Österreichischer Stahlbaupreis
Fünf Preisträger beim Wettbewerb für StudierendeAus den 53 Einreichungen von Studierenden wurden fünf Gewinner ausgewählt. An sie wurde jeweils ein Preisgeld in Höhe von 2.000 Euro vergeben. Weiter wurden zwei Anerkennungen mit einem Preisgeld von je 500 Euro belohnt: Eine Anerkennung gab es für Elena Kull und Andreas Nätscher für das Projekt "weit-über-unter-spannen" - eine Dachkonstruktion in Stahl. Eine zweite Anerkennung ging an Jonathan Pielmeier für sein Projekt Stahlflieger. Seine Nachbildung von Papierfliegern aus Stahl wertete die Jury als poetischen Kommentar zum Konstruieren aus Stahl.
Die fünf Gewinner
Boussy Gabriel - center for new models
Das eingereichte Projekt zeigt eine sehr ruhige, reduzierte Formensprache. Strukturell ist es präzise und reagiert auf den im Untergrund durch U-Bahn und Wienfluss eingeschränkten Ort. Das zentrale Rückgrat definiert sich durch ein Stützenbündel, das aufgelöste Stahlkonsolen trägt. Diese werden an ihren Extremitäten in der Art eines Waagebalkens durch Zugbänder fixiert. Programmatisch handelt es sich um eine Verdichtung des Abschnittes im Wiental mit öffentlich zugänglichen Nutzungen als Bereicherung des Marktes. Es dient der Bevölkerung des Quartiers und ist auch übergeordnet als für temporäre Nutzungen und Events geeignet. In seiner Maßstäblichkeit nimmt das Projekt die Dimensionen des Marktes auf. Auf diese Weise reagiert es auf den von den beidseitigen Häuserfronten definierten Zwischenraum. Die sich wiederholende Abfolge der Struktur erlaubt eine Variabilität in der Nutzung. Sie eignet sich zur Wiedernutzung einzelner Elemente sowie eines möglichen Abbaus und Wiederaufbaus der Struktur als Ganzes oder in Ausschnitten an einem anderen Ort. Die ablesbare und an den Ort angepasste Struktur, die Wiederverwendbarkeit der Elemente, die in ihrer Dimension einfach manipulierbar und transportierbar sind, die Skelettkonstruktion, die einen offenen variablen Grundriss ermöglicht, sind Aspekte, die die sinnvolle Verwendung von Stahl überzeugend widerspiegeln.
Mauerhofer Valerie, Köb Ambrosia - Steel lvy
Mit dem Projekt STEEL IVY erhält der verlassene Flakturm „Peter“ im Wiener Augarten eine kraftvolle architektonische Antwort auf seine düstere Vergangenheit. Die Intervention verwandelt das Relikt nationalsozialistischer Kriegsarchitektur in ein „Museum des Widerstands“ – einen Ort der Erinnerung, des Nachdenkens und der Weitsicht. Ein skulpturaler Aufbau, einer explodierten Kapsel ähnlich, erweitert den massiven Turmkörper aus Beton. Seine expressive Formensprache greift die historische Detonation auf, die den Turm nach Kriegsende erschütterte – ausgelöst durch gelagerte Sprengsätze im Inneren. Die Intervention scheint diesen Moment einzufrieren: Abstehende Fassadenelemente erinnern an wegschleudernde Fragmente, als würde die Energie des Ereignisses noch in der Struktur nachhallen.
Das Projekt setzt sich intensiv mit dem Bestand auseinander und thematisiert bewusst Patina, Verfall und Transformation. Im Gegensatz zu technisch-dominierten Ansätzen betont STEEL IVY eine künstlerische, fast skulpturale Haltung, die den Turm nicht überformt, sondern mit ihm in einen dialogischen Spannungszustand tritt. Dabei denkt das Projekt Nachhaltigkeit radikal weiter. Es verzichtet vollständig auf neu produzierten Stahl und setzt stattdessen auf RE-USE-Bauteile, die aus bestehenden Bauwerken rückgebaut wurden und vor der Verschrottung gerettet für eine neue Funktion aufbereitet werden. Re-Use ist hier weit mehr als bloße Materialwiederverwertung: Es ist eine gestalterische Strategie, die Unplanbarkeit nicht als Mangel, sondern als Potenzial begreift. Der bewusste Umgang mit dieser Offenheit eröffnet neue Wege im Umgang mit bestehenden Strukturen und führt zu einer vielschichtigen offenen und überraschenden Ästhetik einer neuen Baukultur. Denn nicht das Wunschmaterial bestimmt die Form, sondern das vorhandene Material eröffnet eine neue architektonische Logik. Klassische Planungsprozesse, die erst der Konstruktion, dann der Materialwahl folgen, sind hier nicht anwendbar. Stattdessen wird ein räumliches Konzept definiert, das auf das verfügbare Material reagiert und gleichzeitig die technischen Anforderungen erfüllt. Der Entwurfsprozess folgt dabei der Idee des architektonischen „Patchworks“ – einer Bricolage im Sinne des französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss, der in Das wilde Denken (1962) den rational-planenden Ingenieur dem improvisierenden „Bricoleur“ gegenüberstellt. Wo der Ingenieur mit exakt definierten Mitteln arbeitet, nutzt der Bricoleur das, was vorhanden ist – und schafft daraus etwas Neues. Durch die direkte Wiederverwendung von Stahl lassen sich bis zu 91 % der Treibhausgasemissionen einsparen, die beim Neuproduktionsprozess – selbst bei Recyclingstahl – anfallen würden. Erst bei Transportwegen über 590 Kilometern kippt die CO₂-Bilanz zugunsten neuer Recyclingträger.
