Hallenbau

Fundiertes Wissen für ein vielfältiges Segment

Das Segment Hallenbau ist ein vielfältiges: Es gibt große Systemanbieter wie ArcelorMittal Construction oder Systemhersteller und -verarbeiter wie Goldbeck, Mittelständler wie etwa Wurst Stahlbau in Bersenbrück, der individuelle Hallen baut, und kleinere Betriebe wie Montage & Stahlbau Ulf Tauschke in Höhenland oder Stahlbau Finke in Welmlingen. Dieser beschäftigt zwar nur 12 Mitarbeiter, arbeitet jedoch mit eigenem System.

Die aktuell spürbarste Veränderung in diesem Markt ist das Ende des Photovoltaik-Booms. „Vor drei Jahren sind wir mit jedem Auftrag über den Bau einer Halle zugleich mit einer großflächigen Solardachanlage beauftragt worden“, berichtet Geschäftsführer Thomas Wurst. Dieses Potenzial ist verloren gegangen, seitdem die Einspeisevergütung kontinuierlich sinkt. „Hallen mit Photovoltaik-Anlagen sind deutlich weniger geworden“, bestätigt auch Hermann-Josef Dreyer – Prokurist vom BSH Bentheimer Stahl- und Hallenbau in Bad Bentheim. Heute geht es um eine bessere Wärmedämmung, die an die aktuellen EU-Vorgaben (z.B. EnEV) angepasst sein muss, und um eine optisch etwas anspruchsvollere Fassade. Aber auch Brandschutzkonzepte und Bodengutachten sind wichtige Parameter für die Planung.

Synergien nutzen. Stahlbau Wurst erwirtschaftet 60 % seines Umsatzes im Hallenbau: Logistikhallen, Lager, Produktionshallen, Gewerbehallen wie Autohäuser und Hallen für die Landwirtschaft. Für Unternehmen, die sich in diesem Markt gut positionieren möchten, nennt der Geschäftsführer folgende Voraussetzungen: „Fachpersonal steht an erster Stelle – wir beschäftigen 15 Diplom-Ingenieure, und das Gros der Belegschaft ist als Metallbauer Fachrichtung Konstruktionstechnik ausgebildet. Weiter ist eine gute Liquidität nötig, damit die hohen finanziellen Vorleistungen erbracht werden können, zudem lässt sich eine verlässliche Produktion nur mit einem Maschinenpark in sehr gutem Zustand organisieren.“ Der Einsatz NC-gesteuerter Maschinen ist Standard.

Ein klassisch aufgestelltes Metallbauunternehmen profitiert von den Synergien seiner unterschiedlichen Leistungssegmente. „Die Schlosserei, der Bühnen- und Maschinenbau ergänzen sich gut mit dem Hallenbau“, sagt Wurst. Soll eine Halle schlüsselfertig übergeben werden, dann ist es natürlich von Vorteil, wenn der Metallbaubetrieb Treppen und Geländer fertigen kann. Durch Synergien profitiert auch BSH Bentheimer Stahl- und Hallenbau. Mit seinen 55 Mitarbeitern erwirtschaftet das Unternehmen mit dem Bau von Hallen ebenfalls 60 % des Gesamtumsatzes. Beim Bau von Gewerbehallen und Produktionshallen kann es die Leistungen der Bereiche Fensterbau, Tor- und Türbau sowie Aluminium- und Geländerbau einbringen.

Kooperationsgeschick. Führt ein Stahlbauunternehmen wie Wurst die Hallen schlüsselfertig aus, arbeitet es mit anderen Gewerken im Netzwerk. Die Absprachen mit den anderen Firmen müssen funktionieren. „Auch wenn das bauforumstahl eine Art Netzwerk für diesen Zweck bietet, wir setzen nur auf Unternehmen, die wir persönlich kennen“, konstatiert Wurst. Unter dem Motto „Alles aus einer Hand“ versteht der Geschäftsführer in erster Linie, dass sein Unternehmen den Ansprechpartner für alle Gewerke stellt. Für den Bauherren hat dies den Vorteil, er muss die Aufträge nicht mehr an die einzelnen Gewerke vergeben und sich um die Anschlusstermine kümmern. „Unserer Erfahrung nach funktionieren die Kooperationen, wenn die Kommunikation stimmt – die Planungskompetenzen müssen natürlich sehr gut sein.“ Andere Gewerke wie beispielsweise den Tiefbau selbst auszuführen, davon hält der Stahlbauer nichts. Er hat Respekt vor dem Fachwissen: „Jedes Gewerk für sich ist komplex“, so Wurst.

Soll die Kalkulation einer Halle einerseits gegenüber den Mitbewerbern bestehen können, andererseits dem Betrieb eine Marge einspielen, dann darf es nicht nur um den statisch-konstruktiven Teil gehen, sondern auch Fertigung, Transport und Montage müssen im Blick sein und wirtschaftliche Lösungen für alle Arbeitsbereiche ausgeklügelt werden.

