Bausätze liegen im Trend

Geschäftsmodelle mit Entwicklungspotenzial

Schnelle Lieferbarkeit und günstige Preise veranlassen immer mehr Verbraucher, nicht nur Fenster und Türen, sondern auch Balkone, Treppen oder Geländer via Internet zu kaufen und eigenhändig zu montieren. Die Branche ist überrascht, wie gut das funktioniert. Und auch Metallbauer kaufen Bauelemente als Bausatz, um flexibel und vielseitig zu sein.

„Meine Bausätze sind Selbstläufer geworden“, resümiert Pascal Tonneau, Geschäftsführer der Firma Metallbau und Schlosserei Schulte-Filthaut. Damit hatte er nicht gerechnet. Die meisten Kunden habe er in Nordrhein-Westfalen, im Umkreis von bis zu 150 km seines Firmenstandortes. Hohe Handwerkerpreise sind einer der Gründe, die zu einem regelrechten Boom bei Bausätzen geführt haben. „Die Kunden erzählen mir oft, was das Bauteil vor Ort kostet. Meist ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht“, sagt Tonneau. Von Haus aus Metallbaumeister und Schweißfachmann, kaufte er den Betrieb 2008 vom Eigentümer Klaus Filthaut und stellte das Unternehmen auf drei Säulen: Klassischer Metallbau, Bauelemente als Handelsware sowie Fertigung und Vertrieb von Bausätzen in den Bereichen Treppen, Balkone und Geländer. Inzwischen beschäftigt er elf Mitarbeiter.

Anfrage von Amazon. Tonneau vertreibt seine Produkte sowohl an andere Metallbauer als auch an Privatkunden und hat dazu bereits auf seiner Homepage die strikte Einteilung in die drei Bereiche Industriekunden, Privatkunden sowie Architekten und Bauunternehmen vorgenommen. Die Preise hat er etwas gestaffelt, die Rabattsätze für Kollegen werden vorher verhandelt. Auch in seiner Sparte Bauelemente verfährt er so. Verkauft wird vorwiegend über das Internet, im Ruhrgebiet besucht er Regionalmessen und veranstaltet Aktionstage. „Ansonsten setze ich auf Mundpropaganda“, sagt er, „Printwerbung mit Anzeigen oder Flyern machen wir nicht mehr.“

Weil das Geschäftsmodell mit Bausätzen boomt, wird auch der Internethändler Amazon auf diese Sparte aufmerksam. „Ich bin bereits angesprochen worden“, sagt Tonneau, „ob ich meine Artikel nicht über Amazon vertreiben möchte“. Aber da hat er gepasst, das könne er mit einem Handwerksbetrieb gar nicht stemmen. Dafür müsste er viel mehr Material und Leute vorhalten. Generell beobachtet er, dass immer mehr Händler auf den Internetmarkt drängen, „weil die mitbekommen haben, dass man Treppen und Balkone per Versand bestellen kann, und dass das funktioniert.“ Tonneau sieht das trotzdem gelassen, seine Stärke liegt  in einem speziellen 24-Stunden-Service. „Wir bieten eine Notruftelefonnummer an. Denn die meisten Endkunden bauen Samstag oder Sonntag auf und haben dann bei Fragen die Möglichkeit, uns anzurufen. Und wenn alle Stricke reißen, fährt ein Servicemitarbeiter raus und macht die Restarbeiten. Klar muss das dann bezahlt werden. Der Kunde spart aber immer noch die Vormontage- und die Montagekosten.“ Darüber hinaus bietet seine Firma auch einen bundesweiten Aufbauservice an. Dafür arbeitet er mit Betrieben aus den Innungen vor Ort zusammen.

Module kontra Systembau. Und so fing alles an: „Wir haben festgestellt, dass unsere Industriekunden immer relativ schnell Treppenlösungen brauchen. Der klassische Treppenbau war dafür zu schwerfällig. Weil keine Treppe gleich ist – mit Ausnahme von Systembautreppen – haben wir verschiedene verstellbare Geländer-, Wangen- und Treppenstufenmodule entwickelt, fertig verzinktes Material bevorratet und können nun innerhalb von sieben Tagen passende Treppen liefern“, erläutert Tonneau. Diese Treppen sind für den Innenbereich geeignet. Für Treppen, Türen oder Fluchtwege im Außenbereich muss ein Metallbauer zum Kaltverzinken von Bohrlöchern und Schweißstellen zertifiziert sein oder die Teile galvanisieren lassen, was Zeit kostet. Die Modulbauweise erleichtert auch das Aufmaß: „Der Kunde muss im Aufmaßblatt nur drei Maße einzeichnen – das Treppendreieck, die Auflagengeschoßhöhe und den maximalen Platzbedarf. Außerdem wählt er zwischen drei Grundgeländertypen und zwei Wangentypen.“ Dies reicht aus, um ein Angebot zu erstellen.