Raabe Lukas, Pressel Dierk - Reparaturzentrum Wien
Das Reparaturzentrum verbindet Reparatur, Nachhaltigkeit und Bildung mit einem durchdachten architektonischen Konzept. Österreichischer Stahlbaupreis für Studierende 2025 Seite 4 Der Fokus liegt auf einem doppelten Reuse-Ansatz: Das Gebäude besteht aus wiederverwendeten Materialien und bietet Raum für Reparaturprozesse. Besonders überzeugt die demontierbare Stahlkonstruktion, die eine ressourcenschonende Nutzung ermöglicht. Städtebaulich beeindruckt die Integration neuer Funktionen, wie Hochregallager, Werkstatt und Büroflächen, in den städtischen Block. Die Faszination des Projekts liegt einerseits in der Unauffälligkeit der Architektur, welche die Erscheinung des gesamten Häuserblocks nicht wesentlich verändert, andererseits im Umgang mit den Zwängen, welche der Einbau sowohl eines Werkstatt-, Büro- als auch eines Logistikgebäudes in ein bestehendes Gebäudearrangement mit sich bringen. Oft aber nicht immer soll Architektur ‚strahlen‘ und ins Auge fallen. In vielen Fällen soll das Stadtbild erhalten bleiben. Beim vorliegenden Projekt ist dies sehr gut gelungen. Besonderes Lob verdient der kreative Einbau des Hochregallagers. Die Stahlkonstruktionen sind durchwegs klug und einfach konzipiert und können leicht realisiert werden, was wiederum einen weiten Bieterkreis und somit günstige Kosten mit sich bringt. Derartige Konzepte bringen die Arbeitsplätze in die Stadt und somit zu den Menschen, sie wirken somit entlastend für den Verkehr und die Umwelt. Der Einsatz von Stahlelementes aus einem Abriss zeigt die Wiederverwendbarkeit von Stahlkonstruktionen und damit die extrem lange mögliche Nutzungszeit dieser. Das Zentrum kombiniert Werkstatt, Ersatzteillager und Bildungsangebote und wird durch ein Café und einen Verkaufsbereich ergänzt, um eine breite Zielgruppe anzusprechen.
Tjark J. Schade - Repariert das System
Das Projekt beeindruckt durch seine präzise und vielschichtige Auseinandersetzung mit den Themen Reuse, Kreislauffähigkeit und gesellschaftlicher Relevanz. Im Zentrum steht die Idee, durch Architektur aktiv zur Reparatur gesellschaftlicher Strukturen beizutragen – ein Ansatz, der die aktuelle ökologische und soziale Dringlichkeit in überzeugender Weise adressiert. Mit wiederverwendeten Stahlträgern und Trapezblechen wird das Prinzip der Kreislauffähigkeit nicht nur technisch umgesetzt, sondern auch sichtbar gemacht – als klare Botschaft für Transparenz, Ressourcenschonung und Eigeninitiative. Das "Reparaturhaus" bietet ein niederschwelliges Angebot für die Stadtgesellschaft, um Dinge instand zu setzen, statt sie vorzeitig zu entsorgen. Der einfache, klar gegliederte Grundriss – bestehend aus dienenden Flächen, einer Hochregalzone zur Aussteifung und offenen Werkstattbereichen – schafft funktionale Effizienz und unterstreicht zugleich programmatisch die Idee der Demokratisierung von Wissen sowie die Förderung einer Kultur des Reparierens.
Das Projekt überzeugt sowohl durch konstruktive Klarheit als auch durch hohe architektonische Qualität. Die gezielte Gestaltung von Verschattung, Vordächern und Fassaden trägt die Reuse-Strategie sichtbar nach außen und erzeugt zugleich einen ästhetischen Mehrwert. Besonders hervorzuheben ist der sorgfältige Entwurfsprozess: Das detaillierte Arbeiten am Modell führt zu einer außergewöhnlichen gestalterischen und konstruktiven Tiefe und demonstriert das innovative Potenzial von Stahl als nachhaltigem Baustoff.
Wolf Roland, Boberei Nadja - Spielraum
Gegenstand des Entwurfes ist eine großräumliche bauliche Struktur für den S- und U-BahnKnoten Ottakring im 16. Wiener Bezirk. Darin enthalten sind ein neues Erschließungssystem für die Bahnsteige sowie die Anbindung zur angrenzenden Nachbarschaft. Beides wird in klarer und einfacher Weise mit einer multifunktionalen programmatischen und räumlichen Erweiterung für Sport-, Kultur- und Gemeinschaftsaktivitäten verbunden. Die gemeinsame Klammer für die entstehenden offenen und flexiblen Räume sind großzügige Flugdächer als leicht gekrümmte Stahlträgerroste welche auf A- und V-Stützen gelagert sind sowie weit gespannte Zwischendecken in Stahlverbundbauweise. Das gut ausgearbeitete Projekt zeigt ein geradezu klassisches Anwendungsfeld für Stahlkonstruktionen auf, bei denen Leichtigkeit und Schlankheit, Formgebung sowie Vorfertigung und Montage Vorteile bieten. Aus städtebaulicher Sicht bietet der Entwurf außerdem hohes prototypisches Potential für andere Standorte mit dem Kontext der Bahn. Das Projekt überzeugt als guter Vorschlag für die Organisation von öffentlichem Raum auf mehreren Ebenen. In der hochwertig präsentierten Arbeit kommen Leichtigkeit, Offenheit und Transparenz der Architektur gut zum Ausdruck und vermitteln insgesamt eine sehr positive Atmosphäre.