Baurecht

Was tun bei Lieferschwierigkeiten?

Hinweise für Auftragnehmer

Selten hat bei Bauleistungen das Material eine so große Rolle gespielt wie heute. Viele Materialien sind kaum noch verfügbar und wenn doch, dann zu horrenden Preisen, die oft bei Angebotsabgabe nicht berücksichtigt wurden. Der Fassaden- und Metallbauer sieht sich in diesem Fall immer häufiger Schadensersatzansprüchen seines Auftraggebers ausgesetzt, insbesondere weil die Bauzeit länger andauert als vertraglich vorgesehen.

Verlängert sich die Bauzeit und wird das Material erst Monate noch der vereinbarten Lieferzeit abgerufen/bestellt, liegt der Preis für das Material oft weit über dem Angebotspreis. Die gesetzlichen Regelungen zu den Preisanpassungen (vgl. §§ 313, 275 BGB) finden in diesen Fällen jedoch meistens keine Anwendung — auch nicht die Vorschriften zum Wucher oder wucherähnlichen Geschäft (vgl. § 138 BGB). Aus diesem Grund empfiehlt es sich dringend, in den Vertrag sogenannte Stoffpreisgleitklauseln mit aufzunehmen, nach denen Preissteigerungen während der Bauzeit an den Auftraggeber weitergegeben werden können, indem die Angebotspreise beispielsweise an einen bestimmten Materialpreisindex gekoppelt werden.

In den Fällen, in denen keine Stoffpreisgleitklausel vereinbart wurde, sollte der Auftragnehmer zunächst das Gespräch mit dem Auftraggeber suchen, um eine gemeinsame Lösung zu suchen. Eine solche gemeinsame Lösung ist aus unserer Erfahrung aus der Praxis am besten zu erzielen, wenn die (Bau-) Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind. Zu diesem Zeitpunkt ist der Auftraggeber für die Fertigstellung noch auf den Auftragnehmer „angewiesen“ und einem Kompromiss mehr zugeneigt als nach Fertigstellung der Leistung des Auftragnehmers.

Die Thematik der Lieferschwierigkeiten ist vielschichtig und bestimmt sich danach, ob man die Problematik aus Sicht des Auftraggebers oder des Auftragnehmers beurteilt.

Ansprüche Auftraggeber gegen Auftragnehmer

Schadensersatzansprüche wegen verzögerter Lieferung/Montage setzen in der Regel voraus, dass zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ein konkreter Liefertermin/Montagetermin vereinbart wurde. Aus Sicht des Auftragnehmers sollte daher zunächst geprüft werden, ob überhaupt ein Liefertermin/Montagetermin mit dem Auftraggeber vereinbart wurde. Erst dann, wenn der Auftragnehmer den vereinbarten Termin nicht einhält, kommen Schadensersatzansprüche des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer in Betracht.

Ansprüche wegen verspäteter Leistung (sog. Verzugsansprüche) setzen zudem ein Verschulden des Auftragnehmers an der nicht rechtzeitigen Lieferung voraus. Ist der Auftragnehmer selbst Lieferant, muss er beweisen, dass ihn kein Verschulden an der verspäteten Lieferung trifft. Das heißt, er muss alles unternommen haben, um sämtliche Materialen so früh wie möglich zu beschaffen, auch zu deutlich höheren Preisen. Ebenso muss er gleichzeitig sämtliche Vorbereitungsmaßnahmen und Planungen vorausschauend vorgenommen haben. Dieser Nachweis wird dem Auftragnehmer nur selten gelingen. Die Corona-Pandemie und deren Folgen sind in der Regel kein Entschuldigungsgrund und auch keine höhere Gewalt (vgl. § 6 Abs. 2 VOB/B), da diese Umstände bereits bei Vertragsschluss bekannt gewesen sind. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, in den Vertrag mit dem Auftraggeber eine sog. Corona-Klausel aufzunehmen, die regelt, unter welchen Umständen eine Behinderung durch die Corona-Pandemie (beispielsweise durch Quarantäne der Bauleitung etc.) zu einer Verlängerung der Vertragsfristen oder sogar zu einer berechtigten Einstellung der Arbeiten führt.

