Am Puls. Wohin die Reise geht ...

Wandergesellen setzen eine 1.000 Jahre alte Tradition fort. In den D-A-CH Ländern ziehen jährlich allein 20 bis 50 Metallbauer — Frauen und Männer — los auf Tippelei. Aber wissen sie besser, was sie mit ihrem (Berufs-)Leben anstellen wollen als die, die nicht auf der Walz waren?

Ursprünglich ging ein Geselle aus der Not heraus auf die Walz. Es gab in den Familien oft nicht genug Kapazitäten, um alle zu ernähren und in den Orten nicht genügend Arbeit für alle. Also zogen junge Handwerksgesellen los, um in der Fremde zu arbeiten – für Kost und Logie. 

Heute ist das in unseren Breiten nicht mehr nötig. Und gearbeitet wird für einen Gesellenlohn. Trotzdem machen sich jährlich überall auf der Welt mehrere Hundert Metallbauergesellen auf den Weg. Kritiker fragen sich, ob man die Zeit nicht besser nutzen könne, um z.B. gleich den Meister zu machen. Befürworter könnten behaupten, die Walz sei eine gute Möglichkeit, sich international ein berufliches Netzwerk aufzubauen. Klar! Wandergesellen lernen auf ihrer Reise immer wieder neue Arbeitstechniken, Fremdsprachen und Gleichgesinnte kennen. Ob sie dabei ein wertvolles Netzwerk für ihren späteren Beruf aufbauen, hängt wohl individuell von der jeweiligen Persönlichkeit ab, weniger davon, ob ein Handwerker auf der Walz gewesen ist.

Überhaupt sind es die ganz persönlichen Entwicklungen, auf die es bei der Walz ankommt. In die Welt hinausgehen, das bedeutet: Freiheit, neue Länder und Arbeitsumgebungen entdecken, selbstständig denken und handeln, Verantwortung für sich selbst und andere übernehmen, hilfsbereit sein und auf Hilfsbereitschaft vertrauen, neue Freundschaften aufbauen usw. Und es bedeutet verzichten: auf Komfort, alte Freunde, Familie, Auto oder Handy. Das macht sicher etwas mit der Persönlichkeit. Messbar sind diese Werte nicht. Und ob man ein mutiger, fleißiger oder wie auch immer gesinnter Mensch sein möchte, muss ohnehin jeder für sich selbst entscheiden.

Dipl.-Ing. Melanie Seifert,
Fachredakteurin, Architektin, Nürnberg

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