Interview

Heinrich Bökamp, Ik-Bau-NRW

„Der Bedarf an Sachverständigen ist groß!“

Die Ingenieurkammer-Bau NRW bestellt und vereidigt regelmäßig Sachverständige für das Bauwesen. Wir haben mit Dr.-Ing. Heinrich Bökamp über die Folgen der Digitalisierung für das Sachverständigenwesen gesprochen. Der Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW ist ö.b.u.v. Sachverständiger ...

metallbau: Welche Kontaktschnittstelle haben Sie zu den Stahl- und Metallbauunternehmen?

Dr.-Ing. Heinrich Bökamp: Ich prüfe beispielsweise die Planung und die statischen Berechnungen beziehungsweise die Konstruktionszeichnungen der Stahlbauer. Bei Schäden an Bauwerken des Stahlbaus bin ich als Gutachter für Gerichte tätig.

metallbau: Viele Unternehmer des Stahl- und Metallbaus sind zugleich Sachverständige, was halten Sie von dem beruflichen Duo?

Bökamp: Die Kombination ist mit Vorsicht zu genießen, weil von Sachverständigen ein unabhängiges Urteil gefragt ist. Bei einem Unternehmer ist natürlich die Gefahr gegeben, dass er bei seinen Aufgaben als Sachverständiger wirtschaftliche Interessen nicht ganz ausblenden kann. Daher wird von Seiten der Gerichte versucht, unabhängige Sachverständige zu beauftragen.

metallbau: Warum bilden sich dann doch so viele Unternehmer zum Sachverständigen fort?

Bökamp: Dabei handelt es sich nicht immer um ö.b.u.v. Sachverständige, der Begriff des Sachverständigen ist ja nicht geschützt, im Grunde genommen kann sich jeder so nennen – manchmal steckt hinter dieser Bezeichnung eine Mogelpackung. Sicherlich wird der Sachverständige im Briefkopf, ob nun öffentlich bestellt und vereidigt oder nicht, mit profundem Fachwissen assoziiert und ist eine Unterstützung bei der Akquise von Aufträgen.

metallbau: Inwiefern verändert derzeit die Digitalisierung die Arbeit des Sachverständigen?

Bökamp: Die Digitalisierung trägt dazu bei, dass wir mehr Daten erfassen können – auch dass wir mit Daten besser umgehen können. Es ist heute einfacher, etwas zu dokumentieren oder zu speichern. Auf diese Weise können mehr Informationen abgriffen werden. Ferner hilft die Digitalisierung dabei, immer und überall die Regeln und Vorgaben auf dem aktuellen Stand parat zu haben. Sachverständige können inzwischen immer mit Sicherheit sagen, was aktuell gilt. Als wir noch mit Büchern gearbeitet haben, war es vielfach so, dass bis zur Veröffentlichung der Printunterlagen die Informationen bereits veraltet waren. Das wird es dank Digitalisierung nicht mehr geben.

metallbau: Sicher werden sich auch die Fehler reduzieren!

Bökamp: Digitalisierung wird den Arbeitsprozess vereinfachen, es werden viel mehr Abläufe über PC gesteuert, der Computer übernimmt einige Aufgaben für die Sachverständigen.

metallbau: Welche Bedeutung hat für die gutachterliche Aussage die Eignung des Sachverständigen, mit den digitalen Werkzeugen umzugehen?

Bökamp: Ich glaube nicht, dass aufgrund der Digitalisierung die Antworten der Sachverständigen unterschiedlich ausfallen. Wie der Sachverständige die ihm vom Gericht gestellten Fragen beantwortet, ob er das mit Unterstützung von EDV oder digitalen Werkzeugen tut, spielt keine Rolle. Die Ergebnisse dürften sich wegen der eingesetzten Werkzeuge nicht unterscheiden.

metallbau: Könnten Sie ein bisschen was zur E-Akte erklären? Inwiefern gehen damit Veränderungen für die Arbeit des Sachverständigen einher?

Bökamp: Alle Beteiligten rund um die Ermittlung eines Gutachtens – auch die Gerichte, wollen ihre Papiere nicht mehr in dicken Akten sammeln, auch der Datenaustausch soll elektronisch erfolgen − nicht mehr postalisch via Brief. Die Vorteile sind dann, dass alle Informationen in einem Datensatz zusammengefasst sind und dass man auf die Akte von überall zugreifen kann. Auch lässt sich die Akte digital aktueller halten: Jeder, der an dem Fall arbeitet, kann seine Ergebnisse hinzufügen.

metallbau: Bedarf es für die E-Akte nicht besonderer Sicherheitstechnik?