Ein Verschulden seines Lieferanten muss sich der Auftragnehmer im Allgemeinen jedoch nicht zurechnen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 9. 2. 1978 — VII ZR 84/77).

Nach alledem sollte der Auftragnehmer mit seinem Lieferanten stets verbindliche Liefertermine vereinbaren und die Termine so früh wählen, dass auch bei einer Verspätung der Lieferung von kurzer Dauer die Fristen gegenüber dem Auftraggeber eingehalten werden können. Von Verträgen mit Lieferanten, die Bestellmengen und Lieferdaten nicht verbindlich mitteilen wollen oder können, sollte möglichst Abstand genommen werden.

Ansprüche Auftragnehmer gegen Lieferanten

In der Regel sind auch in den Verträgen zwischen dem Auftragnehmer und dem Lieferanten keine Regelungen bezüglich unvorhersehbarer Ereignisse und höherer Gewalt enthalten. Für Lieferengpässe, die auf mögliche Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen sind, gelten daher die gleichen Voraussetzungen wie im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Ein Verschulden wird grundsätzlich vermutet, der Beweis des Gegenteils durch die Lieferanten wird nur in den seltensten Fällen gelingen (beispielsweise bei einem kompletten Produktionsstopp des Herstellers).

Ein Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers gegen die Lieferanten setzt voraus, dass sich der Lieferant mit seiner Leistungserbringung in Verzug befindet, den vereinbarten Liefertermin also nicht einhält. Haben Auftragnehmer und Lieferant keinen Liefertermin vereinbart, so kann der Auftragnehmer die Lieferung grundsätzlich sofort verlangen (vgl. § 271 Abs. 1 BGB). Bevor der Lieferant jedoch in Verzug kommt und der Auftragnehmer seinen Verzugsschaden geltend machen oder vom Vertrag zurücktreten kann, muss der Auftragnehmer dem Lieferanten eine angemessene Frist zur Lieferung setzen. Die Frist ist angemessen, wenn der Lieferant die Lieferung innerhalb der gesetzten Frist unter größtmöglichen Anstrengungen hätte ausführen können. Abzustellen ist hierbei immer auf die Umstände des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine gewisse Vorlaufzeit erforderlich sein kann, damit der Auftragnehmer alles Organisatorische veranlassen kann, und dass sonstige äußere Umstände eine Rolle spielen können (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 21.03.2018 — 11 U 124/15).

Zur Ermittlung des Verzugsschadens sieht das Gesetz vor, dass der Lieferant den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn die Materialien rechtzeitig geliefert worden wären. Es ist dann Aufgabe des Auftragnehmers, die Schäden nachzuweisen, die durch die verspätete Lieferung der Materialien entstanden sind. In der Regel wird es sich hierbei um die Schadensersatzforderungen des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer handeln, wie beispielsweise Vertragsstrafen, erhöhte Fertigstellungskosten oder entgangene Mieten.

Doch auch beim Auftragnehmer selbst können Verzugsschäden entstehen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn halbfertige Produkte nicht ausgeliefert werden können, da eine zugesagte Materiallieferung nicht eingegangen ist und hierdurch dem Auftragnehmer zusätzliche Lagerkosten entstehen oder auch ein hierdurch entgangener Gewinn des Auftragnehmers.

