Interview

Bernd Mühl, Unger Steel

„BIM ist alternativlos!“

Bernd Mühl leitet beim österreichischen Stahlbauer Unger Steel den Geschäftsbereich Stahlbau. Die Kernkompetenzen des Unternehmens liegen in der Planung, Fertigung und Montage von Stahlkonstruktionen. Unsere Autorin Melanie Schlegel unterhielt sich mit ihm über die Anwendung von BIM.

metallbau: Bitte beschreiben Sie BIM in Ihren eigenen Worten: Was ist BIM und inwieweit ist es für Metallbauer wichtig, sich damit auseinanderzusetzen?

Bernd Mühl: Einerseits wird mit BIM die Abstimmung zum Auftraggeber bezüglich Geometrie, Zeit und vor allem Kostensicherheit verbessert und andererseits werden damit hausinterne Abläufe wesentlich reibungsloser wie zum Beispiel die Projektbewertung.

metallbau: Seit wann nutzen Sie BIM?

Bernd Mühl: Grob betrachtet liegen die Anfänge im Jahr 1989. Damals jedoch vergleichsweise nur mit eingeschränkter Funktionalität. Im Jahr 2001 erfolgte dann mit dem Wechsel auf den derzeitigen Software-Anbieter der nächste große Schritt. Mit dieser Anwendung hat sich eine Vielzahl an Möglichkeiten aufgetan.

metallbau: Welchen Anlass hatte Unger Steel, die Methode BIM zu nutzen?

Bernd Mühl: Im Zuge des Umstiegs von 2D- auf 3D-Software mit Zusatzfunktionen haben wir begonnen, BIM zu nutzen. Der Umstieg erfolgte in mehreren Schritten: im ersten wurden 20 Prozent der Arbeitsplätze auf die neue Technologie umgestellt und sofort Projekte realisiert. Danach folgten Step-by-Step die restlichen Arbeitsplätze in ähnlichen Schrittgrößen. Gemeinsam mit dem BIM-Anbieter wurden Problemstellungen aus dem Projektgeschäft in Angriff genommen. Im Laufe der Jahre ist die Anwendung bei uns zu einem sehr wertvollen Tool geworden.

metallbau: Wieviele Mitarbeiter nutzen in Ihrem Hause BIM?

Bernd Mühl: Rund 50 Konstrukteure, 20 Projektleiter, fünf Statiker und 20 Montagevorarbeiter sowie die gesamte Produktionsleitung nutzen bei uns BIM.

metallbau: Wie und wie lange wurden diese geschult?

Bernd Mühl: Jene Mitarbeiter, die die projektrelevanten Informationen generieren – also die Konstrukteure – wurden rund zwei Jahre geschult (Training on the job). Alle starteten mit einer Grundschulung des Systems, danach wurde die Ausbildung mit Unterstützung eines Paten weitergeführt. Das ist recht aufwändig. Wesentlich unaufwändiger gestaltet sich die Schulungsphase für jene Mitarbeiter, die anschließend mit dem informationsbehafteten Modell weiterarbeiten. Hier beträgt die Schulungsphase weniger als eine Woche.

metallbau: Wieviele Referenzobjekte aus Ihrem Hause sind inzwischen mit BIM entstanden?

Bernd Mühl: Wir waren bereits von der Geburtsstunde an dabei und bis dato wurden über 1.000 Projekte auf diese Weise erstellt – natürlich mit unterschiedlichen Reifegraden.

metallbau: Was war Ihr erstes Referenzobjekt? War es ein reales Objekt oder ein Pilotprojekt?

Bernd Mühl: Es war ein reales Projekt für einen Weltmarktführer in der Automobilbranche und die Umsetzung klappte gut.

metallbau: Das Arbeiten mit der BIM-Methode reicht weit. Neben der Geometrie können Komponenten wie Zeit, Kosten, Material und vieles mehr integriert werden. Wie weit nutzen Sie BIM?

Bernd Mühl: Das klassische Spannungsdreieck des Projektmanagements aus Kosten, Zeit/Ressourcen und Qualität/Leistung findet in unterschiedlich hoher Ausprägung Eingang ins BIM-Modell. Die Materialkomponente war für uns unter anderem ein Anstoß, die BIM-Anwendung zu forcieren. Der Aspekt der Ressourcen ist dann kurze Zeit später hinzugekommen. Inzwischen haben wir damit unsere Ressourcenplanung vereinfacht. In der Zwischenzeit wurde auch die Kostenverfolgung mit aufgenommen, die dem Kunden absolute Kostensicherheit bis zum Ende des Projektes garantiert.

metallbau: Was mussten Sie logistisch ändern, um von diesen Vorteilen zu profitieren?

Bernd Mühl: Um die Abläufe reibungslos zu gestalten, wurden entsprechende Schnittstellen im ERP-System Navision Dynamics geschaffen. Auf diese Art und Weise wird die gesamte Produktions- und Auslieferungslogistik gesteuert und man kann in der BIM-Anwendung etwaige bauseitige Störungen durch die Zusammensetzung des Produktions- und Lieferprogramms rasch ausbalancieren.

metallbau: Inwiefern liefert die BIM-Anwendung eine gute Grundlage für eine höhere Qualität, eine exakte Termintreue?

Bernd Mühl: Zuerst diente BIM dazu, die internen Prozesse reibungslos zu gestalten. Später sprangen auch unsere Auftraggeber auf diesen Zug auf, da sie das Potenzial erkannten. Mittlerweile bekommen wir während eines Planungsprozesses 3D-Laserscan-Vermessungsdaten vom Kunden zur Verfügung gestellt. Diese lassen wir ganz unkompliziert in die laufende Planung einfließen. Das beugt Überraschungen auf den Baustellen vor, vermeidet Mehrkosten und Bauzeitverlängerungen.

metallbau: Wie schätzen Sie die Qualität der Schnittstellen zwischen Stahlbauer, Architekt, Planer ein, wenn BIM angewendet wird? Inwieweit mussten Sie Ihr bisheriges Denken auf die Zusammenarbeit, den Austausch, die Kommunikation mit Projektpartnern verändern?

Bernd Mühl: Ausgehend von einem 3D-Architekturmodell erfolgt anschließend bei Unger die Optimierung von Geometrie und Statik. Danach wird die Geometrie an die Architekten zur Freigabe übermittelt. Im Anschluss wird auf Basis dieses digitalen Zwillings in der Produktion das reale Objekt gefertigt.

metallbau: Wie profitieren Fertigung und Montage von der BIM-Anwendung?

Bernd Mühl: Über unsere Totalstation können die Sollpunkte aus der BIM-Anwendung von der virtuellen Welt in die Realität auf der Baustelle mittels Laserpointer übertragen werden. Nach Abschluss der Montage können dann die Ist-Werte nochmals abgenommen und so die Toleranzmaße am PC abgeglichen werden.

metallbau: Was bestätigt Sie, BIM weiter zu verwenden?

Bernd Mühl: Der Einsatz des Programms erfolgt flächendeckend. Die Palette reicht von klein bis groß, von Weltmarktführern bis zur Erstbesiedelung einer Insel auf den Fidschis. Ich halte BIM gegenwärtig für alternativlos.

Info & Kontakt

Unger Stahlbau Ges.m.b.H.
Steinamangererstraße 163
A-7400 Oberwart
Telefon +43 33 52 335 24 0

www.ungersteel.com

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