Bökamp: Da ist natürlich Skepsis angebracht. Insbesondere bei gerichtlichen Gutachten muss sichergestellt sein, dass keiner zur E-Akte Zugang hat, der etwas verändern könnte. Das fängt schon bei digitalen Fotos an, die sich ja sehr leicht verändern lassen. Manche Gerichte fordern inzwischen auf digitalen Fotos einen Stempel, der bestätigt, dass der Sachverständige das Foto so wie der Akte beigelegt aufgenommen hat und das, was auf dem Foto dargestellt wird, der Realität entspricht.

metallbau: Das heißt, die Fotos müssen immer noch ausgedruckt werden?

Bökamp: Ja, derzeit werden die Gutachten noch in schriftlicher Form bei Gericht abgegeben.  Sobald man die erforderliche Datensicherheit gewährleisten kann, wird sich das ändern. Aber sobald jemand Sorge hat, dass irgendetwas an den Unterlagen manipuliert sein könnte, wird er Nachweise in der althergebrachten Form fordern. Er wird sagen, ich brauche das echte Foto, und auch Unterschriften müssen dann original und nicht digital sein.

metallbau: Inwiefern wird die Digitalisierung bereits bei der Ausbildung der Sachverständigen berücksichtigt?

Bökamp: Das läuft parallel. Aber es gibt wenige spezielle Ausbildungen zum ö.b.u.v. Sachverständigen. Die meisten absolvieren verschiedene Kurse. Die Anwärter bringen ja Wissen aus ihrer beruflichen Praxis mit, auch was den Umgang mit der Digitalisierung betrifft.

metallbau: Brauchen Sachverständige derzeit durch die neuen digitalen Anforderungen spezielle Beratung?

Bökamp: Der Sachverständige kann nicht beurteilen, ob seine digitale Datensammlung sicher ist, sondern er muss dies von anderer Seite bestätigt bekommen. Das sind spezielle Personen, die sich mit der IT auskennen. Solange dies nicht der Fall ist, wird man die elektronische Akte nicht für das Sachverständigenwesen freischalten.

metallbau: Was meinen Sie, wann werden ö.b.u.v. Sachverständige voraussichtlich mit der E-Akte offiziell arbeiten?

Bökamp: Ein präzises Datum ist derzeit nicht vorgesehen. Erforderlich ist noch eine entsprechende Rahmengesetzgebung. Hierfür relevante technisch-organisatorische und rechtliche Fragestellungen werden auf der Bund-Länder-Ebene gegenwärtig intensiv diskutiert. Zudem wird die Etablierung eines sicheren elektronischen Aktenverkehrs erhebliche finanzielle und zeitliche Ressourcen beanspruchen.

metallbau: Werden mit der Digitalisierung nicht auch andere Messmethoden gefördert?

Bökamp: Das ist sicherlich richtig, viele werden die neuen Möglichkeiten nutzen. Messen ist heute einfacher geworden, vor allem auch, weil es heute von einer Person zu bewerkstelligen ist. Aber nur weil die Arbeit schneller geht, mit weniger Aufwand geleistet werden kann und die Ergebnisse genauer ausfallen, heißt es nicht, dass die grundsätzlichen Fragen an den Gutachter mit einem anderen Fazit beantwortet werden. Das Sachverständigenwesen wird lange noch an den Menschen gebunden sein. Er muss schlussendlich die Verantwortung für seine Ergebnisse tragen, für das, was er als Ergebnis ins Gutachten schreibt.

metallbau: Das sollte Motivation genug sein, mit den neuesten Geräten zu arbeiten.

Bökamp: Die Verantwortung von Sachverständigen ist sehr groß, weil meist einer der Baubeteiligten im Ergebnis der Leidtragende ist. Nicht zuletzt deswegen gibt es Weiterbildungspflichten, die verlangen, dass sich der Sachverständige regelmäßig fortbilden muss. Die Nachweise für den Besuch der Veranstaltungen werden kontrolliert, bei ö.b.u.v. Sachverständigen müssen diese jährlich nachgewiesen werden − Zeiteinheiten an Fortbildung müssen bei den kontrollierenden Behörden eingereicht werden.

metallbau: Werden Sachverständige derzeit gesucht?

Bökamp: Es gibt einen großen Bedarf an Sachverständigen − in allen Bereichen, nicht nur für das Bauwesen. Die Gerichte haben meines Wissens nach überall Not, die nötigen Sachverständigen für die gutachterlichen Arbeiten zu finden.

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