemessung erhebliche Reserven. Die meisten Bemessungsprogramme basieren auf linearen Plattenberechnungsverfahren (doppelte Last ergibt doppelte Spannung und Verformung usw.), meist wird nach der Theorie von BACH oder von CZERNY gerechnet. Diese mögen ihren ursprünglichen Zweck, die Bemessung dicker Platten gut erfüllen. Eine Verglasung ist aber im Regelfall als dünne Platte einzustufen. Dafür gibt es sehr effektive nichtlineare Plattenberechnungsverfahren, welche auch die in solchen Platten auftretenden Membranspannungen nutzen, die der Biegespannung entgegenwirken. Die Vorbemessungsprogramme für Glasscheiben auf www.helpware.info basieren auf der nichtlinearen Theorie von HESS. Bei sehr dünnen Platten, also solchen, bei denen die Abmessung in Länge oder Breite mehr als das 500-fache der Dicke beträgt, kommt die Theorie von WOLMIR zum Tragen. Dort sind die Vorteile schon enorm. Wie groß die Vorteile sind, zeigt die Grafik.
Doch wie kommt man an die „besseren“ Ergebnisse? Die bequemste Lösung ist, ein Ingenieurbüro zu beauftragen, welches nicht nur die optimalen Glasaufbauten ermitteln, sondern noch auch rechtssicher baustatisch nachweisen kann. Schließlich verlässt sich heute kaum noch ein Bauherr auf die Aussage eines Bauausführenden, es würde schon halten, nur weil man es in ähnlichen, mehr oder weniger vergleichbaren Situationen schon immer so gemacht hätte.
Doch wäre es nicht gut, bereits in der Angebotsphase eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, was statisch möglich wäre? Den Aufwand, eine Statik vorab zu beauftragen, nur um ein Angebot zu erstellen, werden wohl die meisten scheuen, insbesondere dann, wenn der Kunde ein kostenloses Angebot haben möchte. Aber es gibt ja auch den Weg, eine statische Vorbemessung selbst zu erstellen. Alles was man dazu braucht, ist ein bisschen baustatisches Verständnis und ein paar technische Hilfsmittel.
Die allermeisten Fensterbaubetriebe und Glasereien verfügen sowohl über die Rechentechnik in Form eines PC´s, als auch über die Basis-Software, wie z.B. Exel. Unter www.helpware.info finden sich neben entsprechenden Excel-Rechnern zur Ermittlung der Einwirkungen, also den für das entsprechende Bauteil anzusetzenden Wind- und Schneelasten, auch Berechnungsprogramme zur Glasbemessung. Diese basieren auf der schon beschriebenen Theorie von HESS. Da alles modular aufgebaut ist, werden nur die Programme gewählt, die er benötigt. So wird sich der Fensterbauer, der nur lokal tätig ist und nur Dreifach-Isoliergläser verarbeitet, auch nur das Modul zur Windlastermittlung auf Fassaden und nur den Glasrechner für senkrechte Dreifachverglasungen zulegen. Die richtige Windlastzone kennt er ja. Der Wintergartenbauer wird sich zusätzlich für die Schneelastermittlung und die Bemessung von Überkopfverglasungen interessieren. Baut jemand nur offene Überdachungen, benötigt er nur die Module zur Schnee- und Windlastermittlung für freistehende Dächer und für Vordächer sowie für die Bemessung von Einfachverglasungen im Dachbereich. Wer überregional tätig ist, wird schnell den Zonenfinder (Programmscan) schätzen lernen, der die Wind-, Schnee- und Eislastzonen nach amtlichen Verwaltungszonen ermittelt. Damit man den grundsätzlichen Umgang mit einem solchen Programm einmal unverbindlich ausprobieren kann, wird ein Musterrechner zum Download angeboten.
red, 20.6. 2017