Der Auftragnehmer kann bei Lieferung der Ware nach Ablauf der vereinbarten Frist auch vom Vertrag zurücktreten und zudem den hierdurch entstandenen Schaden gegenüber dem Lieferanten geltend machen. In diesem Fall muss der Lieferant dem Auftragnehmer die erhaltenen Zahlungen zurückerstatten. Aus Sicht des Auftragnehmers empfiehlt es sich ohnehin nicht, mit dem Kaufpreis vor Lieferung der Ware in Vorleistung zu gehen, da der Auftragnehmer hier das Risiko trägt, dass der Lieferant vor Lieferung der Ware insolvent geht. Alternativ kann dieses Risiko der Vorleistung durch den Auftragnehmer mittels einer sog. Vorauszahlungssicherheit abgesichert werden.

Die Erklärung des Rücktrittes sollte jedoch stets als Ultima Ratio gesehen und die Voraussetzungen für den Rücktritt (Lieferung der Ware nach Ablauf der vereinbarten Frist) sorgfältig geprüft werden. Denn ein unwirksamer Rücktritt berechtigt wiederum den Lieferanten, seinerseits vom Vertrag zurückzutreten. Vor der Rücktrittserklärung sollte sich der Auftragnehmer zudem überlegen, wo und in welchem Zeitraum er eine Ersatzlieferung von einem anderen Lieferanten bekommt, damit die Fristen gegenüber seinem Auftraggeber eingehalten werden können.

Fazit

Steigenden Materialpreisen können Auftragnehmer nur effektiv mit einer Preisanpassungsklausel begegnen, die mit dem Auftraggeber vertraglich vereinbart werden muss. Hier sollte der Fassaden- und Metallbauer seinem Auftraggeber deutlich machen, dass diese Klausel keinem eigenen Gewinnstreben geschuldet ist, sondern vielmehr für beide Seiten nicht absehbare Preisänderungen fair auf den Schultern beider Vertragsparteien verteilt.

Bezüglich der Folgen von Lieferschwierigkeiten ist zu raten, Materialien so früh wie möglich zu bestellen und etwaige Mehrkosten der Lagerung bei Angebotsabgabe zu berücksichtigen. Es ist grundsätzlich möglich, den Lieferanten für durch den Lieferverzug entstehende Schäden in Regress zu nehmen bzw. eigene Schäden gegenüber dem Lieferanten aufgrund des Verzugs geltend zu machen. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass mit den Lieferanten schriftlich feste Liefertermine ausgemacht und gegebenenfalls bereits vor Angebotsabgabe verbindliche Angebote der Lieferanten eingeholt werden. So kann der Fassaden- und Metallbauer zum einen drohende Preissteigerungen so gering wie möglich halten und zum anderen bereits frühzeitig die verbindliche Lieferung der Materialien vertraglich vereinbaren.

Die festen Liefertermine sollten hierbei so weit vor den mit dem Auftraggeber vereinbarten Terminen liegen, dass selbst bei einer kurzen Lieferschwierigkeit der Materialien die eigenen Fristen eingehalten werden können.

Zudem empfiehlt es sich für Fassaden- und Metallbauer, sogenannte Corona-Klauseln in den Vertrag mit seinem Auftraggeber aufzunehmen, um für beide Seiten klar und kalkulierbar zu regeln, unter welchen Umständen Behinderungen durch Corona-Fälle im eigenen Betrieb oder beim Lieferanten zu einer Verlängerung der Vertragsfristen oder sogar zu einer Baueinstellung führen können.

Info & Kontakte

RA und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Marian Burghardt ist seit 2017 als Anwalt und seit 2018 als Partner in der Kanzlei Heinicke Burghardt Rechtsanwälte in München tätig. Zuvor sammelte er bereits viele Jahre lang als RA Erfahrungen im Immobilien- und Baurecht in nationalen und internationalen Kanzleien. Der Fokus lag stets auf privatem Bau- und Architektenrecht.
RA Simon Heinrich ist seit September 2021 in der Kanzlei Heinicke Burghardt Rechtsanwälte tätig. Zuvor sammelte er viele Jahre als RA Erfahrungen im Immobilien- und Baurecht - vor allem im privaten Bau- und Architektenrecht.

www.heinicke.com

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