Bausätze für Fachfirmen. Ein anderes Produktions- und Vertriebskonzept verfolgt das Metallbauunternehmen Foppe Metallbaumodule. Das auf die Fertigung von Aluminiumfenstern und -türen, Brandschutzelementen, Winter- und Sommergärten sowie Überdachungen spezialisierte Unternehmen fertigt die Bauelemente komplett, als Bausatz oder in verschiedenen Fertigungsstufen, je nach Kundenwunsch. Beliefert werden ausschließlich Fachunternehmen, die das dann weiter bearbeiten, konfektionieren und beim Endkunden montieren. Zwischen Bausatz und Fertigelementen besteht dadurch ein fließender Übergang, erläutert Klaus Middendorp, Vertriebsleiter bei Foppe Metallbaumodule, „weil wir je nach Wunsch des Kunden alles anbieten, von der reinen Profilbearbeitung bis zum fertigen Bauteil.“ Ein großer Vorteil ist, sagt Middendorp, dass die Kunden genau das bestellen können, was sie brauchen: „Auf Wunsch auch bereits fix und fertig mit Beschlägen und Glaseinsätzen.“ Das erspart dem Kunden eine Menge an Verwaltungsaufwand, denn er löst nur eine einzige Bestellung aus, bekommt die tatsächlich benötigte Menge und ist unabhängig von vorgegebenen Verpackungseinheiten der Systemgeber.

Detaillierte Montageanleitungen. Motivation für den Kauf von Bausätzen sind die schnelle Lieferfähigkeit ab drei Werktagen und das dadurch vielseitige, individuelle Angebot für den auftraggebenden Metallbauer. Der kann nun beispielsweise Türen anbieten, obwohl er von Haus aus vielleicht nur Fenster baut. Mit dem Einkauf eines Bausatzes kann er seine eigene Werkstatt mehr oder weniger auslasten, je nach Bedarf. „Viele unserer Kunden wollen die Wertschöpfung bei sich behalten oder nach außen hin kommunizieren, dass sie die Elemente selbst gefertigt haben“, erläutert Klaus Middendorp.

Sein Unternehmen ist auf die verschiedenen Bearbeitungsstufen eingestellt: „Wir arbeiten mit Bearbeitungszentren. Die Maschinenbearbeitung ist für alle Aufträge gleich. Danach werden die Bausätze von den Fertigelementen getrennt und entweder zum Versand zusammengestellt und verpackt oder fertig montiert.“ 50 Mitarbeiter sind bei Foppe Metallbaumodule tätig, davon 32 in der Fertigung und die restlichen in Vertrieb, Technik und Verwaltung.

Weil jedes Bauteil individuell ist, muss die Firma Foppe über ein großes Know-how auch hinsichtlich der Montageanleitungen verfügen. Sämtliche Bausätze liefert das Unternehmen mit einer entsprechenden Anleitung und einem Werkauftrag aus. „Der Werkauftrag ist identisch mit dem, den unsere Fertigung zur Weitermontage bekommt. Hier steht, wo gehört welcher Stab hin, wo welche Leiste in welcher Länge“, sagt Middendorp. Außerdem werden Hinweise zu Werkzeugen oder der Handhabung des Klebers gegeben. Ein Film auf der Homepage zeigt, wie eine Tür zusammengebaut wird.

Onlineshop für Geländer. Ausschließlich auf das schmale Segment von Edelstahlgeländern hat sich die Firma Trummer-Edelstahl spezialisiert. Angeboten werden Geländer und Fenstergitter (so genannte französische Balkone) zur seitlichen oder aufgesetzten Montage, ausgefacht wahlweise mit Glas, Blech, Stäben oder Seilen. Der Kunde kann komplette Bausätze wählen oder die Geländer aus Einzelteilen selbst zusammenstellen. Die Bausätze nehmen aktuell einen Umsatzanteil von rund 30 % ein, Tendenz steigend. Das Unternehmen verkauft nur über einen Onlineshop und bedient bisher vorrangig Endverbraucher. „Der Trend zum Selbermachen verbreitet sich immer mehr, denn die Ersparnis für ein selbst montiertes Geländer liegt zwischen 30 und 50 %“, berichtet Tilo Klug, Technischer Leiter von Trummer-Edelstahl. Die Kundschaft besteht zu 90 % aus Endverbrauchern. Doch das liegt am Shopsystem und soll sich bald ändern. „Wir planen, einen Shop mit zwei Sparten einzurichten, eine für Endverbraucher und eine für Gewerbekunden mit einem entsprechenden Preisgefälle, damit der Einkauf auch für den Gewerbekunden interessant ist“, sagt Klug

Begonnen hat das Unternehmen als reiner Handelsbetrieb, mittlerweile ist durch das Bausatzgeschäft auch eine eigene auftragsbezogene Fertigung hinzugekommen. Viele Komponenten werden jedoch fertig eingekauft. „Die kommen beispielsweise aus Deutschland, China oder Indien“, sagt Tilo Klug. „Wir bieten bei vielen Teilen zwei Qualitäten an, arbeiten aber immer mit zertifizierten Unternehmen zusammen.“ Bei der Billigware werden die Kunden auf Qualitäts- und Genauigkeitsunterschiede hingewiesen: „Wer billig kauft, muss mit Qualitätseinschränkungen rechnen.“ Aus diesem Grunde werde bereits bei der Planung und Auswahl der Produkte Wert auf Beratung gelegt, allerdings liegt das in der Hand des Kunden.