Individuell oder im System. „Systemhallen oder Hallen in Modulbauweise haben ihre Berechtigung. Diese sind vor allem gefragt, wenn die Montage schnell gehen soll, ein kurzfristiger Einzug geplant ist oder eine ansprechende Architektur nicht so wichtig ist“, konstatiert Wurst. Sein Unternehmen fertigt Hallen individuell und im System. Ein eigenes System hat er allerdings nicht entwickelt. „Wir stehen für komplexe architektonische Herausforderungen.“

Auch wenn man gerne Systeme mit großen Unternehmen in Verbindung bringt und individuelle Lösungen eher mit kleineren  —ob ein System verarbeitet wird oder nicht, hat wenig mit der Anzahl der Mitarbeiter zu tun. Finke Metallbau in Welmlingen beschäftigt beispielsweise 12 Mitarbeiter und verarbeitet ein eigenes System, die „Vario Systemhalle“ mit vier verschiedenen Dachformen: Sattel-, Pult-, Flach- und Solardach. Weiteres Beispiel für den erfolgreichen Einsatz eines Systems ist das emsländische Unternehmen Husen – die Stahlbauer. Die Konstruktion aus dem Baukasten sieht vor, dass die Gestaltung der Fassade frei wählbar ist.

Doch das Angebot an Systemhallen wird immer größer, denn Systeme werden immer flexibler, sie sind immer individueller planbar. Anbieter wie ArcelorMittal Construction verfügen über Lösungen für Decken-, Wand- und Dachsysteme. Auf der Basis von Stahlbindern werden für das Dach einschalige und zweischalige Konstruktionen unterschieden. Diese sind für große Spannweiten geeignet und bieten einen hohen Schallschutz.  Für diese Konstruktionen gibt es geprüfte Systeme, welche den Einsatz für Dachflächen größer als 2.500 m² ermöglichen. Zweischalige Systeme sind teurer, die zu berücksichtigende Durchbiegungsbegrenzung reduziert sich vergleichsweise um etwa die Hälfte. Nachteilig sind die Wärmebrücken, die konstruktionsbedingt an den Distanzkonstruktionen auftreten. Je nach Systemwahl  lassen sich diese inzwischen stark minimieren. Soll eine sehr gute Wärmedämmung erzielt werden, sich in der Fläche keine Wärmebrücken bilden und darüber hinaus die Montage auf der Baustelle dank eines hohen Vorfertigungsgrades sehr einfach sein, dann bietet sich in Kombination mit einer Pfetten-Dachkonstruktion der Einsatz von Sandwichpaneelen an. Diese Paneele gibt es mit einem Dämmkern aus nichtbrennbarer Mineralwolle oder aus Polyurethan (PUR). Mit PUR-Dämmung werden die Paneele als schwerentflammbar eingestuft.

Die Möglichkeiten für die Gestaltung der Fassade sind vielfältig. Klassiker im Hallenbau sind Kassettenwandkonstruktionen mit Trapezprofilverkleidungen, die als nichtbrennbar ausgeführt werden können. Auch dafür können Sandwichelemente mit einer wesentlich optimierten Wärmedämmung verwendet werden. Diese sind auch mit Mineralwoll- oder Polyurethan-Dämmung erhältlich. Goldbeck hat über das klassische Angebot hinaus eine Pfosten-Riegel-Konstruktion als Ganzglasfassade im Portfolio sowie eine Wellenfassade, in die sich Solarmodule integrieren lassen.

Eurocode 3. Stahlbau Wurst ist seit Juni 2012 nach DIN EN 1090 zertifiziert und damit in der Lage, seine Konstruktionen nach Eurocode 3 zu berechnen. „Da das Unternehmen bereits nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert war, hatten wir ein Total Quality Management System, das die Prozesse beschreibt, die auch der Anforderungskatalog der DIN EN 1090 enthält.“ Das heißt, Wurst Techniker können bereits die Stahlkonstruktionen nach Eurocode 3 berechnen. Ab Juli 2014 ist das dann für alle Pflicht – die Übergangszeit für Ausführungen nach DIN 18800-7 endet. Nach Erfahrung des Hallenbauers fordern jedoch jetzt schon viele Kunden Baumaßnahmen nach der neuen Norm. „Wir haben schon einige Aufträge ausgeführt, die für Unternehmen ohne Zertifikation nicht erreichbar gewesen wären“, berichtet Wurst. Er fügt hinzu: „Über 80 % der Anfragen berechnen wir bereits nach Euronorm.“

bauforumstahl unterstützt. bauforumstahl e.V. in Düsseldorf hält auf der Website zahlreiche Broschüren zum Thema Hallenbau bereit sowie Arbeitshilfen zum Korrosionsschutz und Brandschutz. Für eine Pultdachhalle und 18 typengeprüfte Satteldachhallen werden vollständig ausgearbeitete Planungsunterlagen zum Download angeboten. Gegenwärtig wird ein weiterer Downloadbereich für Musterstatiken der Satteldachhallen nach den aktuellen Eurocodes eingerichtet. „Bei weiteren Fragen stehen wir jederzeit kostenfrei telefonisch zur Verfügung oder vor Ort mit Rat und Tat“, hebt Fachberater Ronald Kocker hervor. Mit den unterstützenden Unterlagen möchte das Forum zur Förderung des Bauens mit Stahl darauf aufmerksam machen, dass die Stahlbauweise im Hallenbau bei kleinen und mittleren Spannweiten (bis 20 m) zu effizienten und kostengünstigen Lösungen führt.

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