Normen und Gewährleistung. „Vor allem für Do-it-yourself-Handwerker sind genaue Aufbauanweisungen und Hinweise auf fachgerechte Errichtung notwendig“, weiß Pascal Tonneau von Schulte-Filthau. Größeren Ärger hat er aber noch nicht erlebt. Seine Treppen entsprechen dem Normenwerk und den Richtlinien für Arbeitsstätten und Arbeitsschutz. Zu den Bausätzen gibt es immer einen Plan nach Ikeaprinzip, geliefert werden in der Regel Komplettbausätze mit sämtlichem Zubehör. Falls nötig, werden vorab Fundamentpläne zugeschickt. Trotzdem liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, ob er sich eine solche Baustelle zumutet. „Absolute handwerkliche Laien sollten lieber die Finger davon lassen.“ Im Kleingedruckten verweist Tonneau deshalb auch auf klare Grenzen: Wer den Bauplan verlässt, erhöht die Unfallgefahr, die dann nicht mehr in seinen Verantwortungsbereich fällt. Auch müsse der Kunde erklären, dass er mit geeigneten Werkzeugen arbeitet und entsprechende Fähigkeiten besitzt, um so etwas aufzubauen.

Ganz ähnlich sieht das Tilo Klug von Trummer-Edelstahl. Der Kunde muss sich bewusst sein, dass auch ein Geländer, das nicht richtig aufgebaut ist, ein Gefahrenpotenzial birgt. „Viele denken“, sagt er, „dass sie ein Geländer einfach selbst bauen können. Doch für Fehler bei der Montage übernehmen wir naturgemäß keine Haftung.“ Treten hingegen kleinere Schwierigkeiten auf, wird zu den Geschäftszeiten gern telefonisch beraten. Im Rahmen der Gewährleistung gehe das Unternehmen sehr großzügig mit den Kunden um. Wenn Unstimmigkeit auftauchen, dann „sind kulante Lösungen die Regel“, betont Klug.

Grenzen und Chancen. Bausätze haben aber auch Grenzen. Wer ein individuelles Bauelement mit besonderen Maßen oder spezieller Farbgebung benötigt, wird den normalen Bestellweg mit entsprechender Wartezeit wählen müssen. Bausätze sind vor allem dann von Vorteil, wenn der Rohling oder das fertige Bauelement gewisse Standardvorgaben erfüllt. Die Firma Foppe liefert zum Beispiel nur Türen in der Farbe Weiß RAL9016 innerhalb von drei Tagen. Der Kunde kann dann auch noch zwischen verschiedenen Bändern und bestimmten Glasausschnitten wählen. „Eine gewisse Wahlfreiheit gibt es auch bei Bausätzen. Für die Beschläge kann er uns die Bohrlöcher angeben. Aber wer die Tür in drei Tagen haben möchte, muss bestimmte Vorgaben akzeptieren“, sagt Klaus Middendorp.

Generell scheint beim Bausatzgeschäft aber noch Luft nach oben. Die wichtigsten Vorzüge — dass Bausätze schnell lieferbar, günstig und in gewissen Grenzen auch variabel sind — erfüllen die Wünsche bestimmter Kundensegmente. Das derzeitige Volumen beträgt je nach Unternehmen und Geschäftsmodell zwischen 5 und 30 % vom Gesamtumsatz. Ein relativ schnelles Wachstum des Marktes konnten die Firmen einstimmig beobachten, künstlich forcieren will das aber niemand. „Wir werden das Segment Bausatz je nach Nachfrage erweitern“, erklärt Klaus Middendorp. Pascal Tonneau wird deshalb erst mal eine neue Homepage mit verbessertem Onlineshop installieren: „Der bisherige Shop ist an seine Grenzen gestoßen. Künftig kann bei uns der Privatkunde zum Beispiel sein eigenes Garagentor konfigurieren.“ Für Klug liegen die Grenzen von Bausatzlösungen „eindeutig in der Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit der Projekte. Es kommt immer wieder vor, dass Anfragen gestellt werden, die ohne Aufmaß vor Ort und computergestützte Hilfsmittel nicht planbar sind. Dann müssen wir dem Kunden leider eine Absage erteilen.“

Fazit. Der Trend geht hin zum individuell angepassten Bausatz. Jedes Gebäudeobjekt ist anders und benötigt angepasste Einzelkomponenten. Alle Teile aus einer Hand zu beziehen, hat den Vorteil, dass diese kompatibel sind. Tilo Klug ist überzeugt: „Das Geschäftsmodell ‚Bausatz‘ wird reüssieren.“

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